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Drohen, pöbeln, drangsalieren – wie die AfD mit Journalisten umgeht

 

Wie die AfD mit Journalisten umgeht
Hier noch friedlich, später wurde es für Fotografen brenzlig © Hartmut Schneider

Immer wieder werden Journalisten von AfD-Veranstaltungen ausgeschlossen, bedrängt und beschimpft. Ein Erfahrungsbericht unseres Autors Hartmut Schneider.

Am 4. Oktober 2016 hatte die AfD den Bundesvorsitzenden Jörg Meuthen nach Bergisch Gladbach eingeladen. Ich war als Fotograf vor Ort und gegen Ende der Vortrages von Herrn Meuthen wurde ich von einem hoch aggressiven AfD-Sympathisanten angegriffen. Er wollte mir meine Kamera entreißen, um in den Besitz des Speicherchips zu gelangen, weil er der Auffassung war, ich hätte Fotos gemacht, die ich nicht hätte machen dürfen. Durch den von ihm verursachten Tumult wurde der Sicherheitsdienst aufmerksam. Jemand, der sich als Sicherheitsbeauftragter der AfD ausgab, aber sich weigerte seinen Namen zu nennen, übernahm ebenso aggressiv und verlangte die Herausgabe meiner Kamera. (Erst Monate später sollte ich erfahren, dass der Name des sogenannten Sicherheitsbeauftragten Patrick W. ist.) Ich zeigte meinen Presseausweis, der von einem Begleiter von W. ausdrücklich als gültig anerkannt wurde.

W. verbot mir anschließend, den Saal zu verlassen und beharrte weiter darauf, in den Besitz meiner Kamera zu kommen. Als ich versuchte, die Tür zu öffenen und zu gehen, hinderte er mich daran, indem er mich mit beiden Händen festhielt. Außerdem hatten sich inzwischen mehrere Securityleute eingefunden, die mich umringten. Ich protestierte und verlangte, die Polizei rufen zu können.

Als draußen Polizei sichtbar wurde, ließ mich Patrick W. los. Ich ging zu den Polizisten und erstattete Anzeige wegen Nötigung und Freiheitsberaubung. Es dauert eine Weile, bis ich die Polizei überreden konnte, meine Anzeige aufzunehmen.

Ende November, nachdem ich weder ein Aktenzeichen noch eine andere Nachricht erhalten hatte, erhielt ich auf Anfrage die merkwürdige Auskunft von der Staatsanwaltschaft, man könne mir zu dem Verfahren nichts sagen. Mitte Dezember kam dann überraschend eine Vorladung bei der Staatsschutzabteilung der Polizei in Köln. Der Vernehmungsbeamte teilte mir mit, dass das Verfahren durch die Staatsanwaltschaft längst eingestellt war, jetzt aber wegen meiner Beschwerde wieder aufgenommen wurde.

Ich schilderte also den Vorfall und erfuhr dabei, dass der Beschuldigte Patrick W. bisher nicht zur Sache vernommen wurde. Inzwischen hatte ich, da ich nun den Namen des Beschuldigten kannte, nach ihm recherchiert und erfuhr, dass er wohl in der Vergangenheit einschlägig aktiv war.

Die Ruhr Nachrichten schreiben: „W. soll laut dem Internet-Medium Zwischenzeit im vergangenen Februar im Mainzer Wahlkampf als Helfer aufgetreten sein und eine Antifaschistin mit Pfefferspray angegriffen haben. Im Nachgang versuchte W., die Berichterstattung über den Vorgang zu verhindern. Doch wie ein Sprecher des Landgerichts Mainz auf Nachfrage der Ruhr Nachrichten bestätigte, unterlag die AfD Rheinland-Pfalz bei dem Versuch, eine Unterlassungserklärung zu erwirken.“

Der Westen schreibt: „Ein weiterer Vorfall kursiert im Netz. Danach soll W. zwei Demonstrantinnen gegen den Bundeskongress der Jungen Alternative im Juli in Bingen tätlich angegriffen haben. Anschließend wurden im Binger Krankenhaus Rippen- und Handgelenksprellungen bei den beiden Frauen diagnostiziert. W. spricht von ‚Notwehr‘, die nach Angriffen mit unbekanntem Pulver auf ihn ‚erfolgen‘ könne. Es sei ‚ein starkes Stück‘, wenn er nun öffentlich als Gewalttäter diffamiert werde.“

Der Vorsitzende der Dortmunder Linksfraktion sagt: „W. hatte bereits schon früher auf sich aufmerksam gemacht. In Antifa-Kreisen ist er bekannt wegen seiner ausgeprägten Gewaltbereitschaft … Argumentativ bewegen sich die AfD-Vertreter ohnehin bei ihrem Hauptthema auf einer Linie mit den Vertretern von NPD und Rechten. Derzeit wird ja wegen der räumlichen Nähe zu unserer Fraktion ohnehin bereits ein Sicherheitsdienst im Ratssaal eingesetzt, um Attacken der Rechtsaußenmitglieder des Rates auf unsere antifaschistisch geprägten Fraktionsmitglieder zu verhindern.“

Mein Rechercheergebnis (Zeitaufwand 10 Minuten) teilte ich der Staatsschutzabteilung mit, wofür mir ausdrücklich gedankt wurde. Am 1. April erhielt ich Post von der Staatsanwaltschaft Köln. Inhalt: Das Verfahren gegen Patrick W. wird eingestellt. Das Verschulden des Beschuldigten sei „als gering zu bewerten“ und „ein öffentliches Interesse an der Strafverfolgung besteht nicht.“

Begründung: Der Beschuldigte habe mich nur „lediglich etwa 10 Minuten am Verlassen des Gebäudes gehindert hat, wobei es überdies zu keiner Gewaltanwendung gekommen ist.“ Und: „Desweiteren ist der Beschuldigte seinen insoweit nicht zu widerlegenden Angaben zufolge davon ausgegangen, dass es sich bei Ihrem Presseausweis um eine Fälschung handelte.“ Die Einstellung erfolge „auch unter Berücksichtigung der Vorstrafen des Beschuldigten … zumal insoweit nicht außer Acht zu lassen ist, dass die letzte einschlägige Verurteilung nunmehr bereits etwa sechseinhalb Jahre zurückliegt.“

Eine interessante Begründung zu Beginn der heißen Phase des Wahlkampfes. Die Staatsanwaltschaft Köln erteilt offenbar den Ordnern der AfD einen Freibrief, missliebige Journalisten bis zu 10 Minuten festzusetzen, um die Herausgabe von unerwünschten Dokumenten oder Fotos zu erzwingen. Es reicht als Begründung offenbar, die Echtheit vorgelegter Presseausweise ohne jede Begründung anzuzweifeln.

Hinweis: eine schriftliche Anfrage von ZEIT ONLINE zu dem beschriebenen Vorfall ließ Patrick W. unbeantwortet.