Am Freitag trafen sich in Leipzig erneut Teilnehmer von „Legida“, um eine Kundgebung auf dem Augustusplatz abzuhalten – doch nur noch rund 1.700 waren gekommen. Hierbei versammelten sich neben rechten Szenegrößen und neurechten Bewegungen auch Hooligans, die zum Schutz der Versammlung dienten. Auf Seiten der Gegendemonstrationen griff die Polizei hart durch, nicht nur gegen Aktivisten, sondern auch gegen Journalisten.
von Sarah Ulrich (Text und Bilder) und Visual.Change (Bilder)
Es war das dritte Mal, dass sich die Anhänger von Legida in Leipzig trafen, um gegen die angebliche „Islamisierung des Abendlandes“ zu protestieren, doch auch Legida scheint auf dem absteigenden Ast. Das Ordnungsamt verbot im Vorhinein aufgrund von Sicherheitsbedenken einen Demonstrationszug sowie den erwünschten Kundgebungsort am Markt. Daher hielt Legida ihre Kundgebung am Augustusplatz ab. Nur etwa 1700 Sympathisanten fanden sich dort zusammen, um Reden von Götz Kubitschek oder Friedrich Fröbel zu lauschen. Dieser dankte den zahlreich angereisten Hooligans, die die Kundgebung schützten. Doch nicht nur Hooligans, wie zum Beispiel Anhänger von Lok Leipzig, sondern auch hohe Prominenz der Neonaziszene reiste an. Neben dem extrem rechten Funktionär Alexander Kurth fand sich auch der bekannte Neonazi Dieter Riefling aus Niedersachsen am Freitagabend auf dem Augustusplatz ein. Ergänzt wurde diese rechte Prominenz durch autonome Nationalisten oder der neurechten Bewegung „die Identitären.“ Sebastian Striegel von den Grünen spricht von einem „Naziaufmarsch 2.0.“ Gab es bei den vergangenen Demonstrationen mehrfach Angriffe von Legida-Teilnehmern auf Journalisten und Gegendemonstranten, blieb es bei dieser Kundgebung bei Beschimpfungen und Schubsen. Konfrontationen waren kaum möglich, vor allem aufgrund der massiven Polizeipräsenz.
Schon vergangene Woche kamen rund 4.000 Einsatzkräfte nach Leipzig, zur Absicherung des Legida-Aufzugs. Vielleicht auch um diesen Großeinsatz zu rechtfertigen, wurden die Teilnehmerzahlen von Legida kurzerhand um das Dreifache nach oben korrigiert, was unabhängige Forschungen jedoch wiederlegen konnten. Und auch aus anderen Gründen steht die Polizei in der Kritik. Von mehreren Seiten wird ihr vorgeworfen, man handle unrechtmäßig, um die Legida-Demonstrationen zu gewährleisten. So wurden vergangene Woche mehrfach Gegendemonstranten, die die Polizeiabsperrungen durchbrechen wollten, unter Einsatz von Pfefferspray und Schlagstöcken gewaltvoll zurückgedrängt. Bei einem Angriff von Legida-Teilnehmern auf eine Gruppe Gegendemonstranten richteten sich laut Augenzeugen die Maßnahmen der Einsatzkräfte gegen die Angegriffenen. Auch die für Freitag angemeldete Gegendemonstrationen zu Legida wurde aufgrund einer kritischen Sicherheitslage verboten. Polizeipräsident Merbitz kündigte in einem Interview nach dem aggressiven Aufzug von Legida vergangene Woche an, eine Vermummung der Legida-Teilnehmer „kein zweites Mal zuzulassen.“ Und doch waren es wieder Vermummte, die Journalisten wie Gegendemonstranten beschimpften. Ein wirkliches Einschreiten gegen Vermummung war nicht zu beobachten.
Als Aktivisten gegen 17 Uhr aus einem Universitätsgebäude heraus versuchten, über Polizeiabsperrungen auf den Augustusplatz zu gelangen, wirkten die Einsatzkräfte zunächst noch überfordert. Sie reagierten mit Pfefferspray und Schlagstöcken, einige Personen wurden festgenommen. Als dann zu späterer Stunde jedoch von mehreren hundert Menschen die Zufahrt zum Augustusplatz in der Goethestraße blockiert war, gingen sie schon deutlich organisierter vor. Systematisch drängte man die friedlichen, singenden und von einer Sambagruppe begleiteten Demonstranten ab, darunter auch einige ältere Menschen. Die Polizei erklärt, die Lage sei auf Seiten der Gegendemonstranten „sehr angespannt und aggressiv“ gewesen. Vereinzelt flogen Farbbeutel auf Polizeiwägen.
Einem Störungsmelder-Autoren, der die Szenen filmte, wurde bei der Blockade an der Goethestraße die Kamera von einem Polizisten weggeschlagen, woraufhin er nach hinten stolperte. Der Polizist ging auf ihn los und schlug ihm ins Gesicht, wird dann von anderen Einsatzkräften zurückgezogen. Wenige Augenblicke später wird der Journalist von mehreren Beamten gewaltvoll zu einem Einsatzfahrzeug gezogen, ihm wird die Kamera entwendet. Er habe einen Polizisten attackiert. Der Vorwurf lautet Widerstand gegen die Staatsgewalt und versuchte Körperverletzung. Durch einen richterlichen Beschluss versucht die Polizei, die Kamera zu beschlagnahmen, was ihr jedoch nicht gelingt. Ein hinzugerufener Anwalt wird nicht zu dem Journalisten durchgelassen.
Mehrere Kameras filmen und fotografieren die Festnahme, die Polizei schubst weitere Journalisten aggressiv weg. Schon vergangene Woche, als Legida-Teilnehmer Journalisten zu Boden traten, schritt die Polizei nicht ein. Ein Angriff auf die Pressefreiheit und den Schutz der Journalisten, kritisieren einige Augenzeugen. Es folgten Aufforderungen, man solle keine Fotos von Beamten machen sowie die Anweisung, man habe sich 10 Meter hinter der Polizeikette zu positionieren. Wie man von dieser Entfernung das Geschehen noch richtig beobachten soll, bleibt offen.
Das Aktionsnetzwerk „Leipzig nimmt Platz“ kritisiert, man habe „vollkommen unverhältnismäßige Mittel eingesetzt.“ Und tatsächlich wurde geschlagen, gebrüllt und getreten. Dem Grünen-Politiker Sebastian Striegel wird vorgeworfen, er habe einen Böller gezündet. Wie der Journalist wurde auch der Landtagsabgeordnete zur Identitätsfeststellung von der Polizei abgeführt. Auch gegen ihn laufen nun wohl Ermittlungen. Striegel selbst bezeichnet die Vorwürfe als „haltlos“ und „ohne Substanz“. Das Verhalten der Polizei beschreibt der Landtagsabgeordnete als „unsouverän und aggressiv“. „Die Polizei drängte den Protest mit Pferden ab, schubste Menschen in Richtung fahrender Straßenbahnen“, so Striegel weiter. „Leipzig nimmt Platz“ spricht übereinstimmend mit Striegel von willkürlichen Tatvorwürfen gegen Einzelne.
Dass dieses Verhalten jedoch auch gegen Journalisten geht, erreicht eine neue Dimension und fordert eine Stellungnahme des Polizeipräsidenten Merbitz. Die Legida-Teilnehmer sind derweil zufrieden. Auf der Homepage des Netzwerk schreibt ein Teilnehmer: „Danke Polizei.“