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Trauriger Alltag

Harun Farocki, Leben - BRD, 1990 © Harun Farocki Filmproduktion

Die Galerie VeneKlasen Werner präsentiert Dokumentaressays von Harun Farocki.

Derzeit zeigt VeneKlasen Werner jeweils Dienstags und Mittwochs Filme von Harun Farocki. Der Filmemacher und Künstler hat jüngst mit Antje Ehmann die Ausstellung Serious Games in Darmstadt kuratiert. Denn mit Medien und brisanten Inhalten kennt sich Farocki bestens aus. Seit über vierzig Jahren untersucht er gesellschaftspolitische Themen aus ziemlich eigenwilligen Perspektiven.

Eigens für die Galerie hat Farocki ein Programm aus seinem komplexen filmischen Oeuvre zusammengestellt. Diese Woche gibt’s drei Dokumentaressays aus den Neunzigern. Sie untersuchen die Dramaturgie des Alltags und hinterfragen Strategien der Inszenierung. (Der heutige Beitrag wird auf 16 mm gezeigt.)

In Spielfilmlänge reiht Leben – BRD (1990) Ausschnitte aus Schulungen, Vorbereitungskursen, Tauglichkeitstest und Rollenspielen aneinander. Die insgesamt 32 Szenen zeigen Verkäufer, zukünftige Eltern, Ordnungshüter etc. bei ihren Vorbereitungen auf den Ernstfall „Wirklichkeit“. In assoziativ aneinandergereihten Aufnahmen inszeniert Farocki die BRD als eine Nation, deren Bürger nichts dem Zufall überlassen.

Morgen laufen die Videos Der Auftritt (1996) und Wort und Spiele (1998). Darin blickt Farocki jeweils hinter die Kulissen der Werbebranche und zeigt den traurigen Produktionsalltag der damals neuen Daily Talk- und Quizshow-Industrie. Farocki muss nichts kommentieren, seine Einstellungen sprechen eine deutliche Sprache.

18.30 Uhr | 12. & 13. April 2011 | VeneKlasen Werner | Rudi-Dutschke-Straße 26

 

Auf zum Characterwalk!

Seit 2004 zieht das Festival Pictoplasma jährlich Künstler und Illustratoren nach Berlin, die sogenannte ”Characters“ erschaffen.

Drei Tage lang präsentieren die Konferenzteilnehmer einander ihre neusten Kreationen, diskutieren und feiern gemeinsam. Auf dem Programm stehen neben Fachvorträgen und Screenings diverse Parties und Konzerte, die – Achtung – die dramaturgischen, musikalischen und räumlichen Dimensionen der zeitgenössischen Character-Kultur ausloten. Achja, Character-Kunst gibt’s natürlich auch. Ein Characterwalk verbindet die 25 ausstellenden Galerien und Kunsträume in Mitte.

Am Samstag findet an der Volksbühne eine wilde Abschlussveranstaltung statt mit Animationen des japanischen Grafik-Künstlers Motomichi Nakamura, einem Piano-Konzert von Maximilian Hecker, einer Performance des amerikanischen Elektro-Entertainers Dan Deacon und mit Yeti’s als Hosts. Denn der Abend unter dem Motto The Missing Link enthüllt ENDLICH die yeti’sche Vergangenheit, die Sehnsüchte der scheuen Wesen – und vor allem, wie es sich mit ihnen feiert.

20 Uhr | 09. April 2011 | Volksbühne | Linienstraße 227 | Berlin Mitte

 

Science Fiction im Atomkraftwerk

Unter Kontrolle (Still) © Promo

Die Dokumentation Unter Kontrolle. Eine Archäologie der Atomkraft hinterfragt die Sicherheit deutscher Atomkraftwerke – in atemberaubenden Bildern.

Unter Kontrolle (2011) stammt aus einem Atomzeitalter vor Fukushima, als große Teile der Gesellschaft Kernenergie noch für ein kalkulierbares Risiko hielten. Der Regisseur Volker Sattler untersuchte den grotesken Sicherheitsaufwand hinter diese Form der Energiegewinnung. Entstanden ist ein Panorama der Atomkraft, einer Technologie, die wie keine andere den Fortschritt symbolisierte und heute für die drohende Katastrophe steht.

Sattler filmte dafür den Alltag in Kraftwerken, Anreicherungsanlagen und Zwischenlagern, besuchte Aufsichtsbehörden, Forschungszentren und Schulungsstätten. Allerdings funktioniert der Film weniger über das Fachwissen der Experten, als die Kraft seiner Bilder. Sattlers kritischer Blick hinter die Kulissen des deutschen Nuklearbetriebs inszeniert die faszinierende Ästhetik der Technologie, zeigt ihre Architektur als Monumente der Utopie, die blinkenden Schalttafeln als real gewordenes Science Fiction-Szenario. Die Aufnahmen sind sachlich, aber nicht nüchtern. Wenn die Kamera langsam den Brennstab abfährt, spürt der Zuschauer die implizite Gefahr. Dass der Katastrophenfall in Japan tatsächlich eingetreten ist, verdeutlicht nun auf traurige Weise die Unberechenbarkeit der Atomenergie.

