Lange gab es keine Reaktion, jetzt distanziert sich das Kölner Maritim-Hotel doch noch von der AfD. Der Parteitag wird zwar nicht ausgeladen, zukünftig wolle man aber nicht mehr an die Partei vermieten, kündigte das Unternehmen an. Das Protestbündnis freut sich über seinen ersten großen Erfolg.
Von Roland Kaufhold
Der breite, bürgerliche, antifaschistische und karnevalistische Protest gegen den AfD-Bundesparteitag im Herzen Kölns wächst. Nun haben sogar alle demokratischen Parteien des Kölner Stadtrates die Bürger zum Protest gegen den AfD-Bundesparteitag am 22./23. April im Kölner Maritim-Hotel aufgerufen. Köln sei und bleibe eine „weltoffene, vielfältige und tolerante Stadt.“
Der Kölner Bundestagsabgeordnete der Grünen Volker Beck, im Kampf gegen Antisemitismus seit Jahren unentbehrlich, nimmt kein Blatt vor den Mund: „Wenn Höckes geistige Sturmabteilungen die deutschen Verbrechen vergessen machen wollen, ist jeder gefordert zu widersprechen. Ansonsten ist das „Nie wieder!“ eine hohle Phrase. Gut, dass in Köln die Bürgerschaft gegen den Spuk im Maritim-Hotel aufbegehrt“, betont der Sprecher der deutsch-israelischen Parlamentarierkommission gegenüber dem Störungsmelder.
OB Reker: „Erst gehen rechte Parolen spazieren, dann die Messer“
Auch die Kölner Oberbürgermeisterin Henriette Reker, die im Oktober 2015 am Vortag der Oberbürgermeisterwahl nur mit äußerstem Glück ein Messerattentat eines früheren Aktivisten der 1995 verbotenen militant neonazistischen Freiheitlichen Deutschen Arbeiterpartei (FAP) überlebte, fand klare Worte: „Erst gehen rechte Parolen spazieren, dann die Messer“ sagte sie am 14. Februar in einer Rede vor dem Kölner Stadtrat. Und fügte in Richtung der drei Kölner AfD-Vertreter hinzu: „Ich weiß wovon ich spreche. Ich bin kein politisches Neutrum.“ Die AfD hatte zuvor gerichtlich versucht, Reker ihre Kritik an dem geplanten Bundesparteitag im Kölner Maritim verbieten zu lassen. Dieses Einschüchterungsmanöver ließ sich die couragierte Kölner Oberbürgermeisterin nicht bieten.
Zahlreiche Stornierungen
Für das Kölner Maritim-Hotel wird die Situation zunehmend ungemütlich: Das Bündnis gegen Rechts publizierte ein auf Facebook tausendfach geteiltes Plakat, auf dem allein zwölf verschiedene AfD-Veranstaltungen in den Räumen der Maritim-Kette aufgeführt werden. Es scheine „eine privilegierte Partnerschaft zwischen der Maritim-Kette und der AfD zu geben“, konstatiert ihr Pressesprecher Reiner Krause. Der zunehmend heftiger werdende Protest richte sich einzig und allein „gegen die Rechtsextremisten und die Verantwortlichen des Maritimkonzerns“, nicht jedoch „gegen die Mitarbeiter des Hotels“, fügte Krause hinzu.
Nun wählen zahlreiche Gruppierungen ein neues, ökonomisches Mittel des Protests gegen die Entscheidung des Maritim-Hotels: Die Zahl der Stornierungen von Aufträgen im Kölner Hotel wächst von Tag zu Tag. Den Anfang machte die Fachschaft Wirtschaft der Technischen Hochschule Köln: Sie stornierte ihren Absolventenball unter Hinweis auf „die rassistischen und menschenverachtenden Äußerungen der AfD“. Danach folgten der Stadtjugendring und die Kölner Bezirksschülervertretung: Die Abibälle sollten überall, aber nicht im Maritim-Hotel stattfinden. Auch der Völklinger Kreis, ein Berufsverband schwuler Führungskräfte und Selbständiger innerhalb der LSBTI-Community, beendete die Kooperation mit dem Hotel: Es sei ihnen „unmöglich geworden unseren Business-Empfang zum CSD 2017 in den Räumen des Maritim-Köln abzuhalten“, begründeten die Führungskräfte ihre Stornierung.
Köln gegen Rechts, Köln stellt sich quer und Kein Veedel für Rassismus kündigten für März und April eine Vielzahl von Protestveranstaltungen mit dem Schwerpunkt Maritim Hotel an. Die sehr zahlreichen Kritiker verwiesen darauf, dass die geschichtsverleugnenden, teils offen antisemitisch gefärbten Äußerungen nicht nur von Höcke selbst, sondern auch vom AfD-Landeschef André Poggendorf und zahlreichen weiteren Parteimitgliedern stammen.
