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Anti-Fernweh-Ausstellung in den Kunst-Werken

Eva-Maria Wilde kuratiert die fünfte Vorderhaus-Schau der Ausstellungsserie KW69.

Für die Ausstellung Nach Abschluss der Reise hat die Künstlerin Eva-Maria Wilde Arbeiten zusammengestellt von zehn jungen Kolleginnen, darunter auch Haegue Yang und Corinne Wasmuht. Alle Skulpturen, Collagen, Siebdrucke und Malereien entstanden in deren Ateliers in Berlin und Leipzig als Reaktion auf jüngst unternommene Entdeckungsreisen. Ihnen stellt Wilde die gezeichneten Fantasiereisen von Romane Holderried Kaesdorf gegenüber.

Um 18 Uhr, also vor der offiziellen Eröffnung, hält die Künstler-Kuratorin übrigens den Vortrag Usbekistan. (Anmeldungen nehmen die KW entgegen unter: bw@kw-berlin.de.)

19 Uhr | 13. April 2011 | KW Institute for Contemporary Art | Auguststraße 69 | Berlin Mitte

 

Und noch ’ne Dependance

Rebecca Ann Tess, Hidden Angst, 2011 © Courtesy Figge von Rosen, Köln

Am Wochenende eröffnet die Kölner Galerie Figge von Rosen neue Räume in Berlin. Natürlich zieht es auch sie an die Potsdamer Straße.

Ihre Ausstellungsräume weihen Philipp Figge und Philipp von Rosen ein mit einer Einzelausstellung der Künstlerin Rebecca Ann Tess. Die Arbeiten von A crime must be committed setzen sich mit der euroamerikanischen Filmgeschichte auseinander, der Entwicklung der Filmcharaktere und den unterschwelligen Ängsten, die die Filmbilder transportieren.

Während die titelgebende Videoinstallation A Crime must be Committed (2010) genretypische Szenen aus Ganster- und Detektivfilmen variiert, greifen die auf Acrylglas gedruckten Bilder jeweils Szenen und Figuren auf, in denen sich die Ängste des weißen, männlichen Zuschauers ausdrücken. Das ist verkopft, dabei interessant und formal ganz spannend.

19 Uhr | 02. April 2011 | Figge von Rosen Galerie Berlin | Potsdamer Straße 98 | Berlin Schöneberg

 

Entdeckt

Beny Wagner, Rabbit, Rabbit, White Rabbit (Still), 2011 © Beny Wagner

Das Ausstellungsprojekt Part-Time Pioneer präsentiert den Künstler Beny Wagner.

Der deutsch-amerikanisch-israelische Künstler Beny Wagner (*1985) hat für die Ausstellung im Lichthof der Humboldt Universität drei neue Arbeiten produziert. Ausgehend von Humboldt und dem Geist des Pioniers beschäftigte er sich darin mit der Erwartungshaltung des Entdeckenden. Das Resultat sind ein Künstlerbuch zu einem Besuch Obamas in Israel, einen Film über eine erfolglose Hasenjagd sowie eine Papierinstallation. Nachdem die letzten Ausstellungen im Lichthof ziemlich gut waren, könnte sich ein Abstecher zur Eröffnung lohnen. Mut zum Abenteuer, und so.

19 Uhr | 31. März 2011 | Lichthof der Humboldt-Universität | Unter den Linden 6 | Berlin Mitte

 

Am Fuß der Bierpyramide

Cyprien Gaillard, The Recovery of Discovery (Installationsansicht Kunst-Werke), 2011 © NH/Filter

Unverschämt oder grandios – Cyprien Gaillard spaltet mit The Recovery of Discovery die Geister.

Selten standen so schnell derart viele Bilder von einer Eröffnung auf Facebook. Aber es war auch die gesamte Berliner Kunst- und Hipsterszene in den Kunst-Werken. Sie standen um oder saßen auf 72.000 Flaschen Efes und bedienten sich aus den Kartons, die Gaillard zu einer Pyramide hatte stapeln lassen. Der Künstler und seine Crew betrachteten das Geschehen vom Gipfel dieser Pyramide, während sich unten am Bierhaufen der Vernissagen-Plebs drängte. Gemein hatten sie lediglich das Bier in der Hand und die Gewissheit, Teil einer Installation zu sein.

