Lesezeichen
‹ Alle Einträge

Patrick Wieschke soll Mutter verprügelt haben

 

Patrick Wieschke (Mi.), Foto Kai Budler
Patrick Wieschke soll 1999 seine Mutter verprügelt haben, Foto Kai Budler

1999 soll der heutige NPD-Spitzenkandidat im Thüringer Landtagswahlkampf, Patrick Wieschke, seine Mutter verprügelt und seine damals 15 Jahre alte Schwester misshandelt haben. Entsprechende Vorwürfe hat er bei einer polizeilichen Vernehmung selbst zugegeben. 

Der Spitzenkandidat der NPD im Thüringer Landtagswahlkampf, Patrick Wieschke, gerät immer weiter unter Druck. Nachdem vor rund einer Woche bekannt wurde, dass die Polizei im Jahr 2001 wegen des Verdachts des sexuellen Missbrauchs an einem 12 Jahre alten Mädchen gegen den NPD-Politiker ermittelt hat, veröffentlichte das Rechercheportal „Thüringen Rechtsaußen“ jetzt eine weitere kompromittierende Akte der Eisenacher Polizei. Demnach sind die Beamten der örtlichen Inspektion am 14. August 1999 gegen drei Uhr nachts zum Haus der Familie Wieschke gerufen worden, weil Sohn Patrick seine Mutter verprügelt hat.

Gewalt gegen die Familie

Nach einem eskalierten Streit um die Lautstärke, mit der er nach seiner Rückkehr um 2.30 Uhr bei laufendem TV sein Zimmer aufgeräumt hat, habe er seiner Mutter zunächst mit der Faust ins Gesicht geschlagen. Als sie danach im Wohnzimmer die Polizei rufen wollte, hat er die Scheibe der Türe zerstört und ihr das Handy aus der Hand geschlagen. Weil die Mutter auf der Flucht Wieschkes Handy in dessen Zimmer warf, schlug er ihr schließlich sogar mit einer holzumrahmten Pinnwand auf den Kopf. Später unterband er auch den Versuch der Mutter, gemeinsam mit ihrer 15jährigen Tochter an einer nahegelegenen Telefonzelle die Polizei zu alarmieren, indem er sie verfolgte, seine Mutter ins Gras warf und sie bis zum Treppengeländer getragen hat. Dort habe sie sich festzuhalten versucht, doch ihr Sohn riss sie weg und warf sie anschließend „mit voller Wucht vor das Geländer“. Aus Angst vor weiterer Gewalt sind am Ende sowohl die Mutter als auch die Tochter zusammen mit Wieschke zurück in die Wohnung gegangen. Erst dort konnte die Mutter in einem unbeobachtet Moment mit dem Handy ins Badezimmer fliehen und eine Stunde nach Beginn der Attacke die Polizei alarmieren.

Als die Beamten um 3.30 Uhr dann am Mehrfamilienhaus in Eisenach eingetroffen sind, fanden sie die Mutter mit „sichtlichen Verletzungen“ vor. Gesicht und Arme wären „blutverschmiert“ gewesen und sie habe „über Schmerzen im Schulterbereich“ geklagt, notierten die Beamten im Einsatzbericht. Außer bei der Mutter stellen die Einsatzkräfte auch bei der Schwester „blaue Flecken am rechten Oberarm aufgrund der Auseinandersetzung“ fest. Während der ersten Befragung am Tatort sagte die Mutter – bekräftigt von der Schwester – aus, dass „alle Familienmitglieder panische Angst vor dem Patrick W.“ haben, „da er so gewalttätig ist“. Im konkreten Fall wäre der Streit ausgelöst worden, weil die Mutter – trotz „Hinweis“ ihres Sohnes – zum zweiten Mal seine Zimmertüre geschlossen habe, obwohl dadurch das in den Flur gelegte Ladekabel seines Handys Schaden nehme. Zudem wollte er mit aller Kraft einen Anruf bei der Polizei verhindern, weil er sonst seine Rolle als Redner bei der NPD-Demonstration am kommenden Tag gefährdet sah. Nach der polizeilichen Befragung wurde die Mutter wegen „starker Schmerzen im Schulterbereich“ vorübergehend von einem Notarzt zum Röntgen ins örtliche Klinikum „verbracht“.

