Sie geben sich hipp, frech, kreativ. „Identitär“ – nicht rassistisch. Nur „patriotisch“, nicht extrem rechts. Recherchen von ZEIT ONLINE widerlegen diese Selbstinszenierung der Identitären Bewegung (IBD). Die Identitären sind keine „Bewegung“, ihre Distanzierung von der rechtsextremen Szene ist Taktik. Ihre Führungsfiguren kommen aus der NPD-Jugend, aus radikalen Burschenschaften und sogar aus der verbotenen Neonaziorganisation Heimattreue Deutsche Jugend (HDJ). Die Identitären bieten ihnen eine neue Heimat und eine frische Corporate Identity, unter der sie alte Ziele weiterverfolgen können. Ein Blick auf Bayern.
Auf Anfrage teilte das LfV Bayern dem Störungsmelder mit, dass „das Personenpotenzial der IBD in Bayern einschließlich eines Umfelds von Interessenten und Sympathisanten derzeit auf rund 100 Personen beziffert“ wird. Der prominenteste Aktivist der Identitären in Bayern ist Nils Altmieks. Der Bundesvorsitzene und Gründer der Identitären Bewegung Deutschland zog in ein fränkisches Dorf nahe Erlangen. Fotos bringen den 30-jährigen Familienvater in Verbindung mit der Heimattreuen Deutschen Jungend (HDJ). Von ZEIT ONLINE damit konfrontiert räumt er ein, im Alter von ungefähr 17 Jahren zwei Lager der Gruppierung mitgemacht, aber „kein aktives Mitglied“ geworden zu sein. Glaubwürdig ist das aber nicht. Etwa ist Altmieks 2006 auf einem Foto auf der Website der HDJ abgebildet. in der Hand hält er die Fahne des elitären Rassistenvereins und trägt dessen traditionelle Kluft. Seit 2009 ist die HDJ verboten. Das Bundesverwaltungsgericht bescheinigte dem Verein eine „Wesensverwandtschaft“ mit der Hitlerjugend.
Obwohl Altmieks nach Bayern zog, war die hießige IB im Jahr 2015 noch weitgehend ein virtuelles Phänomen. Das änderte sich, schreibt Robert Andreasch in der rechte rand 163/2016 (drr), mit der Wahl von Sebastian Zeilinger aus dem oberbayerischen Stein an der Traun zum damals stellvertretenden Bundesvorsitzenden im Frühjahr 2016. Am 9.5.2017 wurde er im Vereinsregister von Daniel Fiß aus Rostock ersetzt. Weiter heißt in drr: „Mal bemalten die Mitglieder Leintücher und hängten sie nachts an Autobahnbrücken auf, mal klebten sie Plakate mit Tesa-Film an die Münchner SPD-Zentrale oder legten einen Eimer Schutt vor das Münchner Büro der ‚Grünen‘. Aber der Rathausturm von Hof – wo sie ein kleines Transparent hissten – ist nicht das Brandenburger Tor und eine größere Öffentlichkeit war so zunächst einmal kaum zu gewinnen.“
Es wurde versucht, die Reichweite mit einer Beteiligung an den montäglichen PEGIDA-Kundgebungen in München, der Unterstützung einer „Bürgerinitiative“ gegen die Unterbringung von Geflüchteten im oberbayerischen Feldkirchen-Westerham und der Anmeldung eigener Versammlungen zu erhöhen. Schließlich wurde Ende 2015 und Anfang 2016 gemeinsam mit der IB Österreich, zu der ausgesprochen gute Kontakte bestünden, zu mehreren Aufmärschen unter dem Motto „Wir sind die Grenze“ nach Freilassing an der bayerisch-österreichischen Grenze mobilisiert. Den Aufrufen folgten je 300 bis 400 Rechte. Mit der Wahl dieser Aktionsformen würde die IB plötzlich auffallend stark einer „klassischen“ rechten Gruppierung ähneln, schreibt Andreasch.
