Das Plakatprojekt WERT/SACHE verteilt gute Kunst an wache Beobachter.
Die Kuratorin Anna-Catharina Gebbers hat für das Gallery Weekend leer stehende Räume im ehemaligen Tagesspiegel-Areal bezogen. An der Potsdamer Straße veranstaltet sie das demokratische Gegenprogramm zum kommerziellen Massen-Event. Ihr Plakatprojekt WERT/SACHE ist nicht einfach eine weitere Ausstellung unter unzähligen anderen. Gebbers will, dass sich ihre Besucher mit der Kunst auseinandersetzen: Jeder darf sich eines der zehn Plakate aussuchen und seine persönliche Wertsache mit nach Hause nehmen. Weiter„Die Zukunft der Kuration liegt im Mitmachen“
Mittlerweile reicht eine Mittagspause zwar nicht mehr, um sich einen Überblick über das Kunstgeschehen im Grenzbereich von Tiergarten und Schöneberg zu verschaffen. Aber ein paar flüchtige Momentaufnahmen gehen immer.
Während gestern die ersten Sammler durch die Stadt tigerten, befanden sich die Galerien in den letzten Vorbereitungen, justierten die Hängung und richteten das Licht aus. Noch ging es in den Galerien in und um das ehemalige Tagesspiegel-Gebäude entspannt zu. Weiter„Erste Eindrücke von der Potsdamer Straße“
Die französische Künstlerin Agathe Fleury hat in Berlin mit einer ganz schön starken Einzelausstellung debütiert. Von den schwarzen Siebdrucken auf dunklem Grund über die Videoarbeit Dilemma bis hin zu den raffinierten Skulpturen – auf den ersten Blick zeichnet die Exponate kühle Präzision aus. Erst bei näherer Betrachtung zeigt sich die Zerbrechlichkeit, die im Titel La Division de Cassini mitschwingt. Denn Fleury spannt Münzen zu Bögen, türmt Luftgewehr-Kugeln zu Pyramiden oder zerstanzt Baustangen bis zum Funktionsverlust. Immer schwebt der drohende Zusammenbruch über den Objekten, die Anspannung ist buchstäblich greifbar.
17 Uhr | 25. April 2011 | Kwadrat | Adalbertstraße 20 | Berlin Kreuzberg
Die Akademie der Künste präsentiert eine Carlfriedrich Claus Werkschau.
Das Osterwochenende mag nicht der perfekte Zeitpunkt für Ausstellungsbesuche in Berlin sein. Aber die MoMA-Ausstellung im Gropius-Bau sollte zumindest die größten Besucherströme absorbieren. Interessant ist die vor allem, wenn man die Kombination aus Zeichnungen und Körperkontakt schätzt. Von beidem bietet die Kompass-Ausstellung reichlich – und bei freier Sicht sind durchaus spannende Exponate darunter.
Umso mehr Platz sollte in der Akademie der Künste bleiben, um sich in die wunderlichen Arbeiten von Carlfriedrich Claus (1930-1998) zu vertiefen. Die Ausstellung Geschrieben im Nachtmeer umfasst 250 Exponate des Autodidakten aus Sachsen. Bemerkenswerter Weise befinden sich darunter experimentelle Fotografien und Audioarbeiten sowie die Rekonstruktion eines Lautprozess-Raumes, in dem der Besucher durch seine Bewegung verschiedene Geräuschfolgen auslöst.
Im Zentrum der Werkschau stehen Claus‘ Sprachblätter, verworrene Fantasielandschaften aus Buchstaben. Die Textbilder greifen mal theoretische Überlegungen auf, mal beziehen sie sich auf das Zeitgeschehen – denn Claus war nicht nur ein eigenbrötlerischer Lautpoet, Zeichner und Sprachkünstler, sondern auch universal gebildeter »Existenz-Experimentator« findet die ZEIT. Aber um das nachzuvollziehen, braucht es eben Raum und Muße. In diesem Sinne: Danke MoMA.
täglich ab 11 Uhr – inkl. Ostermontag | Akademie der Künste | Pariser Platz 4 | Berlin Mitte
Das Label Ergodos kuratiert von nun an viermal im Jahr Klangkunst-Wochenenden im Projektraum LEAP. Ob aus Irland oder Berlin, der Fokus der vorgestellten Komponisten, Klang- und Performancekünstler liegt dabei auf musiktheoretischen Aspekten. Aber keine Angst, das liest sich verkopfter als es in der Praxis klingt.
