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Nach Heimeröffnung in Hoyerswerda: erster Angriff auf Flüchtlinge

 

hoyerswerda
Ein kleiner kreis von menschen engagiert sich in der Stadt mutig gegen Rassismus © Matthias Grund

Zwei Tage nachdem die ersten Asylsuchenden in das neue Heim in Hoyerswerda gezogen sind, wurde ein marokkanischer Heimbewohner auf dem Marktplatz der Kleinstadt tätlich angegriffen. Die Polizei ermittelt gegen einen 37-jährigen Deutschen, den der Betroffene noch am Tatort mit seinem Handy fotografieren konnte. Am nächsten Tag veranstaltete die Kampagne „Hoyerswerda hilft mit Herz“ vor dem Heim eine Solidaritätskundgebung und setzte ein deutliches Zeichen: Refugees welcome.

Von Laura Piotrowski

Etwa 60 Menschen haben sich am Samstag Nachmittag vor dem Flüchtlingsheim in Hoyerswerda versammelt, sogar der Pressesprecher der Stadt ist gekommen. Das Heim wurde erst vor kurzem offiziell eingeweiht, am vergangenen Mittwoch zogen die ersten 36 Bewohner in das noch unfertige Haus ein. Zwei Tage später war Khalid aus Marokko auf dem Marktplatz der Stadt unterwegs, ein deutscher Mann fuhr mit dem Fahrrad an ihm vorbei, verpasste ihm einen Schlag auf den Hinterkopf, kam dann zurück und versetzte ihm  einen zweiten Schlag in die Nierengegend. Noch am Tatort konnte der Angegriffene geistesgegenwärtig sein Handy zücken und fotografierte den Angreifer, so dass die Polizei diesen kurze Zeit später identifizieren konnte. Er ist laut Polizeiangaben bekannt, aber sei keiner der ansässigen Nazis. Trotzdem ermittelt nun auch der Staatsschutz, der seit dem Angriff auf Ronny und Monique mit zwei Beamten in Hoyerswerda vertreten ist. Von einem rassistischen Motiv der Tat ist auszugehen. Nicht zuletzt wissenschaftliche Untersuchungen zeigen schließlich immer wieder, dass nicht jeder Rassist auch ein aktiver Neonazi sein muss, Rassismus ist in der deutschen Gesellschaft weit verbreitet und immer wieder Grund für gewalttätige Übergriffe.

Unterdessen kamen auch einige Bewohner des Flüchtlingsheims zur Kundgebung, sie sprachen mit den anwesenden Menschen und erzählten, wie es ihnen gehe. Eine Gruppe Pakistaner berichtet, das bis jetzt an jedem Abend ein Auto am Heim hielt, die Insassen „Ausländer raus!“ riefen und weiterfuhren. Auch der junge Marokkaner Khalid kommt mit einigen Freunden vorbei, im Gespräch mit Netz-gegen-nazis.de erzählt er von dem Angriff, berichtet, dass die Polizei entschied, ihn nicht ins Krankenhaus zu bringen. So dass er nun kein ärztliches Attest für den Angriff hat. Ihn und seine Freunde hat der Angriff verunsichert. Sie sind noch neu in der Stadt, haben vorher zwei Monate in der Erstaufnahmestelle in Chemnitz gelebt, da wäre das Leben besser gewesen. Sie meinen, es gibt in Hoyerswerda viele gute, aber auch schlechte Menschen. Aber sie können sich mit niemandem verständigen, nicht einmal einen Café bestellen. Das war in Chemnitz besser. Auch fehlen Freizeitangebote, da asylsuchende Menschen anfangs nicht arbeiten und nur selten Schulen besuchen dürfen, sind die Tage lang. In dem noch nicht fertig gebauten Heim fehlen Sporteinrichtungen oder Fernseher.

Pfarrer Jörg Michel von der evangelischen Gemeinde betreut derzeit das Heim und berichtet: „Die Heimleitung wurde vergangenen Mittwoch früh angerufen und eine Stunde später war der Bus mit den ersten Bewohnern da. Überall im Heim ist Staub, zwei Etagen sind noch gar nicht freigegeben. Die Heimleitung ist mit dem Problemfall sichtlich überfordert, man muss noch viel lernen.“ Aber gemeinsam mit der Initiative „Hoyerswerda hilft mit Herz“ planen sie Sport- und Sprachangebote, außerdem soll es Alltagslotsen geben, die die Heimbewohner auf ihren alltäglichen Wegen zum Arzt, ins Amt oder beim Einkaufen begleiten und die Stadt zeigen. In den nächsten Tagen ist auch ein großes Willkommensfest für die Menschen im Heim geplant. Hoyerswerda will vieles besser machen, nachdem das letzte Flüchtlingsheim nach einem tagelangen Pogrom 1991 geschlossen und die Bewohner aus der Stadt gebracht werden mussten. Der private Heimbetreiber ist offen für die Angebote der Initiative, auch die Kooperation mit der Stadtverwaltung läuft laut Initiative gut.

Nach dem Angriff bleibt jetzt der Lauf der Ermittlungen abzuwarten. Mathias Buchner von der Initiative Pogrom 91 war auch vor Ort und sagte, „dass der junge Mann den Täter sofort abfotografiert hat, war eine mutige Reaktion. Wir fordern von der Polizei genauso entschlossen gegen den Schläger vorzugehen.“ Es ist zu hoffen, dass die Polizei nicht wie im Fall von Ronny und Monique die Aufklärung der Tat behindert. Wobei schon das mangelnde ärztliche Gutachten der erste große Fehler ist. Rechtsstaatlichkeit muss in Hoyerswerda endlich wieder greifen und das schließt eine objektive Ermittlung ein, die auch Rassismus als Tatmotiv nicht ausschließt.