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Berliner Nadelöhre

Der Autor dieser Zeilen neigt zur Ungeduld. Diese Ungeduld wird verschärft durch vegetative Begleitsymptomatiken wie Hunger oder Durst. Aus diesem Grund geht der Autor dieser Zeilen, obwohl er durchaus ein Faible für großflächige Hamburger hat, schon seit längerer Zeit nicht mehr zu McDonald’s oder Burger King. Bei McDonald’s kriegt er einen Wutanfall nach dem Anderen, weil vor den Kassen völlig erratische Trauben von Geistesgestörten herumlungern, deren Mitglieder oftmals weder registrieren, dass sie schon längst dran sind ihre Bestellung aufzugeben geschweige denn überhaupt schon überlegt haben, was sie eigentlich essen möchten. Bei Burger King ist es selten besonders voll, dafür hält man dort nichts von Vorratshaltung sondern produziert die Burger üblicherweise erst nach deren Bestellung. Bezahlen darf man sie natürlich gerne gleich.

Das waren jetzt zwei Beispiele für Nadelöhre.

Eines der nervötendsten Nadelöhre Berlins ist aber das Gastronomie-Nadelöhr der Domäne Dahlem. Letztgenannter Ort ist eigentlich für Menschen mit Kindern ganz angenehm. Man fährt ein paar Statiönchen mit Bus oder U-Bahn und ist mitten im Grünen, auf einem Bauernhof mit richtigen Muh-Kühen und Mäh-Schafen. Man kann Picknicken, Traktorfahren und dergleichen ulkige Dinge. Man ist in der Natur. Es ist okay. essen und trinken kann man da auch. Könnte man, wäre da nicht das Nadelöhr.

Will man etwas essen, geht man zu einem Bretterverschlag, hinter dem sich eine Großküche befindet und bestellt sein Essen. Hat man Durst, wird man zu einem anderen, fünfzig Meter entfernten Bretterverschlag geschickt und muss sich dort gesondert anstellen. Und dieser Getränke-Bretterverschlag ist der Vorhof zur Hölle. Da arbeiten zwei Menschen, eine blutleere Demeter-Dame und ein hektisch herumwitschender Mann unbestimmten Alters oder Herkunft. Das Schöne: Beide behindern einander in einer ins Genialische lappenden Art und Weise, sodaß vor diesem Getränke-Bretterverschlag immer eine Schlange genervter Menschen steht. Immer. Immer. Immer. Man hat hier schon gestandene Bio-Öko-Männer Wutanfälle bekommen gesehen. Macht mich fuchtig, das da.

Wer andere Berliner Nadelöhre kennt, bitte hier posten.

 

Die Zen-Strecke neben der Rennstrecke

Immer, wenn mir der Kopf schwer ist und ebendieser Kopf dringend gelüftet werden muss, fahre ich mit dem Rad meine Zen-Strecke. Ich nenne diese Strecke so, weil ich auf ihr unglaublich gut abschalten kann. Sobald ich die ersten Meter auf dieser Strecke geradelt bin, kommen meine Gedanken zur Ruhe. Die Rede ist vom Kronprinzessinnenweg, der von der S-Bahn-Station Nikolassee parallel zur Avus bis hin zum Messegelände/ICC führt, von der Avus nur durch einen zwanzig Meter langen Waldstreifen getrennt. Man fährt also unten am Nikolassee los, zur Linken der dichte, dunkle Grunewald mit Vogelgezwitscher und ähnlichem, zur Rechten als direkter Kontrast die rauschende Avus. Der Kronprinzessinnenweg ist für Autos gesperrt und wird hauptsächlich von Radfahrern benutzt, ein paar Jogger und Inline-Skater sind auch da. So fährt man also stur und stulle geradeaus bis zum Dreieck Funkturm, knappe zwanzig Minuten dauert das. Der Straßenbelag ist fantastisch, man kann herrlich vor sich hinstarren und sich dieser Zen-Meditation light bestgelaunt hingeben. Je nach persönlichem Trainingsbedarf kann man die Strecke ein bis fünf mal abfahren, falls einen ein Unwetter überrascht, kommt man mit der S-Bahn (Messe Süd, Grunewald oder Nikolassee) von fast jedem Abschnitt dieser Strecke aus wieder trocken weg. Schöne Sache.

 

Pimientos de Padrón – und das in Berlin!

Hier stelle ich in loser Folge Restaurants vor, die mir gefallen. Ich betone ausdrücklich, dass die genannten Restaurants für diese Rezensionen kein Geld bezahlen und ich auch ansonsten weder privat noch dienstlich mit den Besitzern jener Restaurant verbandelt bin. Ich geh einfach gerne da hin. Punkt.

