Nachdem das Verfassungsgericht die Sperrklausel für Europawahlen abgeschafft hat, haben es auch rechte und rechtsextreme Parteien künftig leichter, Abgeordnete nach Straßburg zu schicken. Ein Rechen-Experiment zeigt: Bei den vergangenen Wahlen hätten stets auch Rechtsextreme und Rechtspopulisten Sitze im Europaparlament gewonnen.
Schaut man sich die Europawahlen 1994, 1999, 2004 und 2009 in Deutschland an, stellt man fest, dass nur dank der Sperrklausel die rechten Parteien erfolglos blieben. Man stellt aber auch fest, dass die Unterstützung für rechte Parteien über die Zeit abgenommen hat. Ohne die Prozent-Hürde hätten 2009 einzig die Republikaner noch einen Sitz gewonnen, bei einem Stimmenanteil von 1,3 Prozent. Die NPD trat 2009 nicht an, die DVU wäre mit ihrem Ergebnis von 0,4 Prozent auch ohne Sperrklausel nicht ins Europaparlament eingezogen.
Zwischen drei und fünf Sitze für rechte Parteien
2004 hätten die Republikaner gleich zwei Sitze geholt, bei 1,9 Prozent der Stimmen. Auch der NPD wäre der Einzug gelungen: Mit einem Stimmenanteil von 0,9 Prozent hätte sie einen Abgeordneten nach Straßburg schicken können. Außerdem hätte die Kleinpartei Volksabstimmung mit 0,5 Prozent einen Sitz gewonnen, sie wurde zeitweise vom nordrhein-westfälischen Verfassungsschutz als rechtsextrem eingestuft.
Auch 1999 hätten die Republikaner mit 1,7 Prozent der Wählerstimmen zwei Parlamentssitze geholt. Die NPD hätte mit gerade mal 0,4 Prozent einen Abgeordneten nach Straßburg schicken können.
1994 wäre die NPD mit 0,2 Prozent auch ohne Sperrklausel gescheitert. Die Republikaner hätten hingegen bei 3,9 Prozent der Stimmen gleich vier Sitze gewonnen. Außerdem hätte der rechtspopulistische Bund freier Bürger mit 1,1 Prozent Stimmenanteil einen Sitz geholt – die Partei löste sich im Jahr 2000 auf und machte zuvor etwa mit Demonstrationen gegen das Holcaust-Mahnmal in Berlin auf sich Aufmerksam.
Kleine Parteien profitieren vom Urteil
Wahlforscher erwarten, dass bei der anstehenden Europawahl am 25. Mai die kleinen Parteien enorm von der weggefallenen Sperrklausel profitieren werden: Eine Stimme für Außenseiten sei nicht mehr automatisch eine „weggeworfene“ Stimme, Wähler seien daher eher bereit, kleine Parteien zu wählen. Ob es ausgerechnet rechten Parteien besser als anderen Kleinparteien gelingen wird, diesen Vorteil in Parlamentssitze zu verwandeln, ist fraglich. Dass Rechtsextreme Deutschland in Straßburg vertreten werden, ist absehbar – ein Rechtsruck ist aber nicht zu erwarten.