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Fremde Perspektiven

© Sebastian Bolesch

Das Radialsystem V zeigt Lilith’s Return.

Das Musiktheater basiert auf dem gleichnamigen Text der libanesischen Schriftstellerin Joumana Haddad. Darin beschreibt sie den Kampf einer arabischen Frau um ein selbstbestimmtes Leben. Auf der Bühne stehen drei junge Schauspielerinnen mit Downsyndrom aus dem integrativen Ensemble RambaZamba. Und so treffen in der mythologischen Figur der Lilith die sehr unterschiedlichen Realitäten junger Frauen in Beirut und Berlin aufeinander. Dazu spielt der libanesische Musiker Mahmoud Turkmani eine Kombination aus orientalischer Improvisation und westlicher Moderne.

20 Uhr | 04.-06. Februar 2011 | Radialsystem V | Holzmarktstraße 33 | Berlin Friedrichshain

 

Familiendrama im Westen

© Jim Rakete

Das Renaissance Theater spielt Eugene O’Neill’s Drama Eines langen Tages Reise in die Nacht.

Eines langen Tages Reise in die Nacht (1940) ist ein Familien- und Gesellschaftsporträt. Eugene O’Neill legt darin den Verfall einer Schauspielerfamilie offen. In Lebenslügen verstrickt und einander in Hassliebe verbunden, richten Eltern wie Kinder einander zugrunde und flüchten sich in Alkohol und Morphium.

O’Neill verarbeitet darin seine eigene, bittere Familiengeschichte in einem nach Erfolg und sozialem Prestige strebenden Umfeld. Der Literaturnobelpreisträger verfügte daher, dass das Stück erst nach seinem Tode uraufgeführt würde. Er bekam dafür den Pulitzer-Preis – posthum.

Für Begeisterung hat die Koproduktion mit dem St. Pauli-Theater und den Ruhrfestspielen Recklinghausen in Hamburg nicht gerade gesorgt. Aber welch Überraschung, Ben Becker überzeugt in der Rolle des zynischen Trinkers.

20 Uhr | 3.-12. Februar 2011 | Renaissance Theater | Knesebeckstraße 100 | Berlin Charlottenburg

 

Krawall am Deutschen Theater

© Arno Declair

Michael Thalheimer inszeniert Die Weber.

In seinem sozialen Drama Die Weber (1892) rekonstruiert Gerhart Hauptmann den Weberaufstand von 1844 und das ist eine blutige Angelegenheit: Industrialisierung und Import haben die Löhne der Weber in den Keller getrieben. Als der Fabrikant Dreißiger und sein Angestellter die Gehälter erneut reduzieren wollen, sehen die Weber nur einen Ausweg aus ihrer Not: die Revolte. Doch das Militär schlägt den Aufstand nieder.

Voll wird es nicht nur auf der Bühne; Regisseur Michael Thalheimer lässt achtzehn Schauspieler aufeinander losgehen. Wer also richtig Lust auf Krawall hat, kann versuchen sich an der Abendkasse um Restkarten für die eigentlich ausverkaufte Premiere zu prügeln. Entspannter sind sicherlich die Vorstellungen im Laufe der nächsten Tage.

19.30 Uhr | 20., 21., 23. & 24. Januar 2011 | Deutsches Theater | Schumannstraße 13a | Berlin Mitte

 

Auf 150 Jahre deutsch-japanische Beziehungen

© Tsujii Seiichiro

Das Haus der Kulturen der Welt hat illustre Gäste aus Japan.

Am HKW geht es exotisch zu. Denn das Komparu-Noh-Ensemble zeigt traditionelles japanisches Theater und das heißt: japanische Mythologie und Heldensagen in beeindruckenden Kostümen und stilisierter Tanzsprache.

Heute bietet das Ensemble Funa Benkei (Benkei auf dem Schiff) dar. Die Geschichte handelt von der Tragödie eines Liebespaars und einer Seeschlacht mit einem Geisterheer. Leider ist die Vorstellung nahezu ausverkauft. Für das morgige Stück Aoi No Ue (Lady Aoi) gibt es hingegen noch Karten. Es basiert auf einem Roman der Hofdame Murasaki Shikibu.

