Lesezeichen
 

Die Energiewende gibt´s jetzt bei IKEA

Heute schon ein bisschen Energiewende geshoppt? Der chinesische Solarkonzern Hanergy will in Großbritannien künftig Solarmodule über Ikea verkaufen. Jetzt gibt es also neben Kommoden und Köttbullar auch Dünnschicht-Module bei dem Möbelgiganten.

© Peter Muhly/AFP/Getty Images Die Module sind Teil eines Komplettpakets. Der mögliche Standort wird bewertet, die Zellen werden installiert und natürlich gibt´s auch eine Garantie. Hanergy-Chef Jason Chow sagt, er glaube „an das Wachstumspotenzial des britischen Markts.“

Der Hanergy-Konzern macht seit einigen Monaten in Europa von sich Reden. Nach eigenen Angaben ist er der größte private Ökostromkonzern Chinas. Er betreibt dort vor allem Wasserkraftwerke und Solarparks. Vor Kurzem übernahm er in Deutschland die Solibro, eine Q-Cells-Tochter. Auch den Berliner Solarspezialisten Soltecture kauften die Chinesen auf.

In China kooperieren Ikea und Hanergy bereits. Erst kürzlich gab Hanergy bekannt, auf Dächern von Ikea-Filialen in China Solaranlagen mit einer Gesamtkapazität von 383 Megawatt installieren zu wollen. Damit will Ikea 10 bis 15 Prozent seines Strombedarfs decken. 383 Megawatt entsprechen, zumindest theoretisch, der Leistung eines kleinen Kohlekraftwerks.

Jetzt plant Hanergy also den Einstieg in den europäischen Massenmarkt. Ich bin gespannt, ob das klappen wird. Bislang galt eigentlich die Regel: Dünnschicht-Module sind zwar günstiger in die Herstellung, kommen aber auf niedrigere Wirkungsgrade im Vergleich zu kristallinen Modulen (die vor allem auf deutschen Dächern landen).

Ob sich die Module, die Ikea anbieten wird, durchsetzen werden, ist also vor allem eine Frage des Outputs und der Vergütung von Ökostrom im britischen Energiemarkt. Und es ist eine Frage der Installation. So trivial sind ja Solarmodule auch wieder nicht. Sie müssen gescheit installiert werden, man braucht Wechselrichter, um den Gleichstrom ins öffentliche Netz einzuspeisen und und und. Da erscheint es schon sinnvoll, dass Hanergy ein Rundumsorglos-Paket anbieten will.

In Deutschland hatte übrigens die Kaffeekette Tchibo auch eine Zeitlang Solarzellen im Angebot. Das war allerdings vor zwei Jahren.

 

 

Deutsche Fleischberge auf dem Weg nach Asien

Sau mit Ferkeln © Philippe Huguen/AFP/GettyImages
Sau mit Ferkeln © Philippe Huguen/AFP/GettyImages

Manchmal lohnt es sich, einen Blick in deutsche Fachzeitschriften zu werfen – etwa die „Vieh und Fleisch Handelszeitung„. Sie berichtete kürzlich über die Fachtagung „Fokus Schwein“, auf der sich Mitte September rund 500 Schweinehalter trafen.

Auf der Tagung war auch Clemens Tönnies zu Gast, einer der größten Fleischproduzenten und Schlachthofbetreiber Deutschlands. Er hatte eine klare Ansage: „Bauen Sie Schweineställe“, zitiert ihn VFZ.

Und wohin mit dem ganzen Schweinefleisch? Der deutsche Markt zumindest ist gesättigt. Also soll es in den Export gehen. Der Weltmarkt biete noch eine Menge Potenzial, der Selbstversorgungsgrad (wie viel Prozent eines Produkts wird unter dem Strich in Deutschland erzeugt) lasse sich ohne Weiters von aktuell 110 Prozent auf 150 steigern. Das heißt übersetzt, Deutschland soll noch mehr Fleisch exportieren.

