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Rechte Gewalt und Eingriffe in die Pressefreiheit in Dresden

 

Um gegen den sich manifestierenden Normalzustand rassistischer Gewalt in Deutschland zu protestieren und die Geflüchteten vor Ort zu unterstützen fanden sich vergangenen Montag etwa 2500 Demonstrierende am Bahnhof Dresden Mitte zusammen, um unter dem Motto „open your mind – stop racism“ zu demonstrieren. Am Rande und im Nachgang der Demonstration kam es erneut zu rechten Angriffen. Die Polizei reagierte kaum.

Von Sarah Ulrich (Text und Bilder) und  Johannes Grunert (Bilder)

Schon lange gab es in Dresden keine so große Gegendemonstration mehr an einem Tag, an dem sich PEGIDA traf. Doch die Ereignisse in den letzten Tagen in der Stadt und dem Umland haben viele alarmiert: Rassistische Proteste gegen die Notunterkunft für Geflüchtete, ein Angriff auf eine zukünftige Asylsuchendenunterkunft, ein Sprengstoffanschlag auf das Auto eines Linken-Politikers, der sich für Geflüchtete engagiert. Dies sind nur die Geschehnisse der letzten vier Tage. Rassistische Vorfälle häufen sich derzeit massiv. Im ersten Halbjahr 2015 gab es laut Amadeu-Antonio-Stiftung Ende Juni bereits 150 Angriffe auf Unterkünfte für Geflüchtete, seitdem sind etliche dazugekommen.

Nach der Auftaktkundgebung starteten die Demonstrierenden nach einer kurzen Provokation von etwa zehn Männern, die „frei, sozial und national“ skandierend herankamen, jedoch von der Polizei gestoppt wurden. Die Route verlief über die Friedrichstraße in Richtung des Camps in der Bremer Straße. Um vor der Zeltstadt nicht zu viel Wirbel zu verursachen wurde der Weg jedoch kurzfristig abgeändert und so fand die Route ihr Ende am Hohenthalplatz.

Die Demonstration verlief größtenteils friedlich. Am Rande kam es jedoch zu einer Auseinandersetzung, als sich zwei provozierende Personen, von denen einer ein der rechten Szene zuzuordnendes T-Shirt trug, unter die Demonstrierenden mischte und sie anging. Die Polizei schritt erst nach einiger Zeit ein, führte die rechten Angreifer weg, ließ sie jedoch laufen.

Generell schien die Lage bei den sächsischen Polizeieinheiten angespannt. So filmten sie die Demonstration wegen Vermummung – zu erkennen war dies jedoch bis auf vorgehaltene Regenschirme nicht. Auch forderten sie Journalisten auf, von ihrer Tätigkeit keine Fotos zu machen oder diese zu veröffentlichen. Zudem wurden den Demonstrierenden nach der Abschlusskundgebung der Weg zum Camp verwehrt, was schließlich nur durch das Verhandeln von anwesenden Politikern gestattet wurde.


 

Rassismus und rechte Gewalt auch abseits von PEGIDA

Bei PEGIDA trafen sich indes etwa 3500 Demonstrierende. Neben den üblichen rassistischen Reden von Islamisierung oder der Hetze gegen die „Lügenpresse“ wurde dazu aufgerufen, sich den Zelten fernzuhalten. Und tatsächlich gab es zumindest keine erkennbare unmittelbare Auseinandersetzung zwischen PEGIDA-Demonstrierenden und Unterstützenden des Camps.

Doch Dresden wäre nicht der Nährboden des rassistischen Protestes, wenn eine linke Demonstration unbeantwortet bliebe. Und so trafen sich immer wieder Kleingruppen von Rechten in der Nähe der Bremer Straße und provozierten diejenigen, die sich schützend vor das Camp gestellt hatten. Nach den Angriffen auf die Notunterkunft in Folge der NPD-Kundgebung am Freitag mit drei Verletzten gab die Polizei zwar bekannt, den Ort an diesem Abend mit einer Hundertschaft zu schützen. Wie sich später herausstellte, war dies jedoch nicht der Fall, weshalb sich einige hundert Unterstützende der Geflüchteten noch bis spät in die Nacht zu einer spontan angemeldeten Kundgebung vor den Zelten versammelten.