Die Grenzaufmärsche „erwiesen sich als Sammelbecken für AnhägerInnen aus dem gesamten Bundesgebiet und Österreich, es kamen aber auch Burschenschafter, AfDlerInnen, Mitglieder der süddeutschen Neonazi-Szene sowie der verrohte BürgerInnenmob der Region.“ Die IB biete Events, an denen sich Neonazis wie Lorenz Maierhofer (ehemals Freies Netz Süd) genauso beteiligen könnten wie Aktivisten der AfD, Neu-Rechte wie Sezession-Autor Felix Springer oder Burschenschafter der Münchner Burschenschaft Danubia. So nahm etwa AfD-Funktionär Martin Simon an einer Kundgebung der Identitären am 31.7.2016 vor der Bayerischen Staatskanzlei in München teil. Der aus Dortmund nach München gezogene Neonazi Lukas Bals verteilte im T-Shirt der IBD Flugblätter gegen den „Großen Austausch“ in Münchens Innenstadt.
Bei der Vorstellung des bayerischen Verfassungsschutzbericht 2016 sagte Burkhard Körner, Chef des Landesamtes für Verfassungsschutz, dass Petr Bystron, der Landesvorsitzende der AfD in Bayern, vom Verfassungsschutz beobachtet werde, weil er Sympathien für die Identitäre Bewegung geäußert habe. Körner sagte, die IB werde vom Verfassungsschutz beobachtet, weil sich dahinter „eine starke Verwandtschaft mit der völkischen Ideologie der Rechtsextremisten“ verberge. Bystron habe die Identitären als „tolle Organisation“ bezeichnet. Deren Aktionen seien „intelligent“ und hätten Respekt verdient, zitierte der Präsident des Verfassungsschutzes den bayerischen AfD-Chef. Dieser habe auch gesagt: „Die AfD muss ein Schutzschild für die Identitäre Bewegung sein.“
Am 29. Juni 2016 erschien Bystron und der oben erwähnte Lukas Bals sowie den Anhänger des Bündnis deutscher Patrioten (BdP) Rick W. vor einer AfD-kritischen Veranstaltung im Eine-Welt-Haus in München. Als ihnen der Zutritt verwehrt wurde, gingen die drei Gemeinsam in einen Biergarten. Der AfD-Landesvorsitzende lud seine Begleiter auf ein Bier ein.
Auf eine Landtagsanfrage der Grünen-Abgeordneten Katharina Schulze berichtete Bayerns Innenministerium am 3.1.2017 unter Verweis auf das Landesamt für Verfassungsschutz Bayern (LfV) von gemeinsamen Aktivitäten des BDP und der Identitären in Bayern. In einem Beitrag auf Facebook habe es am 28.08.2016 geheißen: „Wir – das Bündnis deutscher Patrioten – möchten unseren Brüdern und Schwestern der Identitären Bewegung unser Respekt zollen! Wir stehen zu 100 % an eurer Seite – in den Farben getrennt, in der Sache vereint! Die Reconquista hat begonnen! Wir holen uns unser Land zurück! Für Deutschland!“ (Fehler im Original)
Auch Oliver Krogloth, Mitbegründer des Kreisverbandes Traunstein der AfD und ihr derzeitiger Schatzmeister, zeigt sich der IB auf ihren Veranstaltungen und im Internet verbunden. Zu seinen Freunden auf Facebook zählen Sebastian Zeilinger, der Österreichische IB-Kader Martin Sellner und einige weitere Identitäre – und die NPD-Funktionäre „Baldur Landogart“ und Karl Richter.
Einer Ortsgruppe der IB Schwaben im Allgäu wurden im Februar interne Dokumente entwendet und im Internet veröffentlicht, als diese gerade in Memmingen einen Stammtisch abhielt. Davon abgesehen konnten die Identitären im Allgäu bisher nicht nennenswert in Erscheinung treten.