Fotojournalist wird von rechten Gruppen bedroht und körperlich attackiert. Ein Erlebnisbericht auf den wir gerne verzichtet hätten. Am 8. Mai wollten wir – d. h. drei freie Fotojournalisten – uns ein Bild von der Lage in Freital machen und über die beiden dort angekündigten Demonstrationen berichten.
Zuvor hatten in Freital unter dem Motto „Nein zum Heim“ bereits sieben Demonstrationen mit bis zu 1000 Teilnehmern gegen eine Hotelunterkunft für Geflüchtete stattgefunden und am Sonntag, dem 3. Mai war es zu einer Böllerattacke auf die Unterkunft gekommen. Für den 8. Mai war die achte „Nein zum Heim – Demo“ und unter dem Motto „Willkommen in Freital“ eine Solidaritätsdemo für die Geflüchteten angekündigt. Was uns dann passierte, haben wir in zwei Jahren fotojournalistischer Arbeit auf asylfeindlichen Demos noch nicht erlebt:
Bereits am Sammelpunkt für die Willkommensdemo erwartete uns eine Gruppe von 15 „Patrioten“ mit Deutschlandfahnen. Einige Personen mit Thor Steinar Kleidung kamen drohend auf uns zu und machten uns unmissverständlich klar, dass sie keine Fotos wünschten, sonst würden uns die Kameras weggenommen.
Die Demonstrierenden der Willkommensdemo freuten sich dagegen über die Anwesenheit einiger freier Fotojournalisten, denn weder von der Lokalpresse noch von überregionalen Medien war jemand anwesend. Unter massiven Pöbeleien und dauerhaftem Abfilmen durch die Rechten zog die Willkommensdemo mit ca. 250-300, meist jungen Demonstrierenden sowie einigen mutigen Menschen aus Freital durch die Wohnviertel in Richtung Asylsuchendenunterkunft. Einige Anwohner standen entlang der über und über mit asylfeindlichen Stickern beklebten Straßen und beobachteten skeptisch, wie die Demonstrierenden die Sticker abkratzten.
Die Bewohner der Geflüchteten Unterkunft erwarteten die Demonstranten schon auf der Straße und waren glücklich, viele Leute ins Gespräch verwickeln zu können. Man machte uns auf drei Geflüchtete aufmerksam, die mit ihren Habseligkeiten vor der Unterkunft saßen. Sie sollten zurück in das Heim in Schmiedeberg verlegt werden, in dem sie schon 7 Monate verbracht hatten. Trotz des offenen Rassismus in Freital, trotz des schlechten Essens und obwohl sie nicht selbst kochen dürfen, wollten sie lieber in Freital bleiben, weil es zumindest einen Bus nach Dresden gibt, wo sie ihren Deutschkurs und Freunde besuchen könnten. Einer der Jungs erzählte dass er jetzt schon seit 16 Monaten auf der Flucht sei, aufgegeben habe er dennoch nicht und er würde weiter für ein freies und sicheres Leben in Frieden kämpfen.
Wir konnten nichts für sie tun und mussten sie auf die örtlichen Unterstützer verweisen. Als wir anschließend die „Nein zum Heim – Demo“ aufsuchten, wurden uns wieder deutlich gemacht, dass das Fotografieren auf der Veranstaltung verboten sei. Der Einsatzleiter der Polizei sagte uns, dass er persönlich nichts gegen Fotos hätte, verwies uns aber an den Demoanmelder, weil er dafür nicht zuständig sei. Die Aussage des Einsatzleiters machte uns klar, dass er sich nicht für unsere Sicherheit verantwortlich fühlte. Kontakt mit der Demoleitung konnten wir nicht herstellen, stattdessen wurden wir selbst intensiv beobachtet und fotografiert. Da die Lage sehr angespannt war, positionierten wir uns sicherheitshalber direkt neben dem Polizeiauto. Aus 15 m Entfernung beobachteten wir die vorbeiziehende Demo, an deren Ende uns ein vergnügter Lutz Bachmann zuwinkte.
Während der fünf Minuten dauernden Demo wurden wir erneut mehrmals angesprochen und bedroht, die Dutzenden Mittelfinger aus der Demo nicht eingerechnet. Dass dabei Teilnehmer die Demo verließen, um sich direkt vor uns und die Polizeibeamten zu stellen und uns zu fotografieren, erschien uns fast schon harmlos.
An ein „Begleiten“ der Demo, wie es sonst üblich ist, war nicht zu denken. Bei unserem Versuch, die Demo mit großen Abstand zu überholen, kamen direkt Personen durch die inzwischen lückenhafte Polizeikette, hielten unsere Arme fest und behaupteten, wir hätten die Demo letzte Woche fotografiert und dann die Bilder ins Internet gestellt. (Abgesehen davon, dass dies unser Job ist, waren wir tatsächlich zum ersten Mal in Freital.) Glücklicherweise kamen uns einige Beamten „zu Hilfe“ und schickten die Rechten nach kurzer Debatte zurück in die Demo. Nach der Kontrolle unserer Presseausweise wurden wir ans Ende der Demo verbannt, da wir eine Provokation für die Demonstranten seien. Wir brachen daraufhin ab, weil an eine angemessene Berichterstattung nicht mehr zu denken war. Auf den 200 Meter zurück zum Auto wurden wir von zwei Personen verfolgt, welche am Telefon laufend unsere Position durchgaben und schließlich das Auto abfotografierten.
Am Ausgangspunkt angekommen trennt ich mich von den beiden Foto-Kollegen und fuhr nochmals mit einem Parlamentarier der Grünen und einer weiteren Begleitperson erneut zur Demoroute, da diese auch gerne einen Eindruck der Situation bekommen wollten. Wir parkten in einer Seitenstraße und positionierten uns an der Route. Als wir bemerkten, dass wir von der gegenüberliegenden Straßenseite aus einem Café argwöhnisch beobachtet wurden, erschien uns die Situation zu riskant und wir gingen zum Auto zurück. Unterwegs sprach mich jemand von hinten an, packte mich an der Gurgel und stieß mich gegen einen parkenden PKW. Vor uns standen fünf große, glatzköpfige Kampfsportler, tätowiert und sehr aggressiv. Während sie mich auf das Auto drückten, verlangten sie die Fotos.
Ständig gegen das Auto gepresst, sollte ich ihnen die Fotos zeigen. Sie stießen und bedrängten mich. Als ich mich weigerte ihnen, die Speicherkarte zu geben, bekam ich einen Schlag gegen den Kopf und ich ging zu Boden. Unser Glück war, dass sich in diesem Moment der Inhaber des Wagens von einem Wohnungsfenster aus einmischte und ich mich losreißen und fliehen konnte. Meine Begleiter gelangten zum Auto und sammeln mich an der nächsten Straßenecke auf. Entlang der Aufzugsstrecke standen überall Neonazi-Kleingruppen in szenetypischer Kleidung – ohne Polizei.
Wir ergriffen die Flucht aus einer Stadt in der längst eine extrem rechte, rassistische und menschenverachtende Hegemonie herrscht. Auf der Heimfahrt realisierten wir, dass wir wohl noch Glück hatten. Von Kollegen weiß ich inzwischen, dass diese auf solchen Demonstrationen teilweise stichsichere Westen tragen. Unsere Solidarität gilt den wenigen Freitalern, die sich trotz dieser extremen Bedrohungslage nicht einschüchtern lassen und regelmäßig an Gegenprotesten teilnehmen und die Geflüchteten unterstützen.