In der Nacht vom 21. auf den 22. Juli wurden in Immenstadt im Allgäu eine Reihe rassistisch motivierter Sachbeschädigungen begangen. Es wurden unter anderem an einer vor wenigen Tagen eröffneten Flüchtlingsunterkunft über 100 neonazistische Aufkleber verklebt, eine flüchtlingssolidarische Installation an einer evengelischen Kirche und ein Fahnenmast der örtlichen muslimischen Gemeinde zerstört. Die betroffene Gemeinde gewährte kürzlich zwei Kirchenaslyplätze. 1991 wurde in der Stadt ein Pfarrhof, in dem Flüchtlinge ungergebracht waren, angezündet.
Unbekannte zerstörten den vor der Immenstädter Erlöserkirche aufgestellten Schriftzug „Menschlichkeit“ und einen Fahnenmast der nahe gelgenen Moschee. An den beiden Tatorten und zusätzlich an der Flüchtlingsunterkunft und der Berufsschule verklebten die Täter wie sich aus einer Polizeimeldung ergibt insgesamt etwa 150 neonazistische Aufkleber: „Multikulti Nein Danke!“, „Todesstrafe für Kinderschänder!“ oder „Nationaler Sozialismus ist wahre Demokratie!“ etwa. Die Motive der „Heimattreuen Bewegung“ machen die Motivation für die Taten klar.
Diese Aktion sollte nicht unwidersprochen bleiben, weshalb die betroffene Kirchengemeinde noch am folgenden Abend eine Solidaritätskundgebung gegen Fremdenfeindlichkeit und in „Solidarität mit allen Asylsuchenden und Flüchtlingen“ organisierte. Es fanden sich bis zu 150 Personen zu einer Kundgebung und Gebet. Ein Vertreter der Kirchengemeinde und der Bürgermeister ergriffen das Wort. Es gäbe „keinen Platz für Menschenfeindlichkeit, Hass und Rechtsradikalismus“ in Bayerisch-Schwaben.
Aus dem Umstand, dass viele der Aufkleber von der lokalen Neonazitruppe „Bündnis Freies Allgäu“ stammen lässt sich der Verdacht ableiten, dass diese für den rassistischen Ausbruch verantwortlich sind. Bereits 2012 fiel die Gruppe mit einer ähnlich ausgerichteten Aktion auf: In Immenstadt hängten sie in der Nacht vom 14. auf den 15. März ein Banner „Je mehr desto schlechter – Asylheim Immenstadt. BfA“, nachdem Bürger\innen gegen die Unterbringung protestierten und Unterschriften sammelten. Drei damals 19, 22 und 25 jährige werden in der Nähe mit einem weiteren BfA-Transparent aufgegriffen. Einen der drei ordnet die Polizei der „Skinhead-Szene“ zu. Am Volkstrauertag 2013 gedachte die Gruppe ihren „Helden“ aus dem zweiten Weltkrieg: „Opa war in Ordnung. Heldengedenken“
Die angegriffene Kirchengemeinde will sich nicht nur mittels des zerstörten Schriftzuges aus hüfthohen Betonbuchstaben solidarisch mit Asylsuchenden zeigen. Im Mai gewährte sie zwei Frauen und einem Kind Kirchenasyl, um sie vor einer drohenden Abschiebung nach Italien zu bewahren.
Es gibt aber auch andere Stimmen. Sowohl vor Ort auf der Kundgebung als auch prominent patziert auf dem Titel des Lokalteils der Allgäuer Zeitung. Hier formulierte der Mitarbeiter der Zeitung Peter Januschke seinen Standpunkt: „Tag für Tag das gleiche. Man könnte meinen, das öffentliche Leben dreht sich fast nur noch ums Thema Asyl. […] Und jetzt um Hetze und Rassimus.“ Das sei neu in der Gegend. Er fragt, ob die Gesellschaft das durchstehe, „wenn immer noch mehr Flüchtlinge kommen?“ Darüber wegzuschauen sei gefährlich. Januschke fragt weiter, was man einem Hartz-IV-Empfänger, der sich nur noch Leitungswasser leisten könne während „Asylbewerber übers Essen klagen“ entgegenen könne. Solche Sichtweisen dürfe man – da ist dem Kommentar sicher recht zu geben – nicht ignorieren. Ohne eine qualifizierte Antwort und vor dem formulierten Hintergrund der Angst um den eigenen Wohlstand droht der Standpunkt Januschkes aber eher zur Stärkung der Täter als der Solidarität mit Geflüchteten beizutragen.
1991 waren Flüchtlinge in einem alten Pfarrhof in Immenstadt untergebracht. Dieser wurde bei einem Brandanschlag am 13.10. völlig zerstört. Daran fühlten sich laut Pfarrer Ulrich Gampert, der zur Kundgebung einlud, viele Gemeindemitglieder erinnert. Zwei Kurden überlebten schwer verletzt, nachdem sie sich durch einen Sprung aus dem Fenster retten konnten. Drei rechte Skinheads waren die Brandstifter.