Zwar kommt die Dokumentation erst im Mai in die Kinos. Aber Arsenal und Haus der Kulturen der Welt zeigen heute eine Vorabpremiere, gefolgt von einer Podiumsdiskussion zur Macht des Filmbildes. Inwiefern ästhetische Ereignisse die Einstellung einer Gesellschaft verändern können, diskutieren der Regisseur Volker Sattler und sein Co-Autor Stefan Stefanescu mit der Kuratorin Adrienne Goehler, dem Filmkritiker Bert Rebhandl sowie Armin Grunwald vom Karlsruher Institut für Technologie.

Die Vorführung findet statt im Rahmen der Initiative Über Lebenskunst. Die Veranstaltungsreihe am HKW sucht die Verbindung von Kultur und Nachhaltigkeit – unter anderem mit einem eigenen Über Lebenskunst.Klub. Der debattiert im Übrigen morgen Nachmittag darüber, was Kunst gegen den Klimawandel ausrichten kann. Dazu passend gibt’s abends das Doppelkonzert Electric Trucks & Hybrid Hot Rods.

19 Uhr | 06. März 2011 | Haus der Kulturen der Welt | John-Foster-Duller–Allee 10 | Berlin Tiergarten

 

Films from the backstage

Im Kino Moviemento gastiert das Musikfilmfestival IN-EDIT.

Ursprünglich kommt das Festival aus dem spanisch-sprachigen Raum. Jetzt will In-Edit auch Berlin erobern. Vom 05. bis zum 10. April laufen im Moviemento daher allabendlich unterschiedlichste Musikdokumentationen, etwa über Feist und José Gonzáles, Hamburger Musikgeschichte, die Punkszene Pekings oder William S. Burroughs. In dem Programm mit den Sparten ‚Hidden Legends and Shiny Stars‘, ‚International Underground‘ und ‚Archive Gems‘ dürfte für jeden was dabei sein, der für das Genre was übrig hat. Sonderveranstaltungen und weitere Vorführungen finden außerdem im .HBC statt.

ab 18 Uhr | 05. April 2011Moviemento | Kottbusser Damm 22 | Berlin Kreuzberg

 

Die gute alte Avantgarde

Im Arsenal sprechen zwei Pioniere des unabhängigen Kinos: P. Adams Sitney und Ulrich Gregor erinnern sich.

Die Gesprächspartner verbindet ihr Einsatz für den unabhängigen Film. P. Adams Sitney hat nicht nur Visionary Film (1974) verfasst, das Standardwerk zum Avantgardefilm, sondern ist auch Mitbegründer der Anthology Film Archives. Der Filmhistoriker Ulrich Gregor war wiederum beteiligt an der Institutsgründung des Arsenal.

Heute Abend diskutieren die beiden Pioniere über die Gründerjahre ihrer Institutionen in New York und Berlin. Dazu zeigen sie Kurzfilme wie Gloria! (1979) von Hollis Frampton, Notebook (1962) von Marie Menken oder Murder Psalm (1981) von Stan Brakhage.

20 Uhr | 14. März 2011 | Kino Arsenal | Potsdamer Straße 2 | Berlin Mitte

 

Träumen im Kino

Filmstill © Mathilde Rosier

Mystischen Tierwesen vor einsamer Kulisse: Das Babylon zeigt in der Reihe Videoart at Midnight Arbeiten von Mathilde Rosier.

Wer auf den Vernissagen noch nicht genug Kunst bekommen hat, dem kann im Kino Babylon geholfen werden. In mehr oder weniger regelmäßigen Abständen zeigen der Sammler Ivo Wessel und der Galerist Olaf Stüber dort Videokunst von jungen Künstlern. Der Fokus der Reihe Videoart at Midnight liegt dabei auf narrativen Arbeiten, die eine große Leinwand verdienen.

Heute zeigen die Kuratoren der Filmkunstreihe vier Arbeiten von Mathilde Rosier. Die französische Künstlerin schafft durch die Kombination von Malerei, Film und Theater traumähnliche Sequenzen mit mystischen Tierwesen vor einsamer Kulisse.

24 Uhr | 11. März 2011 | Kino Babylon | Rosa-Luxemburg-Straße 30 | Berlin Mitte

 

Temporäre Kinobesetzung

Die Veranstalter des hit&run-Kino verwandeln einen ehemaligen Westclub zum Kinosaal.