20 Uhr | 19. & 20. Januar 2011 | HKW | John-Foster-Dulles-Allee 10 | Berlin Tiergarten

 

Mission Incomplete – der Darfur-Konflikt im Theater

© Valerie von Stillfried

Die Inszenierung Darfur – Mission Incomplete am HAU 3 entschlüsselt die Hintergründe des Darfur-Konflikts.

Ein Konferenzraum und ein Labor, vier Experten und viele, viele Fakten – das politische Dokumentationstheater von Hans-Werner Krösinger fordert das Publikum. Der Regisseur verlangt den Anwesenden maximale Aufmerksamkeit ab.

Darfur – Mission Incomplete versucht zu klären, wer die 400.000 Toten und 2,8 Millionen Vertriebenen im Sudan verantwortet. Im Mittelpunkt des Abends steht die Frage, ob es sich bei Darfur nicht um einen ethnisierten Konflikt handelt. Also diskutieren die Protagonisten des Stücks den Einfluss ökonomischer, ökologischer, politischer und ideologischer Faktoren und spielen die bewegte Geschichte des Sudans buchstäblich nach – und zwar von der Unabhängigkeit 1956 bis zum Militärabkommen mit seinem Handelspartner China 2005. Sie bringen auf die Bühne, was der Öffentlichkeit ansonsten verborgen bleibt. Und da kommt einiges zusammen.

Die Süddeutsche Zeitung lobt die kluge, wenn auch anstrengende Inszenierung Krösingers. Die Berliner Zeitung hätte der Theater-Vorlesung indes eine Dokumentation vorgezogen. Fazit: Darfur – Mission Incomplete klingt nach einem sehr spannenden Theatererlebnis für Unerschrockene.

20 Uhr | 18. Januar 2011 | HAU 3 | Tempelhofer Ufer 10 | Berlin Kreuzberg

 

Gorki Premiere

© Bettina Stöß

Die Regisseurin Jorinde Dröse aktualisiert Henrik Ibsens Nora.

In Dröses Version geht es weniger um die Emanzipation einer jungen Frau, die an der Enge ihrer bürgerlichen Existenz erstickt. Stattdessen beleuchtet das Stück, was materielle Unsicherheit in Beziehungen anrichtet.

Das Puppenheim ist bei Dröse ein Neurohbau und die Familienidylle eine fragile Angelegenheit. Sie zerbricht, als der Traum vom sozialen Aufstieg zu platzen droht: Torvald Helmer sieht seine Beförderung zum Direktor der kommunalen Bankfiliale in Gefahr. Er musste erfahren, dass Nora vor einigen Jahren einen Kredit erschlichen hat (um ihn vor dem Ruin zu bewahren, fälschte sie die Unterschrift ihres Vaters). Aus Angst vor einem Skandal gerät Torvald außer sich. Und Nora, ihrerseits gekränkt von Torvalds egozentrischer Reaktion, beschließt fortan, mehr an sich selbst zu denken.

Was darauf folgt, ist noch geheim. Im Porträt der ZEIT verrät die junge Regisseurin lediglich, dass das Ende „die gängigen Beziehungs- und Rollenmuster ordentlich durcheinander wirbelt“.

19.30 Uhr | 16 Januar 2010 | Maxim Gorki Theater | Am Festungsgraben 2 | Berlin Mitte

 

Frisches Theaterblut

© Claudia Charlotte Burchard

Die Schaubühne wird zum Nachtasyl.

Sie stehen am Anfang, und spielen doch schon diejenigen, die ganz unten sind: Die Schauspielstudenten von der Ernst Busch Schule kämpfen unter der Regie von Peter Kleinert im Nachtasyl (1902) von Maxim Gorki.

In Gorkis Szenen aus der Tiefe kämpfen Gescheiterte, Verbrecher, Prostituierte und Trinker um ihre Existenz. Sie hausen in einem räudigen Kellerraum und zwar nach ihren eigenen Regeln. Als der Pilger Luka auftaucht, bringt er den Mikrokosmos aus Betrug und Gewalt aus dem Gleichgewicht. Denn seine gut gemeinten Ratschläge reißen die abgestumpfte Gemeinschaft aus ihrer Resignation. Die Folgen sind Mord und Suizid.

