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Mannheimer Fußballverein wehrt sich gegen Neonazis

 

Im Stadion nicht mehr erwünscht – Neonazi Christian Hehl © Wikimedia

Seit geraumer Zeit gibt es die Befürchtung, dass es zu einem „Rollback“ innerhalb vieler deutscher Fußballfanszenen kommt. Von einem „Comeback der Alten“, sprechen Szenekenner. In einigen Stadien kam es zu Neonazi-Propagandaauftritten sowie Übergriffen rechtsoffener Hooligans gegen andere Fangruppierungen des selben Vereins, weil diese sich offen antirassistisch positionierten. Erstaunlich für die Öffentlichkeit war, dass dieses an Bundesliga Standorten in Westdeutschland und nicht im Osten, wo sonst der Neonazismus verortet wird geschah. Die bekanntesten Bespiele hierfür sind sicherlich entsprechende Transparente bei Borussia Dortmund sowie Alemannia Aachen und Eintracht Braunschweig, wo ganze Ultragruppen von rechten Fans und Hooligans mit Gewalt aus der Fanszenen gedrängt wurden.

Von Fabian Kunow und Sebastian Meyer

Wie ein solches Comeback auch aussehen kann, konnte man am vorletzten Spieltag der Regionalliga Südwest (vierthöchste Spielklasse) beim Spiel SV Waldhof Mannheim gegen den 1.FC Saarbrücken, zwei Traditionsvereine mit Bundesligaerfahrung, sehen. Über die gesamte zweite Halbzeit, also 45 Minuten, wurden zwei Transparente auf der Gegengerade ungestört hochgehalten, auf denen sich mit dem NPD-Stadtrat und stadtbekannten Neonazi Christian Hehl solidarisiert wurde. So war dort zu lesen „Hausverbot für Stadtrat?“ und „Gerechtigkeit für Hehli!“. Hehli ist der Spitzname des voluminösen Neonazi Christian Hehl. Dem hatte der Verein ein Hausverbot ausgesprochen. Die Begründung des Vereins lautete „Die Polizei in Mannheim setzte uns ferner davon in Kenntnis, dass Sie polizeibekannt und eindeutig der rechtsextremen Szene zuzuordnen sind.“

Tatsächlich ist Hehl ein rechtsextremer Multifunktionär. Er mischte seit Jahren überall mit: bei der NPD, dem verbotenen Neonazi-Musiknetzwerk „Blood&Honour“ und bei den „freien Kameradschaften“. Polizeibekannt ist „Hehli“ unter anderem, weil er Mitte der 1990er Jahre einem Antifaschisten in Speyer von hinten mit einem Schlagstock angegriffen und am Kopf verletzt hatte.

Wegen des hohen Gewaltpotenzials am Spieltag, konnte der Ordnungsdienst des Vereins aber nicht einschreiten, als die Transparenten gezeigt wurden. „Wir hätten 60 Ordner für die Ecke gebraucht und dann entschieden, dass wir nicht eingreifen, weil da oben in Block 6 eine sehr spezielle Klientel sitz“, sagte Geschäftsführer Andreas Laib laut dem „Rhein-Neckar Blog“. In der Tat sitzen dort, die schon zum Teil in die Jahre gekommenen Hooligans, welche zumindest für solche Derbys zu aktivieren sind.