Und das passiert bereits. Deutschlands Netto-Fleischexport steigt und steigt. Im ersten Halbjahr 2012 nahm der Netto (!)-Export um 120.600 Tonnen zu, zeigt eine aktuelle Kleine Anfrage der Grünen-Bundestagsfraktion. Die reinen Fleischexporte stiegen im ersten Halbjahr um 8,7 Prozent im Vergleich zum ersten Halbjahr 2011.

Die Zielregion ist vor allem Asien. Erst Anfang September reiste eine Delegation der Bundesregierung nach China, um für bessere Exportbedingungen zu werben. Gerade „Schweinefleischnebenprodukte“, also etwa Schweineohren und Füße, die dort als Delikatesse gelten, sollen stärker exportiert werden.

Auch andere Länder Asiens nehmen gerne Schweinefleisch aus Europa. Nach Angaben der Bundesregierung exportierte die EU im Jahr 2010 folgende Mengen:

– nach Russland: 298.000 Tonnen

– nach Japan: 209.000 Tonnen

– nach Hongkong: 93.000 Tonnen

– nach Korea: 83.000 Tonnen

Nun könnte man sagen: Ist doch klasse, wenn der Welthandel funktioniert. Aber natürlich hat das internationale Geschäft mit Lebensmitteln immer eine Kehrseite, vor allem im Heimatland.

Das Fleisch aus Deutschland, das am Ende in einer chinesischen Garküche landet, stammt aus riesigen Mastbetrieben, die inzwischen den Turboschalter umgelegt haben und den Tierschutz teilweise vernachlässigen. Um das System am Laufen zu halten und den Export hochfahren zu können, müssen wir in riesigen Mengen Tierfutter (Soja) importieren. Das ist gentechnisch verändert. Tierfutter vom eigenen Hof oder aus der Umgebung, das wird immer seltener. Und die Gülle landet auf den Äckern, versäuert die Böden und schadet dem Klima.

Bärbel Höhn von den Grünen fordert daher ein Umdenken. Deutschland besitze gerade einmal ein Prozent der Weltagrarfläche, schreibt sie. Und:

„Darauf können wir nicht Schweinefleisch für den wachsenden Bedarf am Weltmarkt produzieren. Tierhaltung muss flächengebunden stattfinden, nicht völlig entkoppelt von den gegebenen Ressourcen an Futter und Ackerfläche zur Gülleausbringung.

Die Bundesregierung muss die Qualitätsproduktion voranbringen, nicht die Massentierhaltung auf Kosten der Tiere, der Umwelt und der ländlichen Entwicklung.“

 

 

Kennzeichnung von Fisch: von wegen Frischfisch

© Peter Parks /AFP/GettyImages
© Peter Parks /AFP/GettyImages

Das EU-Parlament hat vergangene Woche einen wichtigen Schritt für mehr Transparenz beim Fischkauf getan –  aber sorry: So richtig reicht das nicht aus. Am Freitag verabschiedete das Parlament in erster Lesung den Stevenson-Bericht. Er ist ein kompliziertes Dokument, es geht um die Organisation der Märkte, die Förderung von regionalen Erzeugergenossenschaften und und und. Aber er enthält auch einen Abschnitt über die bessere Kennzeichnung von Fischereiprodukten.

Der zuständige Berichterstatter, der Schotte Struan Stevenson, schwärmte vergangene Woche, dass zukünftig auf jeder Fischpackung stehen werde, wo der Fisch gefangen wurde und wann er angelandet wurde:

„Consumers will also benefit from new requirements that will require producers to provide enhanced information on their product labels, such as date-of-landing for fresh fish products.“

Nun gibt es aber in der Fischereiwelt zwei unterschiedliche Zeitrechnungen. Es gibt das Fangdatum und es gibt das Anlandedatum. Die beiden können manchmal um Wochen auseinanderliegen. Große Trawler fahren ja nicht jeden Abend wieder zurück in den Hafen und landen ihren Fang an, sondern verbringen manchmal Wochen auf See. Sie frieren den Fisch ein und bringen ihn erst später an Land.