Im Zuge der weiteren Ermittlungen wurde der Polizei bald klar, dass dies nicht der erste Fall von Gewalt in der Familie war. Vor allem die 15jährige ist „mehrfach“ von ihrem älteren Bruder Patrick geschlagen worden. „Das geht seit etwa zwei bis drei Jahren so“, erzählte das Mädchen der Polizei. „Die einzelnen Taten, wo er mich schlägt und tritt, laufen eigentlich immer gleich ab. Er verlangt von mir immer etwas, wie z.B. Zigaretten oder daß ich ihm etwas zu Essen mache. Wenn ich dies ablehnte, schlug und trat er auf mich ein.“ Dabei sei sein Vorgehen „immer brutaler“ geworden. Bei solchen Tätlichkeiten hätte er „überall hin“ geschlagen. Zum Zeitpunkt der Vernehmung habe sie deshalb „panische Angst vor ihm“ gehabt und wäre „nur ungern nach Hause“ gegangen, sagte sie den Beamten.

Wieschke unter Druck

Für Wieschke kommt die Veröffentlichung zu einem ungünstigen Zeitpunkt. Als „Thüringen Rechtsaußen“ vor rund einer Woche die Ermittlungsakten wegen sexuellen Missbrauchs eines 12 Jahre alten Mädchens veröffentlicht hat, wies Wieschke die Vorwürfe von sich. Seiner Aussage nach wäre das Mädchen in ihn verliebt gewesen und habe sich mit der Anzeige für einen Korb gerächt, den sie von dem damals 20jährigen Wieschke bekommen habe. Keinesfalls habe er ihr an die Brust gefasst, sie bedroht oder mit einem Messer eingeschüchtert, beteuerte er. Ob die Vorwürfe tatsächlich zutrafen oder sie nicht haltbar waren, konnte nicht geklärt werden. Die Staatsanwaltschaft hat das Verfahren nach einer Regelung der Strafprozessordnung eingestellt, wonach eine Verurteilung gegenüber einem anderen zu dieser Zeit geführten Verfahren nicht beträchtlich ins Gewicht gefallen wäre

Aber nicht jeder ließ sich davon überzeugen. Ausgerechnet Christian Worch, Gründer der konkurrierenden Neonazi-Partei „Die Rechte“, sagte, er wäre „eher geneigt, dem Opfer zu glauben als Patrick Wieschkes Dementi“. Begründet hat der langjährige Neonazi dies – noch vor Veröffentlichung der Akte – mit einem Angriff von Wieschke auf seine Mutter. Worch war damals zu der von Wieschke organisierten Demonstration nach Thüringen gereist und wäre bei seiner Ankunft von Polizisten über die Verhaftung des Organisators informiert worden, der – laut Polizei – in betrunkenem Zustand seine Mutter verprügelt habe. Anlässlich des Vorwurfs des sexuellen Missbrauchs hat Worch den Vorfall publik gemacht, weil er so jemandem „auch noch jede Menge andere charakterlicher Entgleisungen“ zutrauen würde.

Der Thüringer NPD-Landeschef, der auch Spitzenkandidat im Landtagswahlkampf ist, bezeichnete die Vorwürfe gegenüber Spiegel Online vor wenigen Tagen noch als „Blödsinn“.

Wieschke räumte Gewalt ein

Doch die Veröffentlichung der Akten dürfte diese Behauptung Wieschkes jetzt Lügen strafen. Denn in der Vernehmung mit der Polizei räumte er die ihm vorgeworfenen Taten im Kern selbst ein. Im Zuge des Streits habe seine Mutter die Zimmertüre zugeknallt, wobei der Akku seines im Flur befindlichen Handys und die Karte zu Boden gefallen sei, was ihn „in Rage“ gebracht habe. Nachdem er es erneut in die Diele gelegt habe, hätte seine Mutter „mit beiden Fäusten gegen meine Brust“ geschlagen und seine von einem Nasenbeinbruch gezeichnete Nase schmerzhaft gestreift. Wie genau der Konflikt „im Einzelnen“ weitergegangen sei, wäre ihm zwar nicht in Erinnerung geblieben. Dass er seiner Mutter einen Schlag verpasst, ihr die Pinnwand auf den Kopf geschlagen, sie weggezerrt und Todesdrohungen ausgesprochen hat, treffe aber zu. Allerdings wären die Faustschläge „nicht gezielt“ und der Schlag gegen das Geländer „nicht beabsichtigt“ gewesen. Zum Tatzeitpunkt war er mit rund 0,8 Promille alkoholisiert.

Eingeräumt hat Wieschke jedoch nicht nur die Gewalt gegen seine Mutter, sondern auch die Schläge gegen seine Schwester. Völlig unverblümt antwortete Wieschke auf die Frage eines Polizeibeamten, ob es denn zutreffend sei, dass er das 15 Jahre alte Mädchen „in der Vergangenheit geschlagen“ habe: „Ja, des Öfteren. Dies tat ich, weil sie mich provoziert hatte.“

Wie das mit seiner Aussage, die Vorwürfe seien „Blödsinn“, vereinbar ist, dürfte Wieschkes Geheimnis bleiben. Öffentlich geäußert hat er sich zu der Akte bislang jedenfalls noch nicht.