Den Anfang macht die Komponistin Linda Buckley mit ihrer Komposition Immersia. Die ist das Leitmotiv des Wochenendes, auf das sich sowohl die heutige Performance als auch eine Soundinstallation beziehen. Letztere erstreckt sich über zwei Räume und beinhaltet eine Blackbox, wo sich das Publikum von einem Loop aus Video- und Audiobeiträgen einlullen lassen kann. Und zur Eröffnung trägt Michelle O’Rourk Stücke für Gesang und Elektronik vor.
Österlich ist das nicht gerade, aber Bach kommt trotzdem vor…
20 Uhr | 22. April 2011 | LEAP | Karl Liebknecht Straße 13 | Berlin Mitte
Nachdem die letzte Ausstellung buchstäblich ins Wasser fiel, kann heute gar nichts mehr schiefgehen – oder gibt’s was Verlockenderes als mit Kunst im Freien ins verlängerte Wochenende zu starten?
Zur vierten Eröffnung der Kleingarten-AusstellungsserieStay Hungrypräsentieren die Kuratoren Theo Ligthart and Anna Redeker works in progress, unter anderem von den Künstlern Stella Geppert, Bernd Trasberger und Simon Wachsmuth. Die Arbeiten beziehen sich wie gehabt auf den besonderen stadträumlichen Kontext; sozusagen als Anti-Modell zur Kunst im öffentlichen Raum.
Um neun nimmt die Kontemplation von Stay Hungry ein jähes Ende. Dann brechen die Kuratoren Emilie Trice und Carson Chan mit A Moveable Feast in die Schrebergarten-Kunstidylle. Dabei handelt es sich um ein kuratiertes Durcheinander an Kunstperformances, Musikdarbietungen und Installationen von Musikern, Künstlern und jetzt das Beste: kreativen Umweltaktivisten. Zu dem Chaos tragen neben vielen anderen bei Manon Awst & Benjamin Walther, Santiago TaccettiCaBoume oder Iku Sakan.
21 Uhr | 21. April 2011 | POG Kleingärten am Gleisdreieck | Zugang Bülowstraße / Dennewitzstraße | Berlin Kreuzberg
P.S. Es war ein grandioser Abend: einfallsreiche Performances und gute Arbeiten in einem außergewöhnlichen Setting.
Auf dem ehemaligen Tagesspiegel-Gelände eröffnet nun auch die Galerie Thomas Fischer – mit einer Ausstellung über Zielscheiben.
Bisher arbeitete Thomas Fischer für die Sammlung Hoffmann, betrieb mit einigen anderen Mitarbeitern den Projektraum Souterrain in den Sophie-Gips-Höfen und machte die obligatorischen freien Projekte. Jetzt eröffnet er im Hinterhof des Tagesspiegel-Gebäudes seine eigene Galerie.
Malerei sei bisher keine geplant, erklärt Fischer. Ansonsten solle sich das Programm auf junge zeitgenössische Kunst konzentrieren – durchbrochen von älteren Positionen. (Nächstes Jahr will er Arbeiten des Rheinländers Joachim Bandau aus den Siebzigern zeigen.)
Zum Auftakt präsentiert die Galerie The Direct Matching Hypothesis mitZeichnungen sowie eine Dia-Installation der französischen Künstlerin Laetitia Gendre. Sie hat sich eingehend mit den Bildern auf Zielscheiben beschäftigt: Gendre recherchierte in Schützenvereinen und Sportschießanlagen.
18 Uhr | 15. April 2011 | Galerie Thomas Fischer | Potsdamer Straße 77-87 (Haus H) | Berlin Schöneberg
Die Kuratoren Emilie Trice und Aaron Moulton eröffnen heute zwei Ausstellungen, die kaum weiter voneinander entfernt liegen könnten, nämlich Nouveau Art Nouveau im Tape Club hinterm Hamburger Bahnhof und A Painting Show im Autocenter in Friedrichshain. Das Problem an der Sache? Beide Shows zeigen ziemlich gute, junge Positionen.
Nouveau Art Nouveau präsentiert zwanzig Künstler, deren Arbeiten in irgendeiner Weise Elemente aus dem Jugendstil weiter entwickeln. Und A Painting Show? Bis auf die Künstlerliste mit über vierzig Namen hält sich Moulton bedeckt…
19 Uhr| 15. April 2011 | Tape Club | Heidestrasse 14 | Berlin Mitte
20 Uhr | 15. April 2011 | Autocenter | Eldenaer Strasse 34 a (via James-Hobrecht-Straße) | Berlin Friedrichshain