Diese sorgte für hitzige Debatten: Die einen fanden die Arbeit zynisch, dreist und prätentiös, die anderen direkt, intelligent und konsequent. Am Ende gab es zwar keinen Konsens darüber, ob es Gaillard tatsächlich um eine kritische Auseinandersetzung mit der Dekonstruktion von Monumenten geht oder einfach das Vorführen der Berlin-Mitte-Kulturszene.

 

Decay in progress

Die Kunst-Werke holen sich Cyprien Gaillard ins Haus.

Noch darf keiner wissen, was der Künstler für die Eröffnung ausheckt. In jedem Fall zeigen die Kunst-Werke mit The Recovery of Discovery bereits die dritte spannende Einzelausstellung in Folge. Denn auf Renata Lucas und Absalon folgt der französische Künstler Cyprien Gaillard (*1980), ein Experte in Sachen Zerstören und Bewahren.

Ob er Gebäudesprengungen filmt oder dystopische Stadtlandschaften fotografiert, Gaillard gewinnt noch den absurdesten Szenerien derart viel Schönheit ab, dass es schwer fällt, seine Arbeiten nicht faszinierend zu finden.

In den letzten beiden Jahren hat Gaillard für viel Aufsehen gesorgt. Vor allem seine Filme und Fotoarbeiten waren omnipräsent. In seiner Einzelausstellung kommen auch seinen Skulpturen und Performances große Bedeutung zu. So präsentiert Gaillard eine großformatige skulpturale Installation, mit der er die Form des Denkmals dekonstruieren will. Die Besucher sollen sich mit der Funktion des Monuments auseinandersetzen und mit der Frage, was dessen Zerstörung für das Bewahren der Erinnerung bedeutet.

Dieser Prozess scheint lange zu dauern, denn die Eröffnung geht diesmal bis zwei Uhr früh – so bleibt auch noch genug Zeit für andere spannende Ausstellungen, wie die der fanzösischen Künstlerin Agathe Fleury bei Kwadrat oder The Moving Object im Kunstraum Essays & Observations. Es reicht sogar für die Apparatjik-Performance in der Neuen Nationalgalerie.

17 Uhr | 26. März 2011 | KW Institute for Contemporary Art | Auguststraße 69 | Berlin Mitte

 

Land Art in der Museumshalle

Richard Long, Berlin Circle, Installationsansicht © bpk / Nationalgalerie im Hamburger Bahnhof - Museum für Gegenwart Berlin, SMB, VG Bild-Kunst, Bonn 2011, Foto: Thomas Bruns

Der Hamburger Bahnhof zeigt Arbeiten der Land Art sowie ihren britischen Protagonisten Richard Long.

Nach den Rentieren der Matschkreis. Der Hamburger Bahnhof gibt sich weiter naturverbunden und eröffnet die Ausstellungen Land Art sowie Berlin Circle mit Arbeiten des Briten Richard Long. Die Künstler der sogenannten Land-Art arbeiten mit und in der Natur; die Arbeiten entstehen typischerweise im Außenraum. Geprägt haben die Land Art in den späten 1960er Jahren einzelne Künstler. Sie reagierten damit kritisch auf die im kommerziellen und institutionellen Kunstbetrieb gängigen Arbeiten.

Die Ausstellung Land Art zeigt die Bandbreite der skulpturalen Umsetzungen in der Land Art, von den Erdaushebungen bei Michael Heizer über die verwitternden Betonröhren bei Nancy Holt bis zu den Wanderung bei Hamish Fulton.

Im Gegensatz zu anderen Land Art-Künstlern greifen die Werke von Richard Long nicht radikal in die Natur ein. Der Künstler arbeitet vielmehr mit dem, was er darin vorfindet. Seit über 40 Jahren streift Long systematisch durch Landschaften, hinterlässt Spuren wie Kreise aus Stein oder Linien aus Holz. Im Hamburger Bahnhof ist seine Schlüsselarbeit zu sehen: A Line Made by Walking (1967). Es ist eine Spur im Rasen, die der Künstler getrampelt und anschließend fotografisch dokumentiert hat. Das Herzstück seiner Einzelausstellung in der historischen Halle des Hamburger Bahnhofs bildet Longs Bodenarbeit Berlin Circle. Den zwölf Meter durchmessenden Steinkreis hatte der Künstler erstmals zur Eröffnung des Museums 1996 installiert.

