Normalerweise entstehen neue Inseln, wenn Unterwasservulkane große Mengen Magma aus den Tiefen der Erde schleudern und das Gestein über der Meeresoberfläche hart wird. Hawaii inmitten des Pazifischen Ozeans ist so entstanden, die Kanarischen Inseln im Atlantik ebenso.
Was sich aber derzeit im Südchinesischen Meer abspielt, hat mit vulkanischen Aktivitäten nichts zu tun. Vielmehr sind es Dutzende mit Baggern beladene Frachter aus China, die seit Monaten Tonnen von Sand und Schutt auf Korallenriffe kippen, den Schutt mit Beton befestigen und damit neue Inseln schaffen.
Satellitenaufnahmen der US-Denkfabrik Centre for Strategic and International Studies zeigen gigantische Aufschüttungen rund um die Spratly genannten Riffe und Sandbänke unweit der philippinischen Küste im Südchinesischen Meer. Von mehr als 200 Hektar Landgewinnung ist die Rede. US-Flottenadmiral Harry Harris wies Anfang März darauf hin, dass China im Südchinesischen Meer regelrecht eine „Große Mauer aus Sand“ errichte.
Dieselbe US-Denkfabrik hat allerdings auch Aufnahmen, auf denen zu sehen ist, dass der US-Verbündete Vietnam ebenfalls auf diese Weise vorgeht. Die Vietnamesen sollen bislang eine Fläche von rund acht Hektar aufgeschüttet haben. Von den neu geschaffenen Inseln wollen beide Länder künftig jeweils rund 50 Seemeilen als ihr Territorium reklamieren.
Die Führung in Peking ringt seit Jahren mit seinen Nachbarn um die Hoheit über die Region. China beansprucht fast das gesamte Südchinesische Meer. Vietnam, Taiwan, Malaysia, Brunei und die Philippinen erheben Anspruch auf die Riffe und Sandbänke, von denen die meisten unbewohnbar sind. Im umliegenden Gewässer werden gigantische Erdöl- und Erdgasvorkommen vermutet. Die US-Energieinformationsbehörde geht von bis zu 213 Milliarden Barrel Erdöl aus. Das würde einem Drittel aller weltweit bekannten Vorkommen entsprechen.
Zudem ist das Meer die kürzeste Route zwischen dem Indischen Ozean und dem Pazifik und hat sich im Zuge der rasanten Wirtschaftsentwicklung Indiens, Chinas und Südostasiens zur am meisten befahrenen Seehandelsroute der Welt entwickelt. Über die Hälfte des weltweiten Tankverkehrs passieren das Südchinesische Meer. Auch der Handel zwischen Europa und Ostasien verläuft zum größten Teil über diesen Weg.
Die chinesische Führung führt ihren Anspruch auf das Südchinesische Meer auf historische Gründe zurück. In der Ming-Dynastie zwischen dem 14. und 17. Jahrhundert und auch später in der Qing-Dynastie kontrollierte China zeitweise die Meere bis hinab nach Indonesien. Heute sind nur sieben Spratly-Inseln tatsächlich im chinesischen Besitz. 27 Riffe kontrolliert Vietnam. Die Philippinen herrschen über neun, Malaysia herrscht über fünf und Taiwan über eine. Mehrfach ist es zu gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen Fischereiflotten der jeweiligen Länder gekommen.
Mit den jüngsten Aufschüttungen will Peking seinen Machtanspruch auf die gesamte Region bekräftigen. Auf der Spratly-Insel Yongxiang ist China bereits seit knapp zwei Jahren dabei, eine Stadt zu errichten, inklusive Werften und einer Landebahn für Flugzeuge. Sie trägt den Namen Sansha und zählt chinesischen Staatsmedien zufolge bereits mehr als 3.000 Einwohner. Auch mit der Förderung von Erdgas hat die chinesische Führung angeblich schon begonnen.
Neben Vietnam fühlen sich vor allem auch die Philippinen von China bedroht. Anders als Vietnam rüstet die Regierung in Manila zwar nicht militärisch auf. Dafür fehlen ihr die finanziellen Mittel. Sie hat stattdessen 2013 das Ständige Schiedsgericht in Den Haag eingeschaltet. Mit einem Urteil wird Anfang kommenden Jahres gerechnet. Die chinesische Führung hat vorab bereits erklärt, dass sie das Verfahren nicht anerkennen werde und insofern auch nicht das Urteil.