Wann der Fisch nun tatsächlich aus dem Meer gezogen wurde, das erfährt der Verbraucher auch zukünftig nicht. Dass das Anladedatum und nicht das Fangdatum verpflichtend auf der Packung stehen soll, ist wohl eine entscheidende Bedingung, damit der Ministerrat dem Gesetzesentwurf zustimmen wird. (Freiwillig dürfen Unternehmen allerdings natürlich das Fangdatum angeben.) Verarbeitete Produkte wie Thunfisch in Dosen sind von den Kennzeichungspflichten übrigens ausgenommen. Hier erfährt der Käufer auch zukünftig noch nicht einmal das Fanggebiet.

Zwei Anmerkungen noch dazu:

1. Nach Informationen der Grünen-Fraktion im EU-Parlament zahlt die EU Subventionen, damit Fisch nach der Anladung gelagert werden kann, wenn der Marktpreis zu niedrig ist und einen bestimmten Schwellenpreis unterschreitet. Eine solche klassische Marktintervention ist natürlich total absurd, weil eine solche Zahlung das Preissignal komplett aushebelt. Da lohnt es sich, einmal nachzuhaken.

2. Ab wann ist eigentlich der Konsument überfordert von zu vielen Informationen? Auf dem zukünftigen Label soll das besagte Anlandedatum stehen, das Fanggebiet, die Fangart und der Flaggenstaat des Schiffes. Aber wer kann diese Informationen wirklich richtig einordnen und bewerten? Sollte ich einen Fisch kaufen, der von Fischern auf einem Schiff gefangen wurde, das in Ecuador registriert wurde, um Steuern und Sozialabgaben zu sparen? Hilft das dem Konsumenten in irgendeinerweise? Ich bezweifele das.

 

 

Klimafreundliches Fliegen: eine Frage der Beinfreiheit

Airline Ranking Mittelstrecke ©: Atmosfair
Airline Ranking Mittelstrecke ©: Atmosfair

Zu Beginn ein Geständnis: Ja, ich werde in den kommenden Wochen eine Flugreise unternehmen. Es wird ein Mittelstreckenflug sein. Und: Meine Airline Air Berlin hat es noch nicht mal auf einen der ersten Plätze im gerade veröffentlichten Klimaschutzindex von Atmosfair geschafft. Oh je.

Zum zweiten Mal hat Atmosfair den so genannten Airline-Index veröffentlicht. Er soll eine Art Pendant sein zu den CO2-Angaben und Verbrauchswerten der Autohersteller. Der Index benotet 150 Fluggesellschaften weltweit nach ihrer Klimafreundlichkeit. Welche Linie fliegt besonders effizient und schont so das Klima? In die Bewertung gehen Faktoren wie Bestuhlung (je mehr Leute in den Flieger passen, desto besser – ade Beinfreiheit), Flugzeugtyp (jünger ist effizienter) und Auslastung (je mehr Leute tatsächlich Platz nehmen, desto besser).

Platz 1 des Rankings führt ein Nobody an: Monarch Airlines aus Großbritannien. Die Gesellschaft hat eine besonders junge Flotte, das spart Sprit. Und sie „bestuhlt die Flugzeuge im Vergleich zum Wettbewerb maximal“. Das heißt: Viel Platz gibt es nicht in den Flugzeugen wohl nicht, aber je mehr Leute die Flugzeuge transportieren können und je höher sie ausgelastet sind, desto besser für´s Klima. Und das schafft offenbar Monarch Airlines.

Deutsche Airlines landen dagegen eher im Mittelfeld. TUIfly wird ebenfalls wegen hoher Auslastung lobend erwähnt und schafft es auf Platz 4 im Gesamtranking. Zu Air Berlin, oh oh: nur eine Durchschnittsnote, die Auslastung ist zu schlecht.

Und bei Lufthansa sieht es ganz schlecht aus: unterdurchschnittliche Auslastung auf der Kurzstrecke, ineffiziente Flugzeugmodelle. Das Unternehmen schafft es nur auf Platz 54 (immerhin eine kleine Verbesserung zum Vorjahr). Zwar würden die Langstreckenflüge gut ausgelastet, aber die Flieger seien alt und die Bestuhlung unterdurchschnittlich (will sagen: etwas weniger Beinfreiheit wäre für´s Klima nicht schlecht). Schlecht sieht es bei den Kurzstreckenflügen der Lufthansa aus, sie seien unterdurchschnittlich ausgelastet. Viele Strecken würden nur aus Prestigegründen bedient, obwohl sie sich für das Unternehmen eigentlich nicht rentieren würden. Bei der Streckenplanung gebe es noch viele Verbesserungsmöglichkeiten.

