Lesezeichen
 

Uraufführung einer Farce

© Kalle Koponen

Die Regisseurin Christin König persifliert mit Die Wohngemeinschaft eine selbstbezogene Gesellschaft.

Zum Leben zu blöde und zum Sterben zu feige: Katrina, Steffie und Julia leben jahrelang von der Außenwelt abgeschirmt in einer WG zusammen, als ihnen plötzlich das Geld ausgeht. In Anna sehen sie die Chance, ihre Hintern zu retten. Ist die bis zu ihrem 36. Lebensjahr schwanger, bekommt sie nämlich eine Million. Noch ist Anna Jungfrau und der 35. Geburtstag in vier Wochen…

Der Plot klingt nach einem Film, bei dem man im Fernsehen wegschaltet. Doch ob und was König dem Publikum zumutet, zeigt erst die Uraufführung. Immerhin gibt’s einen Mord.

20.15 Uhr | 26. Februar 2011 | Maxim Gorki Studio | Hinter dem Gießhaus 2 | Berlin Mitte

 

Auf den Ton gekommen

Johannes Weiss, o.T., 2011 © Foto: Ludger Paffrath Courtesy: Galerie Lena Brüning

Die Galerie Lena Brüning präsentiert Skulpturen von Johannes Weiss in der Nachtauslage.

Die Nachtauslage ist ein Ausstellungszyklus in den Schaufenstern der Galerie Lena Brüning. Seit Mitte Januar stellen dort junge Künstler ihrer Arbeiten aus, jeden Freitag wechselt die Auslage. Immer geht es um geometrische Skulptur, ihre Herstellungsmethoden und den vermeintlich rationalen Ansatz dahinter.

Ab heute zeigt der Berliner Künstler Johannes Weiss seine Arbeiten und die formt er neuerdings aus Ton. Bisher kannte man von Weiss nur cleane Objekte aus Holz, Epoxid und Polyester oder aber großartige Aquarelle. Sich jetzt der Technik des Töpferns zuzuwenden ist daher ein gewagter Schritt. Aber das Ergebnis fällt spannender aus, als es das Material vermuten ließe: Für seine Skulpturen formt Weiss gefundene Gegenstände ab. Anschließend stapelt er die Elemente zu abstrakten Konstruktionen, die gleichzeitig massig und instabil – auf jeden Fall aber ziemlich ungewohnt – wirken.

Wem das als Grund für einen Abstecher nicht reicht: Am 18. März endet der Zyklus mit einer zweiwöchigen Gruppenausstellung in der Galerie, wo alle teilnehmenden Künstler ihre Arbeiten noch einmal präsentieren.

ab 25. Februar 2010 | Galerie Lena Brüning | Almstadtstraße 5 | Berlin Mitte

 

Manifesto Collage

Das Manifesto der Berlinischen Galerie und der About Change Collection betrachtet die Renaissance der Collage Technik.

Wer morgen noch nichts vorhat, kann sich heute für eine Horizonterweiterung in Sachen Collage anmelden. In der Berlinischen Galerie findet nämlich das Manifesto Collage mit der About Change Collection statt. Hierfür haben immerhin gleich zwei Experten zueinander gefunden. Die Sammlung von Christiane zu Salm hat ihren Schwerpunkt im Bereich der Collage, als Schnittpunkt verschiedener Realitäten, Gattungen und Medien. Das Landesmuseum für Moderne Kunst, Fotografie und Architektur besitzt neben wichtigen Werken von Dadaisten, Fluxus-Künstlern und Neo-Dadaisten auch viele aktuelle Arbeiten, die die Prinzipien von Montage und Collage weiterführen.

Das Manifesto Collage betrachtet das aktuelle Vorkommen einer Darstellungsform, die die klassische Moderne geprägt hat. Denn die Collage, als Ensemble unvereinbarer Bruchstücke, bestimmt nicht nur mehr denn je unsere Gegenwart. (Wir geben uns multikulturell, sind Experten im Sampling und leben in Patchwork-Familien.) Das Collagieren hat auch derzeit in der zeitgenössischen Kunst wieder Konjunktur.

