Lesezeichen
‹ Alle Einträge

Mit Partyschlümpfen und Blockaden gegen den Naziaufmarsch in Bad Nenndorf

 

Feiern gegen den Stumpfsinn in Bad Nenndorf
Mit Konfetti gegen Neonazis: Bunter Protest in Bad Nenndorf

Gerade mal 200 Neonazis waren in diesem Jahr zum 10. alljährlichen „Gedenkmarsch“ in das niedersächsische Städtchen Bad Nenndorf gekommen. Wie schon in den vergangenen Jahren demonstrierten hunderte Menschen dagegen, feierten verkleidet als Schlümpfe, warfen Konfetti auf die Neonazis und beschallten deren Schweigemarsch mit lauter Partymusik. Eine Blockade des Bahnhofes, die recht ruppig von der Polizei geräumt wurde, zwang zudem den größten Teil der anreisenden Neonazis die letzten Kilometer nach Bad Nenndorf zu laufen.

Blockade - Bad Nenndorf 2015Rund 800 Menschen waren am Morgen den Aufruf des lokalen Bündnisses „Bad Nenndorf Nazifrei“ gefolgt und beteiligten sich an einer Demonstration durch den Kurort. Unter dem Demonstrant*innen waren auch Vertreter*innen der Niedersächsischen Landesregierung, wie die Sozialministerin Cornelia Rundt und Abgeordnete des Landtages. Rund 300 Menschen waren zudem zusammen mit dem Bündnis „Love2Block“ mit dem Zug von Hannover angereist und hatten schon am Morgen bei ihrer Ankunft den Bahnsteig blockiert. Es war eine bunte Mischung von Antifas bis hin zu Anhängern der Grünen Jugend, der Jusos oder der Linkspartei. Nach mehreren Aufforderungen den Bahnhof zu verlassen, räumte die Bundespolizei, unterstützt vom der niedersächsischen Bereitschaftspolizei, den Bahnhof. Anwälte, Journalisten und auch die als Beobachterin anwesende Landtagsabgeordnete Julia Willie Hamburg (Bündnis 90/Die Grünen) kritisierten das Vorgehen der Beamten. Diese gingen mit Faustschlägen und Schmerzgriffen recht ruppig gegen die Blockierer vor. Teilweise wurde diese einfach über den Bahnsteig geschleift. Auch Journalisten wurden immer wieder weggeschubst und beim Fotografieren behindert. Eine Frau mußte ins Krankenhaus gebracht werden, sie verlor bei der Räumung das Bewusstsein.

Räumung Blockade - Bad Nenndorf 2015Unterdessen hatten sich 70 Neonazis vor dem Bahnhof versammelt. Sie warteten in der Sonne auf rund 120 „Kameraden“ , die wegen der Blockade des Bahnhofes die letzten Kilometer nach Bad Nenndorf zu Fuß zurücklegen mussten. Als diese begleitet von Polizeikräften am Bahnhof ankamen, verzögerte sich der Beginn des „Trauermarsches“ aber noch weiter: Den Nazis gelang es zunächst nicht den Stromgenerator für die Lautsprecheranlage anzuwerfen. Sven Skoda, Organisator des Aufmarsches, sorgte dafür, dass die Neonazis, viele in weiße Hemden gekleidet, sich ordentlich in Reih und Glied aufstellten: vorneweg Trommler und Fahnenträger, hinterher ging der Rest der Neonazis aufgeteilt in Blöcken.

Währenddessen gelang es einer Gruppe von 30 Personen die Absperrungen der Polizei zu überwinden und sich mit einem Transparent auf der Route zu versammeln. Schnell drängten allerdings Polizisten die Protestierenden wieder von der Straße.

Begleitet von klassischer Musik aus ihrem Lautsprecherwagen und monotonem Trommeln, zogen die Neonazis schweigend die wenigen hundert Meter zum Winkler-Bad. Der Weg dorthin war wie immer bunt geschmückt. Zahlreiche Transparente und Plakate waren zu sehen, in den Vorgarten saßen und standen Anwohner und betrachteten den Aufmarsch skeptisch.

Als der bis dahin eher gespenstische wirkende Aufmarsch am Winklerbad ankam, sorgten die Bad Nenndorfer für grimmige und genervte Gesichtsausdrücke bei den Neonazis: Konfetti und Luftschlangen regneten auf den Marsch, laute Partymusik schallte aus den Häuser, vor denen die Menschen teilweise als Schlümpfe verkleidet tanzten und sich über die Neonazis lustig machten. Sichtlich genervt von der lauten Störung stellten sich die Neonazis im Kreis vor dem Winklerbad auf. Ihre Reden gingen weitgehend im Lärm der Gegendemonstranten unter. Danach zogen die Neonazis wieder zurück zum Bahnhof und lösten dort ihre Versammlung schnell auf.

Bad Nenndorf 2015Im 10. Jahr zeigte der diesjährige „Gedenkmarsch“ in Bad, dass die Neonaziszene in Niedersachen kaum mehr über einen engen Kreis der – zudem deutlich geschrumpften – Zahl von Aktivisten mobilisierungsfähig ist. Der Großteil der Teilnehmer kam aus Nordrhein-Westfalen, Thüringen und Sachsen-Anhalt. So war in diesem Jahr auch der Neonazi Sven Skoda aus NRW zentrale Figur bei der Organisation des Aufmarsches. Neben ihm traten Maria Frank (Berlin) und Michael Brück (Dortmund) als Redner auf. Auch wenn die Teilnehmerzahlen stagnieren, dürfte die Szene auch künftig nicht auf den Marsch verzichten. Denn der „Trauermarsch“ in Bad Nenndorf ist der einzige feste Demonstrationstermin in Niedersachsen, an dem es ihnen überhaupt noch gelingt mehr als nur regionale Aufmerksamkeit zu erlangen.