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„Eine Kugel reicht nicht“ – Prozess gegen Nazi-Terrorgruppe beginnt

 

„Oldschool Society“ (OSS) Gruppenphoto
„Oldschool Society“ (OSS) Gruppenfoto (Screenshot)

„Ich wehre mich jetzt, mit meinen Freunden der OSS. Wer das ist, ihr werdet es sehen“, ließ Andreas H. laut dem Spiegel im September 2014 wissen. Im Oktober soll er dann laut Anklage als Präsident die „Oldschool Society“ (OSS) gegründet haben, Markus W., Denise Vanessa G. und Olaf O. übernahmen die Posten der Führungsriege – und organisierten sich über die Chatgruppe „OSS Geheimrat“. Ihr öffentlicher Facebook-Auftritt verzeichnete über 3000 Likes. Vor dem Oberlandesgericht München müssen die vier sich dafür nun verantworten. Die Bundesanwaltschaft wirft ihnen als Ziel vor, ihre neonazistische „Ideologie durch terroristische Anschläge, insbesondere in Form von Brand- und Nagelbomben, umzusetzen.“

Der Prozess gegen die mutmaßliche Führungsebene der OSS wird am 27. April um 10 Uhr vor dem Staatsschutzsenat am Oberlandesgericht München im Sitzungssal B 277 eröffnet. Vorläufig sind insgesamt 30 Termine bis zum 6. Oktober angesetzt. Der Senat hat umfangreiche Sicherheitsvorkehrungen verfügt.

Hinter jedem der Angeklagten stehen zwei Verteidiger – Michael Rosenthal aus Karlsruhe und Dr. David Hermann aus Augsburg für Andreas H., Reinhard Baehr aus Borna und Jan Pinkes aus Jena für Markus W., Alexander Hübner aus Dresden und ein Verteidiger aus München für Denise Vanessa G., sowie Hans Dieter Stoffer und Rainer Dördelmann aus Bochum für Olaf O. Bisher wollte sich auf Nachfrage keiner der Verteidiger zu den Vorwürfen gegen die Mandanten äußern.

Das Netzwerk

Morddrohungen gegen konkurrierende Nazigruppe
Morddrohungen gegen konkurrierende Nazigruppe

Das Netzwerk der OSS besteht allerdings nicht lediglich aus den vier nun Angeklagten. Mitte November 2014 trafen sie sich mit Gleichgesinnten im sächsischen Frohburg und diskutierten Anschläge auf Asylsuchende, Salafisten und Moscheen sowie die Herstellung von Sprengstoff – und stellten ein zehnköpfiges Gruppenfoto auf Facebook. Im am Montag veröffentlichten Bayerischen Verfassungsschutzbericht 2015 heißt es: „In der Hauptchatgruppe waren bis zu zwanzig Personen aktiv.“ Laut Anklagebehörde plante ein Teil der OSS von einem weiteren Treffen im Mai 2015 einen Sprengstoffanschlag auf eine bewohnte Geflüchtetenunterkunft bei Borna zu verüben. Markus W. und Denise Vanessa G. sollen den dafür nötigen Sprengstoff besorgt haben. Um die tödliche Wirkung zu vervielfachen, sollte dieser unter Anderem mit Nägeln bestückt werden.

Wenige Tage vor Tatausführung am 6. Mai 2015 wurden die vier Hauptangeklagten von Spezialeinheiten festgenommen. In mehreren Bundesländern fanden Durchsuchungen statt. Laut Medienberichten wurden nicht nur erhebliche Mengen pyrotechnischer Sprengkörper sichergestellt. Auch Baseballschläger, Teleskopschlagstöcke und Gasdruckwaffen wurden, das berichtet der Spiegel, gefunden.

Die Führungsebene

OSS Oldschool SocietyDer „Vizepräsident“ Markus W. aus Frohburg, zuvor Düren (NRW), habe sich, so die Sprecherin für antifaschistische Politik in einer Pressemitteilung ihrer Fraktion DIE LINKE im sächsischen Landtag Kerstin Köditz, als „Sicherheitsverantwortlicher“ der Gruppierung verstanden. Außerdem sei der 40-jährige „kein Unbekannter. Ursprünglich war er Mitglied der militanten, inzwischen verbotenen ‚Kameradschaft Aachener Land’ (KAL). Später trat [er] als Aktivist einer Gruppierung namens ‚Kameradschaft und Loyalität’ (K.u.L.) in Erscheinung. Sein Auftauchen in der Region hätte Sicherheitsbehörden viel eher alarmieren müssen. Zumal ein anderes früheres Mitglied der KAL, […], im Oktober 2010 an der Tötung des Irakers Kamal Kilade in Leipzig beteiligt war.“ Von der Verbindung zu den beiden Kameradschaften berichtet Spiegel übereinstimmend mit Bezug auf ein Dokument des BKA. Denise Vanessa G. sei die Freundin des ehemaligen KAL-Mitglieds und wurde ebenfalls in Sachsen festgenommen. Die 23-jährige sei als „Schriftführerin“ unter anderem für monatliche Beitragszahlungen der Mitglieder verantwortlich gewesen. Der „Pressesprecher“ O. der „Oldschool Society“ kommt aus Bochum und war zum Zeitpunkt der Anklageerhebung 47 Jahre alt. Der Augsburger „Präsident“ der Gruppe ist mit 57 Jahren der Älteste im Bunde. Er posierte im Internet mit Patronengürtel.