Das Konzept der Kinoreihe ist durchaus charmant: Die Filme (OmU) sind keine Blockbuster und der Vorführungsort bleibt geheim. Sehen kann sie nur, wer zur richtigen Zeit am richtigen Ort ist, nämlich dem jeweils kommunizierten Treffpunkt. Heute läuft Dealer (1998) von Thomas Arslan. Darin geht es um Can, der eigentlich lieber in einer Bar arbeiten würde anstatt Drogen zu verkaufen. Der Film spielt, wie sollte es anders sein, in Berlin. Genauer gesagt in Westberlin, wo das kleine, geheimes Screening stattfindet.

21 Uhr | 09. März 2011 | Treffpunkt U2 Bülowstraße (Ausgang Steinmetzstraße /Kirche) | Berlin Schöneberg

 

Tierische Kunstfilme

Massimilian/Nina Breeder, Devil Come to Hell and Stay Where You Belong, 2008 © Courtesy Massimilian/Nina Breeder

Der Schinkel Pavillon zeigt das Filmprogramm Animal Kingdom – There Was an Old Lady Who … , ausgewählt von der Kuratorin April Lamm.

Der zweistündige Loop reiht Filme von Künstlern wie Douglas Gordon, Fischli/Weiss, Julieta Aranda oder Lucy Powell aneinander, die jeweils einen kommentarlosen Blick auf die Tierwelt werfen. Es treten auf: Vögel, Würmer, Spinnen, Fliegen, Frösche, Hunde, Katzen, Pferde, Kühe, Esel, Büffel, Elefanten, Schildkröten und ein Nashorn.

Die Reihenfolge der Filme leitet sich ab aus dem englischen Kinderreim und Gedächtnisspiel „There Was an Old Lady“. Und das hört sich dann so an: „There was Douglas Gordon who swallowed a fly, I don’t know why he swallowed a fly. Perhaps he’ll die. There was Lucy Powellwho swallowed Douglas Gordon and his fly. I don’t know why she too swallowed a fly. Perhaps she’ll die. There was Anri Sala who swallowed Lucy Powell and a spider that wriggled and jiggled inside her who swallowed the fly hitting the camera rim (how dim!). There was Carsten Höller and Julieta Aranda who swallowed some birds …“

Die Vorführungen der Filme jedenfalls finden jeweils Freitag, Samstag und Sonntag um 20 Uhr statt.

19 Uhr | 4. März 2011 | Schinkel Pavillon | Oberwallstraße 1 | Berlin Mitte

 

Zwei Stunden Geschichte

© Arsenal

Die Filmgeschichtsreihe Magical History Tour beschäftigt sich mit der Theatralität des Kinos.

Das Arsenal zeigt diesen Monat Filmklassiker, die das Verhältnis von Theater und Film reflektieren. Immerhin hat Film seine Ästhetik auch in Abgrenzung zum Theater entwickelt. Entsprechend fasziniert ihn von jeher dessen Bild- und Formsprache. Und die ausgewählten Arbeiten zeichnet eine besondere Theatralik aus, die sich beispielsweise in den Motiven, in der Arbeitsweise oder in der Inszenierung äußert.

Die japanische Produktion Gishiki (The Ceremony) von 1971 erzählt die Geschichte einer Großfamilie unter dem strengen Regime ihres Großvaters. Ihren Umgang regelt ein strenges Zeremoniell und für individuelle Freiheit gibt’s kein Platz. Mit seinem Porträt kritisiert Regisseurs Oshima Nagisa die japanische Nachkriegsgesellschaft und ihr Festhalten an mittlerweile bedeutungslosen Ritualen oder Zeremonien. Die rigiden Familienstrukturen spiegelt der Film dabei nicht nur dramaturgisch wieder sondern vor allem auch in den Bildkomposition der Einstellungen. Sicherlich speziell, aber eine buchstäblich schöne Option für einen ansonsten ruhigen Dienstag-Abend.

19 Uhr | 01. März 2011 | Kino Arsenal | Potsdamer Straße 2 | Berlin Mitte

 

Arcade Fire auf der Berlinale

Die kanadische Band präsentiert den Film zum Album.

The Suburbs (2010) von Arcade Fire ist nicht nur das Album des Jahres (Grammy 2011), sondern auch die Grundlage für den Kurzfilm Scenes From The Suburbs (2011) der heute offiziell Premiere feiert. Der 30-Minüter von Will und Win Butler läuft nämlich im Kurzfilmprogramm der Berlinale. Das aktuelle Video bietet einen konzentrierten Vorgeschmack auf die Arbeit von Regisseur Spike Jonze. Achja, die Band kommt auch.

22 Uhr | 16. Februar 2011 | Cinemaxx am Potsdamer Platz | Potsdamerstraße 5 | Berlin Mitte