Atmosfair betont: Fliegen bleibt ein Klimakiller. Auch wenn man eine effiziente Airline fliegt: Jede Flugreise, die nicht angetreten wird, schon das Klima. Und Direktverbindungen sind immer besser als Flüge, auf denen man umsteigt. Je kürzer die Flugstrecke, desto höher die CO2-Emissionen pro Passagier und Kilometer. Schließlich muss jedes Flugzeug starten und die Mindestflughöhe erst einmal erreichen, egal, wie weit es dann fliegt. Deswegen sind längere Flugreisen immer noch klimafreundlicher als Kurzstrecken.

In die höchste Effizienzklasse A hat es übrigens bislang keine Airline geschafft.

 

Lust auf Stadt-Serie: Chicago umschwärmt die Fußgänger

Copyright: Tim Boyle/Getty Images
Copyright: Tim Boyle/Getty Images

Wie fühlt es sich an, ein Fußgänger in einer amerikanischen Großstadt zu sein? Ich würde mal sagen, es ist ein jämmerliches Dasein: vierspurige Straßen – und keine Fußgängerampel in Sicht.

Passend zur heute startenden ZEIT-ONLINE-Serie Lust auf Stadt daher heute einmal ein Blick nach Chicago. Wie die Chicago Tribune berichtet, hat die Stadt jetzt den ersten pedestrian safety plan veröffentlicht (das lässt sich wohl nur etwas ungelenk mit Fußgänger-Sicherheitsplan übersetzen). Jedes Jahr kommt es in Chicago zu etwa 3.000 Verkehrsunfällen zwischen Autofahrern und Fußgängern. 50 Menschen sterben dabei jährlich. In den kommenden fünf Jahren will Chicago die Zahl halbieren.

Mehr als 250 Vorschläge macht das Verkehrsamt nun in seinem Plan, um die Sicherheit von Fußgängern in Chicago zu verbessern. Das fängt bei kleinen Dingen an, etwa besseren Markierungen an Straßenkreuzungen und geht bis zur Verengung von Straßen und zur Installation von Pollern, die Autofahrer zum Langsam-Fahren zwingen.

Natürlich, von einem zusätzlichen Budget für den Fußgängerplan ist jetzt erst einmal nicht die Rede, ein Großteil der Verbesserungen wird aus dem aktuellen Haushaltsplan finanziert. Die Chicago Tribune zitiert den Verkehrsdezernenten mit einer Aussage, dass die Stadt aber bereits Millionen US-Dollar für verbesserte Zebrastreifen- und Fahrbahnmarkierungen ausgebe.

Als Europäer, aufgewachsen mit Fußgängerampeln und Gehwegen, kann man das alles für Banalitäten halten. Spannend an der Geschichte finde ich aber, dass der Plan zusammen mit den Bürgern vor Ort erarbeitet wurde. Die Stadt hielt dafür sogar eigene Versammlungen ab und forderte sie per Internet zu Verbesserungsvorschlägen auf.

Das ist es, was meine Kollegin Maria Exner in der Lust-auf-Stadt-Serie schreibt: Es lohnt sich, den Lebensraum Stadt zurückzuerobern. In diesem Fall als Fußgänger von den Autofahrern.

 

 

Indien macht´s vor: So gelingt besserer Waldschutz

Was haben Fische und Bäume gemeinsam? Mhh, auf den ersten Blick erst einmal wenig, oder? Wenn man sich aber mit Jean-Marie Baland, Professor für Wirtschaftswissenschaften an der belgischen Universität Namur, unterhält, wird vieles klarer. Wirtschaftswissenschaftler vergleichen Fischbestände und Wälder gern miteinander, weil es sich bei beiden um erneuerbare Ressourcen handelt. Und weil beide gern geplündert werden, wenn man freien Zugang gewährt. Die Folgen sind Überfischung und Raubbau.