Im Rahmen des Manifesto beschäftigen sich mit dem Phänomen Forscher wie Horst Bredekamp oder Cornelius Borck sowie Künstler wie Martha Rosler. Sie diskutieren die Technik der Collage in Musik, Literatur und Bildender Kunst und sprechen über Wahrnehmungs- bzw. Wissenscollagen und Körpertechniken. Und das wird speziell, aber sicherlich gut.

10 Uhr | 25. Februar 2011 | Berlinische Galerie | Alte Jakobstraße 124-128 | Berlin Mitte

 

Theaterwahnsinn

Lärm ist das Geräusch der Anderen © Promo

Das Theaterfestival 100° feiert das Freie Theater.

Bereits zum achten Mal stürzt das Festival Berlin ins Theaterchaos. Diesmal bespielen über 120 freie Theatergruppen vier Tage lang das HAU und die Sophiensaele.

Im Mittelpunkt dieses Marathons aus Theaterstücken, Performances, Musik, Kunst und Party stehen die Darbietungen, die im Stundentakt aufeinander folgen. Aber auch sonst gibt es Einiges zu sehen, hören oder spielen: Von den partizipativen Installationen von Olafur Eliassons Institut für Raumexperimente rund ums HAU, über das Videoartcar von Jan van Loh in der Großbeerenstraße und Hörstücke im kostenlosen Festival-Shuttle bis hin zur Sneak Prelude mit medientheatralen Streetgames in lebensechter Grafik von MachinaeX.

Aber zum Wesentlichen, dem Freien Theater: Im Grunde dürfen alle Teilnehmer machen, was sie wollen. Nur länger als eine Stunde darf ihre Inszenierung nicht dauern. Am Sonntag kürt dann eine Fachjury fünf Sieger und das Publikum zwei Lieblinge. Hier schon mal ein paar (skurrile) Highlights:

Küss mich, Freiwillige Selbstkontrolle (22 Uhr | Donnerstag | HAU 3) von Schlicht und Einfach unternimmt ausgehend vom Urvater des Filmkusses The Kiss (1896) einen Streifzug durch die Inszenierung der Intimität. Luhmann lässt grüßen. Ernst Busch-Studenten deklamieren in Lärm ist das Geräusch der Anderen (23 Uhr | Do | HAU 2) zwei trostlosen Gestalten (schwanger/krebskrank) einen richtig guten Tag.

Bei Kann ich deinen Diskurs mal in den Mund nehmen? Geborgenheit üben reloaded (21 Uhr | Do | Sophiensaele) vermeidet Malte Schlösser kitsch-anthropozentrische Theater-Laberei. Und die International Chicken Factory präsentiert eine hochbrutale Pornoversion vom Sommernachtstraum (23 Uhr | Sa | HAU 1).

Im Skype Duet (22 Uhr | Sa | HAU 2) sinnieren New York und Berlin über Einsamkeit und computervermittelte Kommunikation. Für Google Translate (23 Uhr | Sa | Hau 2) spielen sich die israelischen Performerinnen Hila Golan und Ariel Nil Levy durch einen deutschen beziehungsweise google-deutschen Theaterabend.

Das Stück S.A.V.E. (18-24 Uhr | Sa | Sophiensæle) dauert nur fünfzehn Minuten und richtet sich  jeweils an einen mutigen Teilnehmer. Der muss beweisen, wie weit er für die Rettung Berlins gehen würde. Und zwar nicht nur hypothetisch. Immerhin zehn Zuschauer durchleben bei Under Pressure (19.30-21.30 Uhr | So | HAU 1) von de la Brioskee gemeinsam einen betreuten Tiefsee-Extrem-Kapsel-Terror.

Und das ist nur ein kleiner Ausschnitt aus dem fünfzigseitigen Programm (gibt’s hier). Eine Festivalzeitung gibt’s auch, außerdem blogt 100°.

Wem das Alles zu viel ist: Am 19. und 20. April präsentieren die Gewinner ihre Arbeiten ganz entspannt beim Best of 100°.

19, 18 & 16 Uhr | 24.-27. Februar  2011 | Sophiensaele und Hebbel am Ufer | Sophienstraße 18 & Stresemannstraße 29 / Hallesches Ufer 32 / Tempelhofer Ufer 10 | Berlin Mitte & Berlin Kreuzberg

 

Kriminelle Machenschaften auf der Hinterbühne

Regie | Kamera: Daniel Josefsohn
Postproduktion: triggerhappyproductions

Die Schauspielerin und Regisseurin Carolin Mylord inszeniert die Politsoap Kuba Beach – Auch Reiche müssen weinen.