Schon fast ein Jahrhundert ist es her, dass Gorki sein Unterschichtsdrama über den Bodensatz der Gesellschaft schrieb. Aber die Herausforderung, eine Welt zu fassen, die nicht nach bürgerlichen Normen funktioniert, ist deswegen nicht weniger aktuell. Und an der Schaubühne wird das bestimmt ein ziemlich derbes Unterfangen.

19.30 Uhr | 15. Januar 2011 | Schaubühne |Kurfürstendamm 153 | Berlin Charlottenburg

 

Ein Beitrag zur Meinungsbefreiung

© Thomas Aurin

Soviel zum Titel von Schmeiß Dein Ego weg: René Pollesch kündigt „den Theaterabend schlechthin“ an.

Schmeiß Dein Ego weg will kein Abend unter vielen sein, sondern ein meinungsbefreites Erlebnis. Das bedeutet, nicht einmal ein bisschen Meinung und auch keine fremden Gedanken kommen vor. Auch geht es ausdrücklich „nicht“ um Meinungsfreiheit und wovon nicht gesprochen werden „darf“ und dann doch die ganze Zeit gesprochen wird. Also bleibt nur das, wovon nicht gesprochen wird – oder so ähnlich. Dafür ist neben Margit Carstensen, Christine Groß und Martin Wuttke der Chor zuständig.

Was es mit der kryptischen Ankündigung auf sich hat, entschlüsselt man heute Abend am besten bei der Premiere. Für die gibt es nämlich noch Restkarten.

19.30 Uhr | 12. Januar 2010 | Volksbühne | Linienstraße 227 | Berlin Mitte

 

Ein bißchen Wahnsinn auf den Sonntag Abend

© Arno Déclair

Der Heiler hinterfragt die Grenze zum Krankhaften.

Mit ein wenig Glück gibt’s noch Restkarten für die Uraufführung von Der Heiler in den Kammerspielen. In dem Monolog von Oliver Bukowski rekapituliert der Psychotherapeut Matthes Grebenhoeve, wie es dazu kommen konnte, dass man ihn nackt neben seiner toten Patientin fand. Plötzlich ist er sich nicht mehr sicher, wer von beiden eigentlich ein Problem hatte. Sein Beruf und die Gesellschaft erscheinen ihm in einem neuen Licht.

Wer an der Abendkasse leer ausgeht, kann die Inszenierung von Piet Drescher Ende des Monats besuchen.

20 Uhr | 09. Januar 2011 | Kammerspiele am DT | Schumannstraße 13a | Berlin Mitte

 

Totgesagte leben länger

Mit Nekrophilie ist Liebe zur Zukunft beginnt die Volkbühne ihre neue Dialogreihe mit Toten. Das Zitat stammt von Heiner Müller, der Hauptperson der heutigen Veranstaltung. Anlässlich des 82. Geburtstags des 1995 verstorbenen Autors hat René Pollesch einen Theatertext entwickelt. Er geht aus von Müllers Beobachtungen zur Situation des Menschen im ausgehenden 20. Jahrhundert. Ein Chor trägt die Gedanken vor.

Anschließend läuft NEKRomantik 2 – Die Rückkehr der liebenden Toten (1991) von Jörg Buttgereit. Der Splatterfilm erzählt die Liebesgeschichte einer Lebenden, eines Toten und eines Sterbenden. Marianne kann ihre Leidenschaft für die Leiche des Ex nicht einmal zugunsten ihrer neuen Liebe zu Mark unterdrücken. Einen Ausweg sieht sie in dessen Tod…

Zum zwanzigsten Geburtstag des Klassikers gibt es live-Musik von Hauptdarstellerin Monika M. sowie André Abshagen, Julie Miess und Jens Friebe. Außerdem diskutieren beim Filmgespräch der Regisseur und die Hauptdarstellerin mit dem Filmwissenschaftler Stefan Höltgen und dem Journalisten Detlef Kuhlbrodt.

Gesprächsbedarf besteht bei so einem Abendprogramm garantiert.

18 Uhr | 09. Januar 2010 | Volksbühne | Linienstraße 227 | Berlin Mitte