20 Uhr | 25. März 2011Hamburger Bahnhof | Invalidenstraße 50-51 | Berlin Mitte

 

Kampf der Kuratoren

© Grimmuseum

Wer macht die bessere Ausstellung? Im Grimmuseum kämpfen die Kuratoren Aaron Moulton und Carson Chan um die Gunst des Publikums.

Das Prinzip des Curators Battle ist einfach: Zwei Kuratoren stellen jeweils mit den gleichen Künstlern eine Ausstellung zusammen. Die Besucher entscheiden, wer den besseren Job gemacht hat.

Aaron Moulton hat vier Künstler vorgeschlagen, mit denen er schon in seiner Galerie Feinkost gearbeitet hat, nämlich Marco Bruzzone, Benja Sachau, Ignacio Uriarte und Jorinde Voigt. Carson Chan, der Co-Gründer von Program, hat sich für die Künstler Constant Dullaart, Kinga Kielczynska, Darri Lorenzen sowie Timur Si-Qin entschieden. (Mehr zu ihren Beweggründen gibt’s im Interview mit PIG’s.)

Beide Kuratoren haben eine Gruppenausstellung mit allen acht Auserwählten zusammengestellt – Titel, Konzept, Text und Installationsanleitung inklusive. Und niemand außer den zweien weiß, wer der Urheber welcher Schau ist. Am Ende des Abends wird der Name des Gewinners bekannt gegeben.

Was daran spannend ist? Zum einen sind Moulton und Chan verdammt gute Kuratoren. Zum zweiten haben beide interessante Künstler ausgesucht. Und zum dritten wird es voll, laut und lustig.

19 Uhr | 19. März 2011 | Grimmuseum | Fichtestraße 2 | Berlin Kreuzberg

 

Von wegen selbsterklärend

Andreas Zybach, o.T., 2011 © Foto: Roman März, Courtesy Galerie Johann König

Am Samstag gibt’s viel Konzept und Referenzen zu sehen.

Wie jedes Wochenende kommt viel neue Kunst in die hiesigen Galerien. Interessanterweise eröffnen aber gleich drei Einzelausstellungen mit Künstlern, deren Arbeiten mit mehr oder weniger komplexen Bezügen operieren.

Anlässlich seiner Einzelausstellung Carve out a Space of Intimacy spricht der amerikanische Künstler und Musiker Stephen Prina in der Galerie Capitain Petzel über seine Arbeitsweise. Prina verwendet stets ein dichtes Referenzsystem; seine Werke greifen Motive und Themen aus Kunst, Musik sowie Literatur oder Theorie auf.

Bei der Galerie Eigen + Art präsentiert Olaf Nicolai seine Einzelausstellung Warum Frauen gerne Stoffe kaufen, die sich gut anfühlen. Die Schau besteht aus zwei Blütenstickereien sowie einem raumfüllenden Vorhang aus gewebter Seide. Außerdem gehört dazu nicht weniger als ein ganzer Anmerkungsapparat. In sieben Kapiteln assoziert Nicolai frei über die unterschiedliche Bezüge, wie Textilindustrie, Meinungsforschung oder Studien zur taktilen Wahrnehmung von Stoffen.

In der Galerie Johann König arbeitet sich Andreas Zybach am Organismus des Baumes ab. Seine Skulpturen aus Rohren und Kompressoren, Leitungen und Ventilen sowie Luftballons erinnern nicht nur formal an Bäume. Außerdem saugen sie mittels einer elektronischen Steuerung Luft aus dem Ausstellungsraum und geben diese intervallweise an Ballons ab, die nach und nach platzen. Weiter zitieren auch die ausliegende Poster Aufrufe zur Aufforstung, um den CO2 Ausstoß zu kompensieren.

18 Uhr | 19. März 2011 | Capitain Petzel | Karl Marx Allee 45 | Berlin Friedrichshain

17 Uhr | 19. März 2011 | Galerie Eigen + Art Berlin | Auguststraße 26 | Berlin Mitte

18 Uhr | 19. März 2011 | Galerie Johann König | Dessauer Straße 6-7 | Berlin Mitte

 

Gummistiefel Kunstsafari

Die Ausstellungsreihe Stay hungry verpflanzt Gegenwartskunst in Schrebergärten.

