Ein würdiges Gedenken an Thomas „Schmuddel“ Schulz und alle anderen Todesopfer von rechtsextremer Gewalt in Deutschland gab es am Samstag in Dortmund. Vor genau zehn Jahren war der Dortmunder Punker vom bekennenden Nazi-Skinhead Sven Kahlin im U-Bahnhof Kampstraße niedergestochen worden. Er starb später im Krankenhaus.
Von Alex Völkel, Nordstadtblogger.de
500 Menschen tragen Särge und Banner für die 185 Toten durch rechte Gewalt
Der Arbeitskreis gegen Rechtsextremismus gedachte in seinem Marsch der Toten durch rechte Gewalt. Symbolisch für die fünf Dortmunder Toten wurden fünf Särge getragen.
Neben Thomas Schulz gedachten die Teilnehmer auch der drei Polizisten, die der Neonazi Michael Berger im Jahr 2000 in Dortmund und Waltrop getötet hatte, bevor er Selbstmord beging.
Das fünfte Opfer ist Mehmet Kubasik: Der türkische Kioskbesitzer wurde im Jahr 2006 vom NSU in seinem Laden in der Nordstadt erschossen.
Außerdem hatten die rund 500 Teilnehmerinnen und Teilnehmer auch Blumen und 180 Banner mit den Namen der anderen Menschen, die durch Rechtsextremisten ermordet wurden. Eine eindrucksvolle Demonstration und ein Zeichen gegen Neofaschismus in Dortmund.
Provisorische Gedenktafel am Tatort Kampstraße – Forderung nach einer richtigen
Dieses setzten auch die rund 250 Menschen, die sich der Gedenkveranstaltung des Bündnisses gegen Rechts und der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes/ Bund der Antifaschisten angeschlossen hatten. Sie fand zeitgleich zur Demo des Arbeitskreises am Tatort in der Kampstraße statt.
Dort stellten sie – wie bei den früheren Gedenkveranstaltungen auch – eine provisorische Gedenktafel auf. Denn obwohl die Bezirksvertretung Innenstadt-Nord die Errichtung einer Gedenktafel vor neun Jahren beschlossen hat, ist dies noch immer nicht erfolgt. Begründet wird dies mit dem noch immer nicht abgeschlossenen Umbau der Kampstraße.
SPD-Mitglied Johannes Palm überbrachte Grüße des stellvertretenden Bezirksbürgermeisters Ralf Stolze: “Die Gedenktafel für Thomas Schulz ist beschlossen”, erklärte er. Sie werde bei der Umgestaltung des Boulevards Kampstraße angebracht. “Dies ist aber Aufgabe der Stadtverwaltung.” Zum Zeitpunkt konnte der Sozialdemokrat nichts sagen.
Kritik an den Gerichten und ihren Urteilen zu Neonazis – damals wie heute
„Während Freunde von Schmuddel trauern, feiert der braune Mob diese ‚Heldentat’. Zynismus und Menschenverachtung, die auf der verbrecherischen Ideologie des Faschismus fußen“, kritisierte Bündnis-Sprecherin Ula Richter.
Allerdings vermochte das Gericht bei der Tat weder eine politische Motivation noch eine vorsätzliche Tat erkennen, so dass der Neonazi relativ schnell wieder frei kam und weitere Gewalttaten verübte, für die er noch in Haft sitzt.
„So empörend das Gerichtsurteil damals, so empörend das Gerichtsurteil heute: Die Menschenverächter und gewaltbereiten Rassisten, die Woche für Woche vor Flüchtlingsheimen hetzen, dürfen heute marschieren“, kritisierte Richter.
„Ten-Years-Later“-Demonstration der Antifa-Union – BlockaDo schloss sich an
Die größte Gedenkveranstaltung hatte die “Antifaschistische Union Dortmund” organisiert, an die sich auch das Bündnis BlockaDo anschloss. 1500 Antifaschisten nahmen an der „Ten-Years-Later“-Demo von Dorstfeld in die Innenstadt teil. Dabei kam es allerdings mehrfach zu Zwischenfällen mit der Polizei.