Mit spanischen Tapas ist das ja so eine Sache: Wer Tapas genießen will kann das nur in einem Restaurant, das gut läuft. Der Durchsatz an Speisen muss hoch sein, ansonsten besteht das Risiko, dass der Koch des Abends die Tapas-Schälchen aus der Vitrine in die Kühlung stellt, am nächsten Tag kurz dran schnuppert, und wenn es nicht allzu seifig oder fischig riecht, kommen die Waren wieder in die Vitrine. So lange, bis sie aufgebraucht oder verdorben sind. Brrr.

Vor derlei Unbill ist man im „Tapas y más“ mit Sicherheit geschützt, zumindest in der Schöneberger Filiale, denn diese wurde gestern eingehend inspiziert. Man betritt das Lokal und staunt: Es ist Sonntag, 19 Uhr, und der Laden ist bis auf zwei Tische voll. Ein gutes Zeichen. Wir bestellen quer durch die Karte: Brot mit zauberhaft-sämiger Aioli, Canarische Kartoffeln mit einer Mojo, wie ich sie noch nie erlebt habe: Cremig, mild und doch mit zartem Schärfeprickeln auf der Zunge, eine große Portion Pimientos de Padron, das sind kleine Paprikaschoten aus der Region Padrón, geschmacklich zwischen grüner Paprika und milder Pepperoni liegend. Sie werden 2-3 Minuten frittiert (ohne Panade) und danach mit grobem Meersalz bestreut – himmlisch!!

Weiter mit einer Fisch- und Meeresfrüchte-Paella. Und wieder: Begeisterung. Alle Zutaten superfrisch, die Palla kommt stilecht in der schwarzen Pfanne mit Stiel. Ebenfalls ein Klassiker der spanischen Küche: Die Hühnerbrust, gefüllt mit Manchego und Serrano-Schinken. Serviert auf einem riesigen Teller mit handgeschnitzten Kartoffelspalten und einer leicht scharfen Paprika-Honig-Tunke. Wir sind begeistert!

Winziger Wermutstropfen: Der glasweise ausgeschenkte Preferido aus Rioja enttäuscht ein wenig, vielleicht sollte man beim nächsten Mal auf einen Flaschenwein aus der kleinen Weinkarte ausweichen.

Der Service ist flink, sehr freundlich und humorvoll und so empfehlen wir den Besuch ausdrücklich, werden sicherlich noch oft hierhin zurückkehren und uns weiter quer durch die Speisekarte futtern.


TAPAS Y MAS
Rheinstr. 32
12161 Berlin
(030) 8529422
tgl. ab 17 Uhr
EC-Karte, keine Kreditkarten
www.tapasymas-berlin.de

 

Antennenarm

In Berlin ist man sich-bei-Rot-über-stark-befahrene-Straßen-mogelnde Radler so gewöhnt, dass mich die ältere Dame völlig überrascht, die an der Kreuzung vor mir steht und auf Grün wartet. Sie will nämlich nicht etwa geradeaus, über die vierspurige Straße, nein, sie will nur rechts abbiegen. Also einmal um die Bürgersteigsecke kurven. Gerade mal zwei Meter Verkehrsrowdietum! Das nenne ich vorbildlicher als bei der Verkehrserziehung in der 1. Klasse. Die ältere Dame hat den rechten Arm formvollendet bis in die Fingerspitzen nach rechts ausgestreckt, der linke Fuß steht auf der Pedale und ihr ganzer Körper verharrt in leichter Spannung, die beim Umschalten der Ampel ein sofortiges, den Verkehr nicht verzögerndes Anfahren ermöglicht. Besonders schön der kurze Moment, als ein Fußgänger auf die bis auf den Gehweg ragende Arm-Barriere zuläuft: Ohne ihren auf die Ampel gerichteten hochkonzentrierten Blick abzuwenden, zieht die ältere Dame teleskopartig den Arm ein, lässt den Mann passieren um ihn gleich danach wieder akkurat auf volle Länge auszufahren. Zzzzzzzt, zzzzzzzt.

 

Und, haste Dich jetzt entschieden?!

Es gab ja eine Zeit, da war es regelrecht Mode, sich über die Berliner Service-Wüste aufzuregen. Gab ja leider auch so viel zum drüber Aufregen. Ich dachte, diese Zeiten seien vorbei.
Von wegen.
Sonntag nachmittag in einem beliebten Café in der Oranienstraße. Es gelüstete mich nach einem großen, gemischten Fruchtsaft. Vitaminausgleich nach einem leicht exzessiven Wochenende.
Ich (freundlich): „Wäre es möglich, auch mehrere Fruchtsäfte zu mischen?“
Bedienung (barsch): „Ich kann doch hier nicht x Flaschen für dich aufschrauben!!“
Ich: gucke ungläubig.
Bedienung: „Zwei Säfte, des geht, aber mehr nicht!“
Rauscht davon.
Drei Minuten später:
„Und, haste Dich jetzt entschieden?!“
Wahrscheinlich hätte ich mich entscheiden sollen, zu gehen, aber meine Begleitung hatte ihren Bestellwunsch schon geäußert und, zack, bereits ihren Tomatensaft vor der Nase stehen. So flott wie diese Bedienung ist, dachte ich mir da, die hätte in 0,3 Sekunden meine Säfte zusammengemischt.

