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Vordenker der Völkischen

 

Die Vordenker von Pegida
Mittlerweile sind es rund 15.000 Menschen, die in Dresden auf die Straße gehen.

Das Institut für Staatspolitik, gegründet von den neurechten Publizisten Karlheinz Weißmann und Götz Kubitschek, legte Anfang des Jahrtausends den ideologischen Grundstein für Pegida und seine Ableger. Kubitschek und die Anhänger von Pegida eint die Ablehnung von Islam und Migration, das Festhalten an einem völkischen Deutschlandbild und der Glaube an die linke Dominanz in Politik und Medien.

Von Robert Fisher

„Wir leben in lauten Zeiten, wer nur leise ist, verzichtet von vornherein auf Einflussnahme. Es besteht kein Bedarf an mehr Behäbigkeit. Was wir brauchen, sind rechte Spontis und eine konservative Spaßguerilla, also: Die Phantasie an die Macht!“

Diesen Appell formulierte der neurechte Historiker Karlheinz Weißmann in seinem 2009 erschienenen „Konservativen Katechismus“. Was damals wie eine dunkle, aber unrealistische Zukunftsvision gewirkt haben mag, ist heute in Pegida und seinen Ablegern verwirklicht. Woche für Woche versammeln sie sich seit Oktober 2014, um lautstark und ohne Rücksicht auf demokratische Gepflogenheiten ihr Gedankengut zu verbreiten.

Auch aufmerksame Pegida-Beobachter dürften in der Regel noch nie von Karlheinz Weißmann gehört haben. Weder trat er bislang auf einer Veranstaltung der Bewegung auf noch solidarisierte er sich öffentlich mit ihr. Trotzdem hat er einen wichtigen Beitrag zu ihrer Entstehung geleistet: Gemeinsam mit dem Publizisten Götz Kubitschek gründete er im Jahr 2000 das Institut für Staatspolitik (IfS), seiner Wahrnehmung nach ein „Reemtsma-Instituts von rechts“. Unter dem Dach der rechtsintellektuellen Denkfabrik vernetzen sich seither Protagonisten der neurechten Szene und entwickeln politische Konzepte, die heute die Rhetorik von Pegida prägen.

Die Institutsgründer zählen seit langer Zeit zu den Identifikationsfiguren der Szene: Kubitschek, vor der Gründung Redakteur der Jungen Freiheit, trat zuletzt selbst als Redner für Pegida und Legida sowie neben Compact-Chefredakteur Jürgen Elsässer als Unterstützer der selbsternannten Widerstandsplattform ‚Ein Prozent für unser Land‘ auf. Darüber hinaus leitet er den dem IfS nahestehenden Antaios-Verlag. Weißmann, der sich im April 2014 aus unbekannten Gründen aus dem Institut zurückzog, ist hauptberuflich Religions- und Geschichtslehrer an einem südniedersächsischen Gymnasium. Seit 1989 veröffentlicht er historische Fachliteratur, zuletzt das im Junge-Freiheit-Verlag erschienene Deutsche Geschichte für junge Leser, das laut Weißmann „den Heranwachsenden mit Stolz auf die Vergangenheit seines Volkes“ erfüllen soll.

Das IfS und die ihm nahestehende Junge Freiheit sind damit wichtiger Teil einer neurechten Gegenöffentlichkeit fernab von Mainstream-Medien und etablierter Politik. Mit ihren Veranstaltungen und Veröffentlichungen vernetzen sie seit 15 Jahren die Identifikationsfiguren der Szene und beeinflussen ihre Agenda.

Erlesene Gästeliste

Das Institut richtet mehrmals jährlich Themenkongresse aus, seit 2003 erscheint außerdem die hauseigene Zeitschrift Sezession. Bei Betrachtung der Beteiligten zeigen sich inhaltlich wie personell große Überschneidungen mit dem Pegida-Milieu.

Unter den Kongressgästen waren bislang etwa der ehemalige CDU-Bundestagsabgeordnete Martin Hohmann, der im Jahr 2003 wegen der Relativierung der deutschen Kriegsschuld aus der Unionsfraktion ausgeschlossen wurde, sowie im Jahr zuvor der rechtskonservative Historiker Arnulf Baring, der schon damals in einem FAZ-Beitrag mit dem Titel Bürger, auf die Barrikaden zum bürgerlichen Widerstand gegen die vermeintliche Ausbeutung aufrief.

Der ehemalige FAZ-Redakteur Udo Ulfkotte, der heute bei Pegida auftritt und zuletzt im Kopp-Verlag den Bestseller Gekaufte Journalisten veröffentlichte, hielt 2007 einen Vortrag mit dem Titel Vorstoß in die Lücke – ein neues konservatives Programm. Gast der diesjährigen Sommerakademie war auch der Staatsrechtler Karl Albrecht Schachtschneider, der aktuell eine Massenklage gegen die Asylpolitik der Bundesregierung vorbereitet.

