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Uniform oder auffällig

Jeden Morgen beim Frühschwimmen das gleiche Bild: Das Bad ist noch fast leer, keine herumtobenden Kinder, keine flanierenden Teenies, keine Sonnenanbeter auf Strandlaken. Nur Schwimmer, die eifrig das Becken rauf und runter pfügen. Kopf eintauchen, prusten, auftauchen, Luft holen, wieder eintauchen. Das bisschen Mensch, das da aus den Wellen ragt, sieht schwimmbebrillt ziemlich uniform aus.
Umso auffälliger sind diejenigen, die hier nicht zielstrebig ihre Bahnen ziehen.
Da wäre das Bleienten-Duo. Die klassische Besetzung: zwei ältere Damen, die halb so schnell schwimmen wie alle anderen, dafür jedoch nebeneinander und meist mitten im Becken. Das Hindernis ist zum Glück gut zu erkennen: Steif recken die Damen ihre Hälse weit aus dem Wasser, damit die gut frisierten und einparfümierten Locken keinen Schaden nehmen.
Weitaus amüsanter anzuschauen: die nahtlos gebräunte Schönheit, die sich jeden Morgen Schaumstoff-Gamaschen um die durchtrainierten, schlanken Waden schnallt. Bojenartig steht sie dann aufrecht im Wasser und joggt mit angestrengtem Gesichtsausdruck fast auf der Stelle.
Den Vogel schießt jedoch jene Lady ab, bei der ich nicht genau weiß, ob sie zum Sporteln ins Prinzenbad gekommen ist, oder nur, um am frühen Morgen die Herren ein wenig aufzumischen. Oben ohne stolziert sie am Beckrand entlang, hüpft höchstens mal kurz ins Becken, um sich dann mit einer gut einstudierten lasziven Bewegung wieder aus dem Wasser zu stemmen, und legt schließlich ein Laken direkt neben das Schwimmbecken, auf dem sie dann Sit-Ups macht.
Nein, langweilig wird es wirklich nicht, morgens im Freibad.

 

Der Unterschied zwischen Beck’s und Beck’s Gold

Äußerst intime und freundliche Lokalität für einen entspannten Drink: die Minibar in der Gräfestraße (Kreuzberg). Im Sommer sitzen die Leute draußen zwischen Jugendstilfassaden, bei schlechtem Wetter geht’s rein in die gute Stube und die ist wirklich mini. Um die Theke herum hat nur eine handvoll Leute Platz und weil’s so kuschelig ist, nimmt man, oft unfreiwillig, an den Gesprächen anderer teil. Neulich diskutierten Zwei mal wieder das abgedroschene Streitthema: „Beck’s Gold ist ein Mädchenbier! “ Daraufhin inszenierte der Barkeeper einen spontanen Beck’s-Test, an dem gleich alle begeistert teilnahmen. Und der ging so:
Barkeeper gießt Beck’s (das grüne Original) und Beck’s Gold in zwei Gläser.
Gast kostet, ohne zu wissen, welches welches ist.
Gast versucht, Beck’s Gold am Geschmack zu erkennen.
Das verblüffende Ergebnis: Geht nicht! Die Tester waren sich einig, dass beide Biere genau gleich schmecken.
Vielleicht waren das jetzt alles Menschlein, deren Zungen vom vielen Rauchen und scharfes Essen Essen unter Geschmacksknospenverödung litten. Aber wenn’s mal wieder darum geht, dass echte Männer niemals Beck’s Gold trinken würden, muss ich jedes Mal schmunzeln.
Jetzt warte ich natürlich gespannt auf Ihre Testberichte: Kann man die beiden Biere am Geschmack unterscheiden, oder nicht? Aber nicht schummeln!