 

Den Tag ausklingen lassen

Jeden Abend, wenn es dämmrig wird, füllt sich die Admiralsbrücke, die östlich vom Urbankrankenhaus über den Landwehrkanal führt. Da sitzen dann Bier aus Flaschen trinkende Menschen auf den breiten Brückenköpfen, auf den Betonpollern, die praktischerweise wie Sitzhocker über die ganze Brücke verstreut sind (Verkehrsberuhigung?), oder einfach auf dem Boden.
Ich behaupte, die Berliner Abenddämmerung ist nirgends romantischer als hier. Schmal und kopfsteingepflastert ist die Brücke an sich schon ganz hübsch. Noch viel hübscher ist jedoch der Ausblick: Bei Sonnenuntergang scheinen sämtliche Schwäne Berlins vors Urbankrankenhaus zu schwimmen, während sich der Landwehrkanal fast schon kitschig rosa-rot färbt. Ist es dann dunkel, wirft die Schummer-Beleuchtung der Restaurantschiffe auf dem Kanal goldene Reflexe aufs Wasser.
Auf dieser Brücke fühlt man sich wie im Urlaub, irgendwo in Spanien oder Italien. Man sitzt in der lauen Abendluft, plaudert entspannt und lässt den Tag gemütlich ausklingen – manchmal bis in die frühen Morgenstunden.

 

Ruhige Klänge aus Schweden

Aus Schweden kommen gerade eine Menge wunderbarer Bands, die einfach göttergleich rocken. Das hat sich mittlerweile ja auch in Deutschland rumgesprochen, Gottseidank, ich hatte die ABBA-Witze echt über, kaum dass ich auf „gute schwedische Musik“ zu sprechen kam. Ich sag nur: Ceasars! The Hives! Mando Diao! The Ark! Weeping Willows! The Sounds! Shout out Louds! Sugar Plum Fairy!
Auch die noch viel göttergleicheren KENT kamen, allerdings lange vor dem großen Schweden-Hype, nach Deutschland, doch nur einige wenige besuchten ihre Konzerte, während sie in Skandinavien bereits vor Tausenden spielten und für ihre Alben jede Menge Grammys absahnten. Also sangen KENT danach wieder auf schwedisch statt englisch, ihre Musik ist aber immernoch einfach wunderbar und wenn man sie live sehen will, muss man eben nach Schweden fahren. Ich also mit meinem Süßen (der KENT bereits hautnah live erlebt hat! Wieviel Neid verkraftet eigentlich eine Beziehung?) für ein langes Wochenende nach Stockholm. Die Stadt an sich ist schon ein Traum, aber das ist eine andere Geschichte. Das Konzert hatte Gänsehautfaktor 10, auch wenn ich kein Wort verstanden habe, und, wie befremdlich, nicht wie alle anderen lauthals mitsingen konnte.
Genauso mitreißend war auch die Vorband, die gar keine Band war, sondern eine Frau mit Klavier, die recht verloren auf der riesigen Bühne mit dem Rücken zum Publikum saß. Oha, dachte ich noch, da wartet eine zehntausendköpfige Meute darauf, ordentlich zu rocken, die wird’s nicht leicht haben. Doch schon beim ersten Stück war die Skepsis vergessen: Rauhe, markante Stimme, melancholische, ruhige Songs, aber weit und breit kein Pathos oder Kitsch. Wow!
Anna Ternheim heißt die 28-jährige Musikerin und weil ihr Album „Somebody Outside“ jetzt auch in Deutschland erschienen ist, muss man keine Reise nach Schweden mehr machen, um sie live erleben zu können. Unbedingt hingehen!
KENT-Alben kann man übrigens auch außerhalb Schwedens käuflich erwerben. „Isola“ (1998) und „Hagnesta Hill“ (2000) heißen jene, die auch auf englisch erschienen sind. Aber auch die schwedischen lohnen sich. Kaufen, kaufen, kaufen! Vielleicht überlegen die Jungs sich ja dann, dass es mal wieder an der Zeit wär für eine Konzerttour nach Deutschland?

Anna Ternheim, 2.8., 21 Uhr, Kalkscheune. Karten 17,50 Euro.