Der Titel Stay hungry ist angelehnt an einen Bodybuilder-Film (1976) mit Arnold Schwarzenegger in der Hauptrolle. Darin retten selbstdisziplinierte Bodybuilder ihr vom Verkauf bedrohtes Fitnessstudio vor profitgeilen Finanzjongleuren. Zugleich bezieht sich der Titel auf die Geschichte der Kleingartenkolonien. Ursprünglich als Möglichkeit zur Selbstversorgung in den Städten eingeführt, sollte der Schrebergarten später Großstadtkindern die Möglichkeit zur körperlichen Ertüchtigung bieten.

Heute belächelt man Schrebergärten vor allem als kleinbürgerliche Rückzugsorte. Und genau deswegen haben die Kuratoren Theo Ligthart and Anna Redeker die Schrebergartenparzellen am Gleisdreieck als Ausstellungsfläche gewählt: Die Präsentation an diesem Nicht-Kunstort soll die Frage provozieren, inwieweit es sich beim Kunstbetrieb mittlerweile um eine ebenso „eskapistische Schrebergartenbewegung“ handelt.

Im Gegensatz zur Kunst im öffentlichen Raum, die der Individualisierung eines sonst auswechselbaren Stadtbildes dient, müssen die Künstler hier auf die Gegebenheiten der unterschiedlichen Gärten reagieren. Die mehr als 60 Parzellen sind so individuell wie ihre Besitzer, sie reichen vom Gartenzwergidyll bis zur Wildnis.

Hortus conclusus ist bereits die dritte Episode der Ausstellungsserie. Die Gruppenschau greift die antike Vorstellung eines durch Mauern von der Außenwelt abgeschlossenen Ortes auf und verweist zugleich auf die Idee eines paradiesischen Lustgartens. In einen solchen verwandeln heute Abend neun Künstler die Kleingartensiedlung.

Auch wenn es mit dem geplanten Frühlingserwachen nicht ganz geklappt hat. Für Hartgesottene dürfte der Ausflug ans Gleisdreieck eine nette Abwechslung sein. Ansonsten bleibt immer noch die Theke im Vereinsheim.

19 Uhr | 17. März 2011 |Schrebergärten am Gleisdreick | Bülowstraße Ecke Dennewitzstraße | Berlin Schöneberg

 

Entertainment-Kunst

Apparatjik © Photo: Vincent Furuholmen

Die Neue Nationalgalerie präsentiert The Apparatjik Light Space Modulator.

Das Künstlerkollektion um die Musiker Guy Berryman, Jonas Bjerre, Magne Furuholmen und Martin Terefe Apparatjik arbeitet im Grenzbereich von Kunst und Populärkultur. Die Gründer arbeiten nicht nur mit verschiedenen Künstlern oder Designern zusammen, sondern auch mit Wissenschaftlern wie Astrophysikern oder Kunsthistorikern. In der Neuen Nationalgalerie präsentiert Apparatjik nun ein Einzelprojekt, das Popkultur und Dada-Exzentrik vereint: The Apparatjik Light Space Modulator umfasst eine Installation sowie drei Konzert-Performances.

Die Installation ist eine Hommage an die visuellen Experimente von László Moholy-Nagy, insbesondere seinen Licht-Raum-Modulator (1930). Ein Kubus projiziert bewegte Bilder durch die Glashalle der Neuen Nationalgalerie bis in den Stadtraum. Im Rahmen der Ausstellung finden außerdem drei Konzerte statt, die an die Meta-Musik-Festivals anknüpfen, die in den Siebzigern in der Neuen Nationalgalerie stattfanden.

Samstagabend eröffnet die Apparatjik-Ausstellung mit einer ersten Konzert-Performance. Tickets gibt’s auf www.apparatjik.com. („please to not call museum people about tickets. / they do not have. / apparatjik at neue nationalgalerier in berlin / shurely shome mischtake…? / njet, nix, nein, no.“)

P.S.: Zum Abschluss der Ausstellung wird Apparatjik mit dem Deutschen Kammerorchester eine interaktive Komposition aufführen. Der Konzerttermin fällt auf den 125. Geburtstag Mies van der Rohes, des Architekten der Neuen Nationalgalerie; Moholy-Nagy und van der Rohe unterrichteten beide am Bauhaus.

21 Uhr | 12. März 2011 | Neue Nationalgalerie | Potsdamer Straße 50 | Berlin Schöneberg