Die Teilnehmerzahlen sind auch beim Leipziger Pegida-Ableger mittlerweile deutlich zurückgegangen, auch hier scheinen erste Auflösungserscheinungen anzukommen. Für einige Legida-Gegner beginnt eine weitere Auseinandersetzung – die mit der Strafverfolgung.
Kaum eine Woche ist seit der letzten Kundgebung des Leipziger Pegida-Ablegers – Legida – vergangen. Die insgesamt dritte Veranstaltung der Legida fiel mit kaum 1.700 Teilnehmern deutlich kleiner aus, als die Anmelder erwartet hatten. Grund dürften auch die zahlenmäßig deutlich überlegenen Gegenproteste gewesen sein. Auch am vergangenen Freitag waren tausende auf der Straße, um sich den Legida-Teilnehmern entgegenzustellen. Es kam zu Sitzblockaden und lautstarkem Protest rund um den Augustusplatz, den Veranstaltungsort der Legida. Hierbei kam es auch zu Auseinandersetzungen zwischen Gegendemonstranten und der Polizei, die teils rabiat gegen Protestierende vorging. Über ein Ermittlungsverfahren gegen einen Journalisten hatten wir bereits berichtet. Nun kommen immer weitere Fälle ans Licht, bei denen Strafverfahren durch die Polizei eingeleitet wurden, die von den Betroffenen teils als „absurd“ empfunden werden. Für einige stellt sich auch die Frage, ob Proteste damit kriminalisiert werden sollen.
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Ein Landtagsabgeordneter als Böllerwerfer?
Am vergangenen Freitag gehörte auch Sebastian Striegel zu den Demonstranten, die in Leipzig gegen Legida Gesicht zeigten. Striegel ist Abgeordneter der Grünen im Landtag von Sachsen-Anhalt und engagiert sich seit Jahren gegen die extreme Rechte und menschenfeindliche Einstellungen in der Mitte der Gesellschaft. Auch er war mit Freunden am frühen Abend nach Leipzig gereist, um gegen die Legida-Veranstaltung zu demonstrieren. Friedlich, wie er betont. Gegen 19 Uhr hielt sich Striegel mit anderen Protestierenden am Georgiring auf, über den die Polizei die Teilnehmer der Legida-Veranstaltung – darunter zahlreiche Neonazis und Hooligans – zum Augustusplatz geleitete. „Wir standen am Geogiring, als die Polizei uns unter anderem mit Pferden in Richtung Straßenbahn abdrängte, weil eine Gruppe von etwa 100 Legida-Leuten zur Kundgebung geführt werden sollte“, berichtet Striegel. Das Vorgehen der Polizei am Abend bezeichnet der Abgeordnete als „unsouverän und aggressiv“. Die Demonstranten um ihn herum hätten ihren Protest gegen die Legida-Teilnehmer lediglich verbal geäußert. In der Situation sei in einiger Entfernung auch ein Knall zu hören gewesen. „Ich habe das nicht weiter beachtet, weil es schon vorher einmal weiter weg geknallt hatte“. Nur wenige Minuten nachdem die Legida-Demonstranten seinen Standort passiert hatten, kam eine Polizeieinheit auf Striegel zu gerannt, nimmt ihn mit zur Identitätsfeststellung. Er wird durchsucht, abfotografiert, seine Daten überprüft und über den Tatvorwurf informiert: er soll den Böller gezündet haben, der wenige Minuten zuvor in der Nähe explodierte. Für Striegel ist dieser Vorwurf „absurd“: „Es gab keinen Böllerwurf durch mich“. Der Abgeordnete sieht sich zu Unrecht verdächtigt und befürchtet, dass es der Polizei weniger um konkrete Aufklärung, denn um Kriminalisierung des Protestes gegen Legida geht.
Von der Notwehr zum Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte
Nur wenige Meter von Sebastian Striegel entfernt demonstrierte zu diesem Zeitpunkt auch der Leipziger Torsten Kokot mit seiner Frau gegen die Legida-Kundgebung. Er gehört zu einer Gruppe Gegendemonstranten, die in der Goethestraße eine friedliche Blockade gegen die anreisenden extrem Rechten errichteten. Für ihn sei wichtig gewesen, „den Legida-Sympathisanten durch die starke Präsenz zu zeigen, wie unerwünscht sie sind“, erklärt Kokot. Vor der Blockade hatte die Polizei bereits mit zahlreichen Beamten und Fahrzeugen eine Sperre errichtet, um zu verhindern, dass die Gegendemonstranten in Richtung Augustusplatz gelangen konnten. Kurze Zeit nach der Errichtung der Blockade begann die Polizei dann mit der Räumung der Protestierenden. „Beim Abdrängen durch schwunghaftes Schubsen, das schon ins schmerzhafte Stoßen überging, setzten einige Polizisten auch verdeckt ihre Schlagstöcke zur Erhöhung punktuellen Druckes ein“, berichtet Kokot von der Räumung. Das aggressive Vorgehen der Polizei hätte immer wieder eine Eskalation der Lage in Kauf genommen. „Hinter mir schrie kurz darauf meine Frau vor Schmerz auf. Ich wendete mich ihr zu und sah, dass sie dem Drängen, zu welchem auch ein Schlagstock eingesetzt wurde, nicht entweichen konnte“, beschreibt der Leipziger die Situation. Um seine Frau zu schützen, drängte sich Torsten Kokot zwischen sie und den Polizisten, was die Situation eskalieren ließ: „Diese Nothilfeaktion schien einem weiteren Beamten über die Hutschnur zu gehen. Er schrie: ‚Jetzt reicht`s‘. Dann griff er mir von hinten ins Gesicht und verfehlte mein linkes Auge nur knapp. Ich wurde von ihm und einem seiner Kollegen nach hinten gerissen und von meiner Gruppe isoliert“, erinnert sich der Legida-Gegner. Er habe sich weder gewehrt noch einen Polizisten angegriffen. Nach einer Identitätsfeststellung eröffneten ihm die Beamten, dass nun wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte gegen ihn ermittelt werde. Die Anschuldigungen sind für Torsten Kokot kaum nachzuvollziehen. Noch Tage nach den Geschehnissen ist die Situation schwer für ihn zu verstehen. Kokot ist entschlossen: Er habe seine Ansichten nicht geändert und werde wieder gegen Neonazis und menschenfeindliche Einstellungen auf die Straße gehen.
Selbst wenn sich Legida in den nächsten Wochen auflösen sollte, werden die Gegenproteste weiter Justiz und Politik beschäftigen. Die Betroffenen der Anzeigen werden nun mit ihrem Rechtsbeistand über ihr weiteres Vorgehen entscheiden. Entgegen der Ankündigung des Polizeipräsidenten Bernd Merbitz war auch in der vergangenen Woche kein härteres Vorgehen der Polizei gegen Vermummung bei den Legida-Protesten zu beobachten.