Immer wieder passierten voll besetzte Autos mit zum Teil eindeutig erkennbaren Rechten und Hooligans das Camp. Einem Auto, auf dem eindeutig rechte Szenecodes zu sehen waren, wurde die Scheibe eingeschlagen, was die Polizei kurzzeitig dazu veranlasste, die Kundgebungsteilnehmenden zu umzingeln.

In der Nacht gegen 23 Uhr kam es schließlich zu einer Identitätsfeststellung mehrerer Unterstützer in der Nähe des Camps, sowie zu einer Personendurchsuchung. Die Begründung, es handele sich um eine Kontrolle in einem gefährlichen Gebiet, in dem regelmäßig Straftaten verübt werden, sei jedoch, so Anwalt und Anmelder der Kundgebung Jürgen Kasek (Bündnis 90 / Die Grünen), fragwürdig. Denn die schweren Straftaten die in den letzten Tagen in diesem Gebiet verübt wurden, waren Übergriffe Rechter auf die Notunterkunft und Unterstützende, nicht jedoch Akte linker Gewalt. Ob die eingeschlagene Scheibe der Auslöser für die Kontrolle war, ist unklar.

Fragwürdige Polizeimaßnahmen

Schließlich lösten die Beamten die angemeldete Kundgebung ohne Begründung auf und verteilten unter rechtlich fragwürdigen Bedingungen Platzverweise. Bei der Abreise der Demonstrierenden geschah dann schließlich das, womit viele schon den ganzen Abend gerechnet hatten. Ein Mann wurde von einer Gruppe von etwa dreissig Männern von seinem Fahrrad gezerrt und angegriffen. Er erlitt Verletzungen und musste sofort in das nahe gelegene Krankenhaus gebracht werden. Die angeforderten Polizeikräfte kamen erst nach mehr als zehn Minuten – eine Kuriosität, sollte doch eigentlich in der Nähe eine Hundertschaft platziert sein. Die Angreifer entkamen.

Zeigten sich die Einsatzkräfte vergangenen Freitag noch überfordert, so schienen sie am Montag schlicht keine Anweisung zur Ergreifung rechter Angreifer oder dem Schutz des Camps zu haben. Und auch die Pressefreiheit war den Beamten ein Dorn im Auge. So forderte sie nicht nur mehrfach, man dürfe keine Bilder von ihnen machen, sondern drohten ein Verfahren an, sollten die Bilder „auf linken Seiten“ veröffentlicht werden. Nachdem sowohl Presse- als auch Personalausweis vorgezeigt und erklärt wurde, dass man hier arbeite und das Versammlungsgeschehen sehr wohl fotografieren dürfe, entriss ein Beamter den Personalausweis und drohte an, man wolle doch nicht, dass er einen „anfassen müsse“ und „Maßnahmen“ ergriffen werden müssen. Man wolle die Daten „vorsätzlich“ in eine Kartei aufnehmen, auf Verdacht hin, dass die Bilder unrechtmäßig veröffentlicht werden könnten. Dieser Verdacht ist jedoch nicht nur tendenziös, sondern auch presserechtlich nicht verantwortbar und ein massiver Einschüchterungsversuch. Eine Stellungnahme ist bisher nicht erfolgt.

Am Ende zogen die Demonstrierenden geschlossen ab. Vor dem Camp zurück blieb ein einzelner Streifenwagen. So bleibt die Situation in Dresden angespannt. Am kommenden Freitag soll es ein rassistisches Konzert vor der Asylsuchendenunterkunft im nahe gelegenen Freital geben. Auch hierzu wird für Gegenproteste mobilisiert. Vor einigen Wochen kam es dort zu einer Verfolgung und einen Angriff von Nazis auf linke Demonstrierende.