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Jetzt passt die Musik auch zur Frisur

 

Erleben wir gerade die Wiederauferstehung des Britrock oder nur ein letztes Zucken? Die Arctic Monkeys jedenfalls scheinen in den USA die Stadionband in sich entdeckt zu haben.

© Domino Records
© Domino Records

Es mag Zufall sein, auffällig ist es unbedingt. Franz Ferdinand legen ihr bestes Album seit langer Zeit vor, Pete Doherty beweist mit einem neuen Babyshambles-Werk, dass er sich noch nicht reif für die Drogenrente fühlt, und jetzt kehren auch noch die Arctic Monkeys zurück. Ob nun der Britrock in diesen Wochen tatsächlich seine Wiederauferstehung feiert oder wir nur Zeuge des letzten, verzweifelten Zuckens eines sterbenden Genres werden, muss die Zukunft weisen. Aber die Rechnung geht sowieso nicht ganz auf, sind doch die Arctic Monkeys längst schon keine britische Band mehr.

Das Quartett lebt seit Jahren in den USA und neuerdings auch noch dort, wo Amerika so amerikanisch ist wie nirgendwo sonst. Los Angeles ist das neue Zuhause der Arctic Monkeys, liiert oder verlobt sind die Musiker mit Models, Schauspielerinnen und Glamour Girls. In Los Angeles haben sie auch ihr fulminantes, fünftes Album AM aufgenommen, außerdem in den Rancho-de-la-Luna-Studios in Joshua Tree, mitten in der Mojave-Wüste, der Heimstatt des Stoner Rock, und unterstützt vom Queens-of-the-Stone-Age-Boss Josh Homme, der aktuell gültigen Blaupause des coolen Rockers.

Das war zwar auch schon bei den vorherigen beiden Alben so, aber erst jetzt, so klingt jedenfalls AM, ist die Mutation von der verpickelten Internetsensation mit den hibbeligen Gitarrenriffs zur selbstzufrieden bis bräsig rockenden Stadionrockband endgültig und glücklich abgeschlossen.

Es war ein weiter Weg aus der Stahlstadt Sheffield ins sonnige Südkalifornien, aber ein Weg, der – zumindest retrospektiv betrachtet – wohl vorgezeichnet war. Denn im Vergleich zu ihren britischen Zeitgenossen besaßen die Arctic Monkeys schon immer die länger geschwungenen Melodiebögen, die breiteren Gitarrenriffs und die tiefergelegten Basslinien. Das alles steht auf AM nun in formvollendeter Blüte:

Von der Single Do I Wanna Know?, die mit ihrem simplen Bumm-Paff-Schlagzeug und der darüber wabernden Gitarre wie versumpfter Glam-Rock wirkt, über One For The Road, das gemütlich dahin tuckert wie ein benzinmengenschluckender Straßenkreuzer, und die Americana-Ballade Mad Sounds bis zu I Wanna Be Yours, in dem sich der Sänger und Texter Alex Turner mit einem Ford Cortina vergleicht, der niemals rosten wird. So gesehen haben die Arctic Monkeys eine ähnliche Entwicklung genommen wie Led Zeppelin und Black Sabbath: alle drei britische Bands, die von den USA fröhlich adoptiert wurden.

Dieser Wandel ist nicht nur hörbar, sondern auch zu sehen. Turner hat sich, inspiriert von einem Foto des jungen Elvis Presley, eine neue Frisur scheren lassen. In der stilbewussten britischen Presse hat er sich für die pomadierte Tolle viel Häme gefallen lassen müssen. Er selbst sieht es als Signal, dass seine Arctic Monkeys – entgegen des Britpop-Stempels und trotz des Internet-Hypes, mit dem sie berühmt wurden – schon immer eine klassische Rock’n’Roll-Band waren. Mit AM ist ihnen nun endlich das Album gelungen, das diese Frisur rechtfertigt.


„AM“ von Arctic Monkeys erscheint am 6. September bei Domino Records/GoodToGo.