 

Frisch in den Tag starten

Alle ächzen unter der Hitze, beklagen Kreislaufprobleme und Mattigkeit. Ich sage: Auf zum Frühschwimmen! Frischer kann man gar nicht in den Tag starten! Viele Berliner Freibäder öffnen schon um 7:00 Uhr (manche allerdings auch erst um 8:00), das reicht für ein paar Bahnen vor der Arbeit. Das Frühschwimmen (zwei Stunden ab Öffnung) kostet übrigens nur 2 statt sonst 4 Euro Eintritt.

Passendes Freibad suchen: www.berlinerbaederbetriebe.de

 

„Eine mitnehmen?!“

Die Karawane der Probeabo-Aufschwätzer macht mit Vorliebe vor Unis und Bibliotheken halt. So auch vor der Amerika-Gedenk-Bibliothek. Tag für Tag stecken hier die Promo-Teams ihre Claims ab, bauen große Stände auf, entfalten Sonnenschirme, auf denen schon von Weitem gut lesbar die Namen namhafter Zeitungen prangen.
Ein Stück weiter, strategisch günstig mitten auf dem Weg postiert, ein etwa 50-jähriger Mann ohne Stand und Schirm. Sein kariertes Hemd steckt in einer ausgebeulten Jeans, an der Gürtelschlaufe baumelt ein Schlüsselbund am Karabinerhaken, im Arm hält er einige zusammengefaltete Zeitungen. „Neues Deutschland“ ist darauf gerade so zu entziffern. „Eine mitnehmen?!“, knurrt er im Stakkato-Deutsch die Vorbeieilenden an. Natürlich bleibt keiner stehen, um sich noch ein bisschen mehr anknurren zu lassen. Könnte natürlich auch am „Neuen Deutschland“ liegen. „Endet automatisch!“, versucht der Maulfaule von Zeit zu Zeit eine neue Masche. Wie ein gratis verteiltes Probeexemplar automatisch enden kann, versteht allerdings wohl nur er.

 

Feuchter Rock’n‘Roll

1994 habe ich die Rolling Stones am Hockenheimring gesehen. Ich war blutjung und der festen Überzeugung: Das ist die letzte Chance, diese Legende live zu erleben! Auf keinen Fall verpassen! Damals konnte ich auch live erleben, wie Mick Jagger der Backgroundsängerin, die etwa in meinem Alter war, minutenlang die Zunge in den Hals steckte. Hätte ich geahnt, dass die alten Herren auch 2006 noch auf der Bühne stehen, ich hätte mir das wohl erspart.

Rolling Stones: 21.7., 20 Uhr, Olympiastadion. Es gibt noch ausreichend Karten, die kosten allerdings zwischen 75 und 180 Euro.

 

Die beste Gazpacho Berlins…

… gibt es derzeit bei Soupkultur (clic!). Für Andalusien-Nichtkenner: Gazpacho ist eine eiskalt genossene, andalusische Suppe, die man erhält, wenn man gehäutete Tomaten, Gurken, Paprika, Zwiebeln, Knoblauch, eingeweichtes Weißbrot und Gemüse- oder Hühnerbrühe in einen Topf wirft, püriert und sehr fein mit Pfeffer, Salz und einem kleinen Schuss Essig abschmeckt und einige Stunden lang in den Kühlschrank stellt. Nichts ist im Sommer erfrischender, labender, köstlicher und gesünder. Bei Soupkultur – man muss es mal so deutlich sagen – haben sie diesbezüglich wirklich den Bogen raus. Ausprobieren, so lange es noch heiß ist!

 

Wer ist denn jetzt der Proll?

Bus M29, Berlin-Wittenbergplatz. Ein mittelaltes Jogginghosenpärchen inklusive Hund (Staffhordshire-Boxer-Verschnitt) steigt ein. Hund tobt knurrend durch den Bus. Man sagt freundlich: „Könnten Sie bitte den Hund anleinen?“ Pärchen glotzt. Busfahrer, der die Szene mitbekommt, laut, über Sprechanlage: „WEM JEHÖRT DER HUND?“