Für die Sezession schrieb bislang unter anderem der rechte Anwalt und Publizist Thor von Waldstein, der auf der Onlineplattform der Zeitschrift seine Abhandlung Zum politischen Widerstandsrecht der Deutschen veröffentlichte. Der Pegida- und Dügida-Redner Baal Müller war mehrere Jahre lang Redaktionsmitglied und Institutsreferent.

Graswurzelrevolution und Vorbürgerkrieg

Wirft man einen Blick in die Werke Kubitscheks und Weißmanns gewinnt man den Eindruck, die beiden müssten in Pegida einen lang ersehnten Wunsch verwirklicht sehen: Bereits 1989 forderte Letzterer eine „Graswurzelrevolution von rechts“. Kubitschek prognostizierte 2007 in einem Blogeintrag gar den „Vorbürgerkrieg“, der sich entlang ethnischer, kultureller und religiöser Bruchlinien andeute. Wer den Bürgerkrieg vermeiden wolle, müsse demnach den Vorbürgerkrieg annehmen und gewinnen.

Ein Jahr später bekannte er sich zum Vorsatz, „die Substanz unserer Nation zu retten und ihr die Möglichkeit zu bewahren, wieder zu sich selbst zu gelangen und als die Mitte Europas auszustrahlen“. Gegner in diesem „geistigen Bürgerkrieg“ wären demnach die „Lobbyisten der Zersetzung“. In dem 2006 unter dem Titel Unsere Zeit kommt veröffentlichten Zwiegespräch der beiden offenbart auch Weißmann seine Angst vor dem Verlust der nationalen Identität: Als einzige Chance gegen die „Gefahr des Verlöschens oder der äußeren Zerstörung“ sieht er den Widerstand.

Hier wird deutlich, dass die heute bestimmenden Narrative der Pegida-Bewegung bei Kubitschek und Weißmann schon lange im Zentrum stehen. Dazu gehört auch die völkisch fundierte Ablehnung der multikulturellen Gesellschaft. Im Interview mit dem NPD-Organ Deutsche Stimme argumentierte Kubitschek 2007, der deutsche Staat „fördere eine Entwicklung, die der deutschen Nation nicht dient“. Durch seine Familien-, Bevölkerungs- und Geschichtspolitik verhindere dieser, dass besagte Deutsche Nation „ihren besonderen Charakter behält und souverän über ihren weiteren Weg entscheidet“. Die Berliner Bezirke Wedding, Kreuzberg und Neukölln sieht er als Ergebnis des von ihm 2006 in der Jungen Freiheit beschworenen Kulturkampfes bereits als „für Deutschland verloren“ und das Ziel der gemeinsamen deutschen Zukunft verfehlt.

Ideologieproduktion und linke Gesinnungskontrolle

Mit Pegida eint die beiden darüber hinaus der Glaube an die vermeintliche Vereinnahmung der Gesellschaft durch eine linke Mehrheit: Weißmann bezeichnete das Grundgesetz in einem 2009 erschienenen Interview als „beliebige Konstruktion und nicht die Verfassung des deutschen Volkes“, die sich in Gefangenschaft von Linken und Liberalen befinde. Er selbst betrachtet sich demnach als Kämpfer nicht etwa gegen, sondern um die Verfassung.

Auch der linke Gleichheitsgedanke stößt Weißmann übel auf: Als Ergebnis der linken „Ideologieproduktion“ sieht er das vermeintlich widernatürliche Erzwingen der Gleichheit der Geschlechter und der Nationalitäten. Menschen wie sich selbst, denen „die offensichtliche Ungleichheit bewußt werden könnte“, sieht er als Ziel linker Gesinnungskontrolle.

Die Arbeit des IfS erfreute sich zwar außerhalb der neurechten Szene nie nennenswerter Aufmerksamkeit, blieb aber von staatlicher Seite nicht unbeachtet: Der nordrhein-westfälische Verfassungsschutz warnte bereits 2002 in seinem jährlichen Bericht vor der Denkfabrik als Teil des Umfelds der Jungen Freiheit. Unterstellt wird der Leitung dort das Ziel der Bildung geistiger Eliten und der Rückbezug auf antidemokratische Ideologien mit dem Ziel ihrer Weiterentwicklung. Später tauchten nach einer juristischen Auseinandersetzung die Zeitung und das IfS nicht mehr in Verfassungsschutzberichten auf.

Auch wenn das Institut der überwältigenden Mehrheit der Pegida-Teilnehmer weiterhin nicht bekannt sein dürfte, hat sich für die Vordenker der Völkischen mit der Entstehung der Bewegung etwas Entscheidendes geändert: Die Gruppe von Menschen, die sich für ihr Denken offen empfänglich zeigt und an seiner Verbreitung arbeitet, ist nicht länger ein kleiner Kreis rechtsintellektueller Demagogen, der sich ein paarmal im Jahr zum Austausch trifft. Ihr Kulturkampf wird heute auf dem Dresdener Rathausplatz ausgetragen.