Der „Krimi-Blues“ erzählt die von Missverständnissen geprägte Begegnung zweier Staaten: Ein vermeintliches Attentat ruft amerikanische und kubanische Ermittler auf den Plan. Deren Untersuchungen zeigen vor allem, wie schlecht es um Amerika bestellt steht, wie fest Kuba an die Wiedergeburt glaubt – und was für ein gutes Geschäft die Mafia bei all dem macht.

Das passiert: 2013 explodiert auf dem Flughafen von Miami eine Privatmaschine mit Floridas bekanntestem Bauunternehmer Leland Loyd und der jungen Angela Fernandez an Bord. Die Spuren führen nach Kuba, denn seit der Grenzöffnung florieren Geldwäsche und Drogenhandel zwischen Miami und Havanna. Daher nimmt nicht nur der FBI-Beamte Chet Desmond die Ermittlung auf, sondern auch der kubanische Drogendezernent und Funktionär Javier Rodriguez interessiert sich für den Fall. Was er nicht weiß: Seine Frau Maria führt ein Doppelleben. Sie verkehrte mit der toten Angela im kriminellen Milieu von Havanna, das ihr Mann so eifrig bekämpft. Und während in Havanna Desmond, Rodriguez, die amerikanische Staatsanwältin Briggs und Sheriff Stanley aneinander vorbei kommunizieren, wickeln Wirtschaftskriminelle unbekümmert ihre Geschäfte ab – Mord inklusive. Es könnte also durchaus unterhaltsam werden.

19.30 Uhr | 23. & 25. Februar 2011 | Volksbühne | Linienstraße | Berlin Mitte

 

Es gibt Nachwuchs

Die UDK-Meisterschüler präsentieren ihre Abschlussarbeiten bei LEAP.

Mit dem Lab for Electronic Art and Perfomance, kurz LEAP, hat wieder ein neuer Kunstraum in Mitte geöffnet. Natürlich will auch er das klassische Ausstellungsformat sprengen – mit einem Fokus auf die räumliche Beziehung von Kunstwerk, Raum und Umgebung. Außerdem soll hier experimentiert und geforscht werden.

Los geht’s dennoch mit einer klassischen Ausstellung. Die UdK-Meisterschüler aus dem Bereich Kunst und Medien – Kommilitonen des LEAP-Mitgründers Daniel Franke – präsentieren bei LEAP ihre Abschlussarbeiten.

Franke hat übrigens die Spatial Sound Scultpure mitentwickelt, vor der die Transmediale-Besucher im HKW Schlange standen. Wie sein Partner Kai Kreuzmüller ist er Teil des Design- und Medienkunstkollektivs We are Chopchop. Außerdem steht hinter LEAP noch John McKiernan, bekannt für seine kuratorische Tätigkeit am HBC.

Die Abschlussarbeiten von Franke & Co. sind die ganze Woche zu sehen und dürften in Verbindung mit dem Raum einen Abstecher wert sein. Zur Eröffnung der Ausstellung spricht heute Joachim Sauter, UdK-Professor für Gestaltung mit digitalen Medien und Mitgründer von ART+COM.

20 Uhr | 22. Februar 2011 | LEAP | Karl-Liebknecht-Straße | Berlin Mitte

 

Berlins vergessene Mitte

Arwed Messmer, Großer Jüdenhof, 2009 © Stadtmuseum Berlin

Die Podiumsdiskussion Urbanität und Alt-Berlin – Die Zukunft der Berliner Altstadt sucht nach städtebaulichen Perspektiven.

Kriegszerstörungen und DDR-Stadtplanung haben im historischen Kern um die St. Marien- und die Nikolaikirche ganze Arbeit geleistet: Das Areal ums Rote Rathaus ist an Tristesse kaum zu überbieten und das Nikolai-Viertel stellt einen grotesken Fremdkörper in Mitte dar. Auf Initiative des für historische Urbanistik zuständigen Center for Metropolitan Studies der TU Berlin beschäftigen sich jetzt Experten mit einer möglichen urbanen Zukunft des Altstadtgebiets.

