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Ein Tag „National befreite Zone“

 

Konzertbesucher mit "Hakenkreuz"-T-Shirt © Sven Peter
Konzertbesucher mit „Hakenkreuz“-T-Shirt © Sven Peter

900 Anwohner, 450 feiernde Neonazis. Die Bürger im Thüringischen Kirchheim mussten am vergangenen Wochenende mit ansehen, wie hunderte Rechtsextreme aus ganz Deutschland ihren Ort für einen Tag zur „National befreiten Zone“ machten. Zu einem Rechtsrockkonzert reisten Neonazis aus ganz Deutschland an. Zivilgesellschaft und Politik kritisieren jetzt Polizei und Verwaltung, die das Openair bis zuletzt geheim hielten.

Thüringen wird immer häufiger für Rechtsrockkonzerte genutzt © Sven Peter
Thüringen wird immer häufiger für Rechtsrockkonzerte genutzt © Sven Peter

Es war in Thüringen bereits das fünfte rechtextreme Openair in diesem Jahr. Durch die Polizei gut geschützt vor den wenigen Gegendemonstranten, feierten die Rechtsextremen zu Bands wie Tätervolk, Frontfeuer und Lunikoff Verschwörung. Die Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus in Thüringen (Mobit) berichtet, dass sich die Zahl rechtsextremer Konzerte von 2014 auf 2015 fast verdoppelt habe. Waren es 2014 noch 27 Konzerte, konnten im Jahr darauf 47 neonazistische Events stattfinden. 2016 wird diese Zahl möglicherweise noch übertroffen. In kaum einem anderen Bundesland fühlt sich die Rechtsrockszene so sicher. Eine Einschränkung oder Verhinderung der Veranstaltungen durch die Polizei findet kaum noch statt.

„Die Praxis Thüringer Behörden, solche großen und für die neonazistische Szene bedeutenden Events zu verschweigen, konterkariert die Bemühungen um eine demokratische und zum Widerspruch fähige Gesellschaft“, sagt Sandro Witt, Vorsitzender von Mobit. „Wir rufen die Landespolitik dringend auf, hier die Weichen anders zu stellen.“ Mobit kündigte an ein Gespräch mit dem Innenministerium führen zu wollen.

„Dass sich Thüringen als Veranstaltungsort für Neonazi-Konzerte noch immer großer Beliebtheit erfreut, liegt auch an einer verfehlten Informationspolitik der Behörden“, sagte die Bundestagsabgeordnete Martina Renner (Linke) dem Störungsmelder. „Wer will, dass Menschen gegen Rassismus und rechte Hetze aufstehen, der muss auch Protest ermöglichen und dazu gehört auch, die Öffentlichkeit rechtzeitig zu informieren.“

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Die Behörden hatten offenbar nicht einmal eine Beschränkung der Lautstärke eingefordert. Wie die Thüringer Allgemeine berichtet, war die Veranstaltung als politische Demonstration angemeldet worden, obwohl die Organisatoren von den Teilnehmern 25 Euro Eintritt verlangten. Das Konzert wurde seit Wochen in der Szene beworben, jedoch ohne den genauen Veranstaltungsort zu nennen.

Wie das Watchblog „Thüringen rechtsaussen“ schreibt, waren unter den angekündigten Rednern Matthias Fiedler von der Eichsfelder NPD, der jährlich mit Thorsten Heise den „Eichsfeldtag“ ausrichtet, und Axel Schlimper, Gebietsleiter vom Holocaustleugner-Netzwerk „Europäische Aktion Thüringen“. Außerdem der „Freie Aktivist“ Michael Zeise aus Erfurt , der bis zum Verbot im März 2016 Thüringer Sektionsleiter der „Weiße Wölfe Terrorcrew“ war.

Eine Fotostrecke zum Konzert finden Sie hier.

Auf dem Privatgrundstück fanden schon mehrfach Nazi-Konzerte statt © Sven Peter
Auf dem Privatgrundstück fanden schon mehrfach Nazi-Konzerte statt © Sven Peter