Kölner AfD-Abtrünniger: „Es wäre falsch zu glauben, dass eine AfD ohne Björn Höcke kein Antisemitismus-Problem hätte“
Überraschender Gegenwind kommt sogar aus den Reihen der Kölner-AfD selbst: Der bisherige kulturpolitische Sprecher der NRW-AfD, Thomas Traeder, zugleich Geschäftsführer der kleinen Kölner AfD-Fraktion, trat sogar gemeinsam mit einem LVR-Kollegen aus Protest gegen antisemitische Postings eines Landschaftsverband-Kollegen der AfD aus der Partei aus. In einem vom AfD-Funktionär geteilten FB-Posting vom 14.6.16 heißt es: „Merkels lügeninferno ist endlos diese zionistische jüdin übergeht menschenrechte.“ Sie werde „europa und die menschen vernichten das ist ihr judenauftrag.“
Über Monate hatten er und sein Kollege gegen diese antisemitischen Postings protestiert, vergeblich. Parteiintern galten nun sie als Nestbeschmutzer. Der AfD-Abtrünnige Traeder macht insbesondere Marcus Pretzell, Chef der NRW-AfD und Ehemann von Petry, für die Tolerierung dieser vulgär-antisemitischen Postings verantwortlich: „Offiziell ist Antisemitismus in der AfD verpönt, intern weigert man sich jedoch gegen diesen vorzugehen und kehrt die Dinge lieber unter den Teppich“, verkündete er in einer Presseerklärung. Marcus Pretzell verhalte sich „in der Sache opportunistisch“. Dieser habe ihm in einem Telefongespräch am 21.9.16 sogar gesagt, dass er diese vulgär judenfeindlichen Postings „nicht für antisemitisch“ halte. „Eine solche Aussage ist für mich vollkommen inakzeptabel“, betont Traeder gegenüber dem Störungsmelder.
Höcke unerwünscht: Die halbe Wende des Maritim-Hotels
Bis vor einer Woche zeigte sich die Marititim-Hotelkette und ihr Geschäftsführer Gerd Prochaska scheinbar unbeeindruckt von dem Shitsturm gegen ihre Gastfreundschaft zu der Unfrieden und Ausgrenzungen stiftenden Partei. Der Vertrag sei abgeschlossen und bleibe gültig. Die privaten Betreiber der renommierten Kölner Sartory-Säle hatten im Oktober 2016 hingegen entschieden mehr Mut und Zivilcourage gezeigt: Sie kündigten den Vertrag mit dem sehr rechten, verschwörungstheoretischen „Compact-Magazin“ des Querfrontlers Elsässer und feierten stattdessen am 29.10. ein rauschendes, buntes Musikfest mit 1500 zahlenden Gästen in ihren Sälen.
Doch der Schein trügt, wie sich nun zeigt. Am 13.2. teilte das Kölner Maritim überraschend mit, dass sie Höcke für den Bundesparteitag am 22. und 23. April ein Hausverbot erteilt habe. „Wir haben bislang die Politik vertreten, allen Parteien und Organisationen, die sich im demokratisch legitimierten Spektrum bewegen, als Veranstaltungsort zur Verfügung zu stehen“, teilte Geschäftsführer Prochaska mit. Nach den jüngeren Äußerungen von Höcke zum Berliner „Mahnmal der Schande“ fühle man sich nicht mehr hieran gebunden.
Damit vermochten die Verantwortlichen von Maritim das selbstverschuldete Debakel jedoch nicht mehr aufzuhalten. Auch nach dem Parteiausschlussverfahren gegen Höcke bleibe die AfD eine „rassistische, völkisch-nationale, homophobe, frauenfeindliche“ Partei, insistiert Reiner Krause von Köln gegen Rechts. Einen Tag später, am 14. Februar, teilte Prochaska von Maritim nun mit, die nicht nachlassenden Proteste gegen die rechtspopulistischen Partei hätten das Unternehmen veranlasst, „sich deutlich von der aktuellen politischen Ausrichtung und Gesinnung der AfD zu distanzieren“. Zugleich räumten sie erstmals ein, dass ihr Hotel einen immensen Imageschaden erlitten habe. „Gegenwärtig“ wolle das Hotel keine Räume mehr an die AfD vermieten.
Dass sich die Proteste mit dieser taktisch motiviert erscheinenden Entscheidung aufhalten lassen erscheint als eher unwahrscheinlich. „Es gibt viele Höckes in der AfD“, betont Köln gegen Rechts. Bei aller Freude über diesen Schritt der Maritim Zentrale „fordern wir weiterhin das Maritim auf, den Parteitag in Köln abzusagen.“ Dies sei auch ein überschaubares finanzielles Risiko: „Die Kölner Karnevalsgesellschaften haben bei ihrem Protest gegen den Parteitag dem Maritim ja angeboten, drohende Schadenersatzforderungen seitens der AfD, durch ein alternativ von ihnen im Maritim am 22.4. organisierten „Festival der Kulturen“ zumindest zum Teil zu kompensieren.“
„Köln Alarm“: Weitere Mahnwachen
Dem stimmen auch die Musiker-Initiative AG Arsch Huh und zahlreiche Kölner Musikbands zu. Für den 22. April kündigen sie eine gewaltige Protestkundgebung sowie Musikveranstaltungen in der Kölner Innenstadt an. Dass die Zahl der Protestierer die Zahl von 100.000 übersteigt, wie 1992 beim ersten Arsch-Huh-Konzert gegen Rassismus in der Kölner Südstadt, ist mehr als wahrscheinlich. Und bereits für den kommenden Samstag hat das Bündnis „Köln Alarm“ eine weitere Mahnwache vor dem Kölner Maritim angekündigt.