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Reime aus dem Papiertütchen

 

Die Plattenfirma Geffen hat offensichtlich wenig Interesse daran, dass jemand die neue Platte von Mos Def kauft: „True Magic“ ist unschön verpackt und wird nicht beworben. Schade um die fabelhafte Musik.

Mos Def True Magic

Mos Def ist Rapper. Weil er sich nebenbei auch der Schauspielerei widmet, braucht er lange, ein Album aufzunehmen. Vor acht Jahren erschien seine Debütplatte Black On Both Sides. Das Musikfernsehen ignorierte ihn bereits damals – trotz seines Erfolgs. Mos Def verweigert sich den Klischees, er ist ein Rapper alter Schule. Sein Stil ist geprägt vom alternativen HipHop der Neunziger und Gruppen wie A Tribe Called Quest und De La Soul.

Mit nasaler Stimme stapelt er die Reime im Swingtanz. Und es macht Spaß, genau hinzuhören. Mit den stupiden Texten seiner Gangsta-Kollegen hat er nichts an der Kappe. Er singt nicht von Diamanten und lang gestreckten Limousinen, der Weg aus dem Ghetto führt bei ihm nicht über die Ansammlung von Reichtümern und Frauen. Seine Lyrik ist sozial.

Auch ohne die Unterstützung des Musikfernsehens verkaufen sich seine Platten ganz ordentlich. Zu gut, um bei einem kleinen Label zu veröffentlichen. Zu schlecht allerdings für einen großen Konzern. Nach dem Bankrott der kleinen Firma Rawkus Records, die sein erstes Album veröffentlicht hatte, wechselte er vor einiger Zeit zu Geffen, einem Teil der Universal-Gruppe. Ein gutes Verhältnis hatten der Rapper und die Plattenfirma angeblich nie, so ist er gerade auf der Suche nach einer neuen.

Um seinen Vertrag zu erfüllen, veröffentlicht er nun ein letztes Album bei Geffen, True Magic. Aber was ist das? Schon die Verpackung stiftet Verwirrung, sie ist lächerlich. Die bedruckte CD ist nur von einer weißen Papiertüte umhüllt, im Laden steht sie zum vollen Preis. Vorabexemplare für Journalisten sehen oft so aus, aber wie soll man mit so etwas Käufer erreichen? Auch der Zeitpunkt der Veröffentlichung könnte ungeschickter nicht sein: Die Platte erschien zwischen Weihnachten und Neujahr. Steckt dahinter ein genialer Schachzug der Plattenfirma? Sollen visuelle Reize vermieden werden, weil sie die Magie der Musik stören könnten?

Universal erklärt, es handele sich um eine Vorabveröffentlichung. Sie sei eine Reaktion darauf, dass das Album bereits seit Anfang Dezember im Internet kursiere. Eine offizielle Veröffentlichung mit schöner Hülle und Werbung solle im Laufe des Jahres erfolgen. Eine haarsträubende Firmenpolitik.

Die Musik wirft ebenfalls Fragen auf. Sie ist ungeschliffen und weniger vielschichtig, als man es von Mos Def gewohnt ist. Die Rhythmen sind minimalistisch und kaum experimentell. True Magic ist eine konservative HipHop-Platte, so etwas macht heute kaum noch jemand, keine Gastauftritte befreundeter Rapper, keine aufgeblasene Produktion. Aber genau das scheint Mos Defs Talent zu sein. Seine Stimme ist melodiös, das unspektakuläre und monotone Gewand stellt das heraus.

Auf seinem letzten Album The New Danger kokettierte er noch mit pathetischen Rockklängen. Die Besinnung auf seine Stärken klingt überzeugend. Die Stücke Undeniable und Fake Bonanza stechen heraus, There Is A Way ist ein optimistischer Hit. Andere Stücke trägt er mit nöliger Stimme vor, sie klingen etwas lustlos und niedergeschlagen, wenig selbstbewusst.

True Magic ist eine Platte voller Fragen, sie ist persönlich und fordert zur Auseinandersetzung auf. Hoffentlich ist es nicht seine letzte, er hat angekündigt, sich künftig auf seine Schauspielkarriere zu konzentrieren.

„True Magic“ von Mos Def ist erschienen bei Geffen/Universal

Eigentlich sollten Sie hier das soeben für den Grammy nominierte Stück „Undeniable“ zu hören bekommen. Die Plattenfirma Universal untersagte das mit dem Hinweis, „mit Rücksicht auf den Künstler“ solle die Platte momentan nicht explizit beworben werden. Auf der Website des Künstlers kann man sich einminütige Schnipsel verschiedener Stücke anhören

Lesen Sie hier: Die Platten des Jahres 2006 – Eine Nachschau auf 100 Tonträger

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