Hehl und die NPD reagierten schnell und brachten den fast klassischen Vorwurf, der Verein würde Politik und Sport vermischen. „Ein Akt der politischen Willkür und besonders schmerzlich für den leidenschaftlichen Waldhoffan“, schreibt der NPD Kreisverband Rhein-Neckar zu dem Hausverbot auf seiner Homepage. Der Vorwurf Politik und Fußball zu vermischen ist eine Argumentation die rechte Fußballfans wie offene Neonazis immer wieder anbringen, wenn ihnen von nicht-rechten Fußballfans oder den Vereinen entgegengetreten wird. Dabei lässt sich für Mannheim genau das Gegenteil belegen, hier hatte die NPD im Kommunalwahlkampf Plakate im Umfeld des Stadions aufgehangen und dies auch hämisch komentiert „Pünktlich zum Waldhofspiel hängen auch hier unsere Plakate.“ Auch der NPD-Kandidat Hehl soll nach Angaben des Antifa AK Mannheims im Vorfeld der Kommunalwahl Unterstützungsunterschriften für seine Kandidatur bei Fußballspielen des SV Waldhof gesammelt haben. Die NPD nutzte also gezielt den vermeintlich politikfreien Fußball um die Wahl von Hehl als Stadtrat zu ermöglichen. Mittlerweile wurde eine Facebookgruppe gegründet, die die Aufhebung des Hausverbots fordert. „Bekommt jetzt jeder der sich öffentlich zur NPD bekennt Stadionverbot?“, fragt der Gründer der Gruppe, die immerhin knapp 290 Mitglieder hat.

Wie unsinnig die Darstellung vom Neonazi, der seine politische Gesinnung an Eingangstor des Stadions abgibt, ist, zeigt ein kurzer Blick in die späten 90er und frühen 2000er Jahre. Damals spielte der Arbeiterverein aus dem Mannheimer Norden noch in der 2. Bundesliga. Bei den Heimspielen traten bis zu 100 Neonazis, davon viele im damals typischen Skinheadlook, als geschlossen Gruppe auf. Häufig gab es während den Spielen rassistische Schmähgesänge und danach Übergriffen auf Menschen, die nicht ins Weltbild der Neonazis passten. Hehl, der sich im Internet schon mal am Grab des NS-Kriegsverbrechers Rudolf Hess im T-Shirt der Waldhof-Hooligantruppe „The Firm“ präsentiert, trat als Mitglied dieser Gruppe auf.

Organisierte Neonazis nutzten die Spiele des Vereins als Rekrutierungsfeld um ihre neonazistische Politik jungen Waldhoffans näher zu bringen. Gegen diese Zustände regte sich Widerstand innerhalb der aktiven Fan- und Ultraszene. In der Stadionordnung von Waldhof Mannheim finden sich, wie bei fast allen Fußballvereinen, entsprechende Bestimmungen, die das „Tragen/Mitführen neofaschistischer Embleme oder Propagandamittel“ unterbinden sollen.

Dies führte dazu, dass die Nazis nicht mehr unwidersprochen offen auftreten konnten. Auch die sportliche Talfahrt schien das Interesse vieler Neonazis zu verringern. Ganz aufgeben wollten die Neonazis ihr Rekrutierungsfeld SV Waldhof dennoch nicht, wie der Kommunalwahlkampf 2014 zeigt. Die neonazistische Homepage „Infoportal 24“ des „Aktionsbüro Rhein-Neckar“ berichtet stolz, dass sich „dutzende Nationalisten“ in den Reihen der Waldhof Fanszene befinden würden.

Welche Funktion Hehl als Bindeglied zwischen rechtsoffener Hooligan- und organisierter Neonaziszene hat, wird auch an einem anderen Beispiel deutlich. Als der salafistische „Prediger“ Pierre Vogel durch deutsche Städte tourte, machten bundesweit Hooligans dagegen mobil. In der geschlossen Facebookgruppe „Weil Deutsche sich´s noch trau´n“ sollte jede Hooligangruppierung eine Person bestimmen, welche für die jeweilige Szene spricht. Nach kurzem Hin und Her einigten sich die Hooligans, Hehl solle für die Mannheimer Szene sprechen. Wie sich die Hooligans den Protest gegen die Salafisten vorstellten, zeigten sie dann im März 2014 als bis zu 300 Hooligans verschiedener Vereine und organsierten Neonazis in der Mannheimer Innenstadt während einer salafistischen Kundgebung randalierten.