Jogginghosenmann: „Mir, wieso, hapta n Problém oda wat?“
Busfahrer: „Leinen Sie Ihren Hund an, aber dalli“
Jogginghosenmann: „Uff Fresse oder wat?“
Busfahrer: „Haben Sie für den Hund bezahlt?“
Jogginghosenmann: „Beßahlt? Hörck beßahlt? Bissu schief jewickelt Alta? Biss du’n Proll oda wat?“
Busfahrer: „Hunde fahren nur umsonst mit, wenn der Hund in einer Tasche ist, ansonsten haben Sie eine Tageskarte, Zeitkarte oder Gruppentageskarte vorzuweisen“.
Jogginghosenmann: „Den Hund in ner Tasche mitnehmen? Ick glôb’t hackt!“
Busfahrer [schaltet Motor aus, öffnet Türen]: „Entweder Sie zahlen oder Sie steigen aus“
Publikum: [murrt, scharrt mit Füßen]
Jogginghosenmann: „Alta, du WILZ uff Fresse, alta du WILLZ, ja?“
Publikum: „eeh, ööh, Schnauezä, vapiss dir, mannmannmann, wär, Aerschloäch.“
Jogginhosenpaar: [zieht pöbelnd durch Vordertür ab, rotzt vernehmlich auf den Boden]
Busfahrer: [schließt Tür]

 

Drum stinke, wem Gestank gegeben.

Noch ein Berliner Geheimnis gelöst. Seit Wochen wundere ich mich darüber, dass ich immer MONTAGS auf meiner zarten, morgendlichen Farrad-Tour ins Büro im Abstand von 15-50 Metern immer wieder am Straßenrand geheimnisvolle bräunliche Pfützen sehe, die unglaublich widerwärtig vergoren-säuerlich stinken. So viel kann kein Mensch alleine erbrechen. Doch nun, endlich, des Rätsels Lösung? Das Zeug tropft aus einem Müllwagen der BSR. Immer wenn der Wagen stehenbleibt, um neuen Müll aufgeladen zu bekommen, tropft das Wurstwasser irgendwo aus diesem Wagen heraus. Langsam komme ich hinter die Geheimnisse dieser Stadt.

 

Das Geheimnis der Baumbeete

Man kennt sie aus jedem Kiez: die städtischen Bäume, gepflanzt entlang der Straßen. Nichts Besonderes, doch irgendwann fiel mir auf, dass neben manchen, wenigen Bäumen ein richtiges kleines, gepflegtes Blumenbeet zu sehen ist. Richtig mit Humusboden und hübschen Blümchen. Als nächstes fiel mir auf, dass man diese kleinen Beete fast immer in der Nähe von Gaststätten findet. Seit gestern weiß ich, warum: Ein Kneipenbesitzer erzählte mir, dass er das Beet angepflanzt hätte, weil sich auch Betrunkene Gäste seines Etablissements üblicherweise nicht trauen, die schönen Blumen zu bekotzen, und daher einen Baum weitergehen. Klug!

 

Hurensöhne bei Karstadt

Man eiert so durch die Gegend und wird vom allgemeinen Fußgängerstrom in die Karstadt-Filiale am Herrmannplatz gespült. Im Foyer, zwischen den Doppelglastüren, steht ein Promotion-Stand für eine Billig-Telefonfirma, betreut von einem sehr gut gekleideten und schnittigen Araber Anfang zwanzig. In perfektem Deutsch spricht er mich an und versorgt mich mit einem Prospekt. Ich mache meinen Einkauf bei Karstadt, gehe wieder heraus – und sehe vor dem Karstadt, wild auf und ab laufend, jenen Araber in sein Handy fluchen: „DU ARSCHLOCH! DU HURENSOHN! WENN DU NISCH BEZAHLST SCHLAG ISCH DISCH FRESSE EIN UND ZIEH DISCH VON HASENHEIDE BIS HERRMANNPLATZ AN DEINE EIER DU VERFICKTER HURENSOHN“.

Wenig später verteilte er wieder höflich lächelnd Prospekte. Die Wandlungsfähigkeit der Menschen ist immer wieder erstaunlich.