Heute leitet der Tagesspiegel-Chefredakteur Lorenz Maroldt eine Diskussion zwischen den Architekturhistorikern Jörn Düwel und Celina Kress, dem ehemaligen Chef der Bundesbaubehörde Florian Mausbach sowie den Architekten Ivan Reimann und Henning Thomsen. (Reimanns Architekturbüro Müller Reiman Architekten hat das Innenministerium und den Erweiterungsbau des Auswärtigen Amtes geplant. Thomsen konzentriert sich bei gehlarchitects auf nachhaltige Innenstadtentwicklung.) Sie debattieren über historisches Erbe und städtebauliche Realität, globalen Wettbewerb und Sparzwang.

Tatsächlich klingt die Zusammenstellung nach einer vernünftigen Verbindung aus historischen Fachwissen und praktischer Erfahrung. Und wer wissen will, ob auf dem Podium wirklich machbare Konzepte entstehen, sollte sich beim Stadtmuseum anmelden. Dort, genauer gesagt in der Nikolaikirche, findet die Diskussion nämlich im Rahmen der Sonderausstellung Berlins vergessene Mitte statt. Die Fotodokumentation rekapituliert die Entwicklung der Altstadt seit 1840.

19 Uhr | 22. Februar 2011 | Nicolaikirche | Nicolaikirchplatz 1 | Berlin Mitte

 

Purcell am Konzerthaus

Andreas Scholl © Eric Larrayadieu

Die Accademia Bizantina und Countertenor Andreas Scholl bieten Henry Purcell dar.

Wer’s barock mag, kommt hier garantiert auf seine Kosten. Denn die Accademia Bizantina und Andreas Scholl sind ein buchstäblich eingespieltes Team. Gemeinsam führen das Ensemble und der Countertenor Lieder, Arien und Instrumentalmusik auf aus King Arthur (1691) und The Fairy Queen (1692), zwei Kompositionen des englischen Komponisten Henry Purcell.

20 Uhr | 22. Februar 2011 | Konzerthaus Berlin | Gendarmenmarkt | Berlin Mitte

 

Die unbewegte Frau

Der Freitag Salon fragt, was der neue Konservatismus für ein selbstbestimmtes Frauenbild bedeutet.

Wie soll das funktionieren? Ein Leben als Karrierefrau, selbstbestimmtes Individuum und liebevolle Mutter? Unter den gegenwärtigen Rahmenbedingungen scheint dieses Ideal alles andere als realistisch; die Besinnung auf traditionelle Werte verträgt sich nicht mit einem von Männern regierten Arbeitsmarkt.

Der Salon zum Thema Die unbewegte Frau. Warum geht es mit der Emanzipation nicht voran? untersucht, inwiefern sich die Frauen diesen Balance-Akt wirklich selbst auferlegen und ob sie recht daran tun. Dazu haben Der Freitag und das Maxim Gorki spannende Gäste eingeladen, nämlich Frauen, die etwas bewegen: Die Grünen-Politikerin Eikin Deligöz und die ZEIT-Redakteurin Iris Radisch diskutieren mit der Journalistin Bascha Mika. Die ehemalige taz-Chefredakteurin heizt derzeit die Quotendebatte an mit ihrer Wutschrift Die Feigheit der Frauen. Rollenfallen und Geiselmentalität – Eine Streitschrift wider den Selbstbetrug.

Noch gibt es einige Restkarten an der Abendkasse.

20.15 Uhr | 21. Februar 2011 | Maxim Gorki Theater | Hinter dem Gießhaus 2 | Berlin Mitte

 

Berlin, die Stadt der verpassten Chancen

© Arno Declair

Das Massensterben der Möglichkeiten zeigt typische Berlin-Stories, inszeniert und gespielt von typischen Berlin-Studenten.

Die Jungdramatiker und Schauspielstudenten der UDK haben fürs DT ein Berlin-Panorama aus Kurzgeschichten gestrickt. Ob im Prüfungsstress oder bei den Maikrawallen, ob arbeitslos oder auf der Suche nach der großen Liebe – immer lassen die Protagonisten ihre entscheidende Chance verstreichen.

Überraschenderweise scheint die Faszination an Verlierern ungebrochen; es gibt noch Restkarten für die Produktion.

20.30 Uhr | 20. Februar 2011 | Box am Deutsches Theater | Schumannstraße 13a | Berlin Mitte