Die Veranstalter kritisierten die Polizei, dass ihre Demo nicht wie ursprünglich geplant durch die Dorstfelder Innenstadt geführt wurde und werteten dies das Skandal.
„Der Anmelder hatte mit bis zu 300 Teilnehmern gerechnet, mehr als das fünffache erschien zur Auftaktkundgebung“, entgegnet Polizeisprecherin Cornelia Weigandt. „Der Weg durch den Ortskern von Dortmund-Dorstfeld war somit aus Sicherheitsgründen nicht möglich.“
Dort fand das Familienfest „Nie wieder blöd“ der Dorstfelder Ortsvereine statt, die damit einen Beitrag für Demokratie und Völkerverständigung sowie gegen Rassismus und Fremdenfeindlichkeit im Rahmen der Woche gegen Rassismus setzten.
Gemeinsames Gedenken verschiedener Antifa-Gruppen zum Tatzeitpunkt
Um 19 Uhr, dem Zeitpunkt, an dem Schulz vor zehn Jahren niedergestochen wurde, versammelten sich Antifaschisten aller Strömungen zu einer gemeinsamen Gedenkminute an der U-Bahn-Station Kampstraße. Kundgebung und Gedenkminute bildeten den Abschluss eines langen Tages mit vielen Provokationen.
BlockaDO-Sprecher Lennart Zumholte zeigte sich zufrieden, dass es den Nazis nicht gelungen ist, das Gedenken an Thomas „Schmuddel” Schulz zu behindern: „Die Anmeldung von Aufmarsch und Konzert diente den Nazis von Anfang an nur dazu, die Erinnerung an diesen Nazimord vor zehn Jahren zu stören und den Ermordeten zu verhöhnen“, so Zumholte.
„Wir haben heute aber gezeigt, dass das Gedenken an Nazimorde und der aktive Kampf gegen Nazis zusammengehören und sich nicht gegeneinander ausspielen lassen.“
Neonazis demonstrierten in der südlichen Innenstadt und abseits der City
Mehrere hundert Neonazis – weniger als erwartet – waren am frühen Nachmittag vom Südbad durch das Saarlandstraßenviertel zu einem abgelegenen Parkplatz am Remydamm hinter dem Westfalenstadion gezogen.
Dort hielten sie – außer von zahlreichen Polizisten – unbeachtet eine Kundgebung mit Rechtsrock-Beiträgen ab. Viele Neonazis verließen nach der ereignis- und provokationslosen Demo das Gelände, weil sie sich offensichtlich langweilten. Darunter waren auch rund 100 Mitglieder der Bewegung „Hooligans gegen Salafisten“.
Auch das Konzept der Polizei, auf dem Charakter einer Kundgebung zu bestehen und so ein klassisches Rechtsrock-Konzert zu unterbinden, ging auf. Es durfte maximal 15 Minuten am Stück Musik geben – dann musste es mindestens so lange Redebeiträge geben. Ein Großteil der Neonazis reiste daher teils lange vor dem offiziellen Ende der Veranstaltung ab.
Daran konnte auch der Auftritt der Szeneband „Lunikoff-Verschwörung“ nichts ändern. Dank der strikten Auflagen, auf deren Durchsetzung die Beamten bestanden, konnten sie auch nicht Thomas Schulz verhöhnen. Am Ende sammelte Neonazi-Ratsherr Dennis Giemsch sogar noch Themen für Redebeiträge.
Als er und der Hamburger Bundesvorsitzende der Splitterpartei „Die Rechte“, Christian Worch, ihre Kundgebung beendeten, waren nur noch eine Handvoll Kameraden da. Deutlich wurde, dass die Neonazis ohne die Bands nicht viele Leute auf die Beine gebracht hätten. Durch die Auflagen ging das Konzept der Neonazis nicht auf – ein klassisches Rechtsrock-Konzert war unmöglich.