Auf einer Fachkonferenz der Universität Kiel, die sich eigentlich mit nachhaltiger Fischerei beschäftigte, hat Baland jetzt eine interessante Studie zum Thema Natur- und Klimaschutz und Waldmanagement vorgestellt. Mehrere Jahre lang hat er kleine Dörfer mitten im Himalaya in Indien und Nepal untersucht, eine Langzeitstudie angefertigt. In beiden Ländern ist Raubbau in den sensiblen Wäldern des Himalayas ein großes Problem. Hier geht es nicht um riesige Planierraupen, die Wälder plattmachen. Sondern um den alltäglichen Brennholzbedarf der lokalen Bevölkerung.

Copyright: Jean-Marie Baland
Copyright: Jean-Marie Baland

Das Holzsammeln hat über die vergangenen Jahre dazu geführt, dass die Bäume in den untersuchten Regionen inzwischen aussehen wie gerupfte Hühnerbeine: In den unteren Bereichen sind sämtliche Äste abgeschlagen, nur oben kann sich noch ein einsames Laubbüschel halten. Das hat Folgen für Natur und Klima: Geschwächte Bäume können schlechter Erde halten, Erosion droht, Erdrutsche und Lawinen.

Immer wieder hat Baland in der Region die Anwohner befragt und die Qualität der umliegenden Wälder untersucht. Wie oft gehen sie Holzholen, wie entwickeln sich Baumkronen? Spannend ist: Die reine Anzahl der Bäume ist insgesamt  gar nicht so schlecht. Aber sie sind in einem verheerenden Zustand, wachsen verkrüppelt, sind schlecht verwurzelt: short run overexploitation nennt Baland das. Die Menschen brauchen das Feuerholz fürs Kochen und Heizen, immer tiefer dringen sie in die Wälder ein und schlagen Äste ab. Immer länger sind sie unterwegs. Für ein Bündel Holz waren es vor 25 Jahren noch etwas mehr als zwei Stunden, jetzt sind es schon knapp vier Stunden.

Was also tun? Glaubt man dem Belgier, gibt es zwei Möglichkeiten: Man kann entweder den Bedarf verändern. Wenn die Menschen dort mit Gas kochen und heizen würden, könnte das bis zu ein Fünftel der benötigten Holzmenge ersetzen, hat Baland errechnet.

Oder: Man führt lokale Besitzrechte ein (auch ein beliebtes Instrument in der Fischerei). In Indien hat man das schon vor Jahrzehnten mit den sogenannten Van Panchayats gemacht. Das ist eine Art lokale Selbstverwaltung, die ihre Ursprünge noch in den Zeiten der britischen Kolonialisierung hat.

In dem indischen Bundesstaat Uttarankhand hatten 45 von 83 untersuchten Dörfern ein lokales Forstgremium. Es ist eine freiwillige Institution der Menschen vor Ort. Wer mitmacht, bekommt das exklusive Recht, in dem Wald Holz für den Eigenbedarf zu sammeln. Und der Besitz scheint sich positiv auszuwirken: Insgesamt ist der Zustand der Wälder in den Van Panchayats viel besser als in den staatlichen Forsten. Diese werden zwar auch gemanaged, aber zu viel höheren Kosten: eine teure, zentrale Verwaltung muss ja unterhalten werden.

Baland betont, dass es einen engen Zusammenhang gibt zwischen dem Zustand der Wälder und dem Einkommen der Bevölkerung:

„Pressure on the resource will increase due to increases in income and in the number of households in the villages.“

Wer reicher wird, der upgraded eben auch seine Lebensgewohnheiten. Statt einer warmen Mahlzeit gibt es dann zwei, mehr Feuerholz ist nötig. Die Herausforderung ist, dieses Wachstum auch lokal möglichst umwelt- und ressourcenschonend hinzubekommen. Wie das möglich ist, zeigen die Erfahrungen mit den Van Panchayats in Indien.

 

 

Chinas Problem mit der Chemiekeule

Copyright: Philippe Huguen/AFP/GettyImages
Copyright: Philippe Huguen/AFP/GettyImages

Das Umweltprogramm der Vereinten Nationen (UNEP) veröffentlicht ja manchmal wirkliche Perlen. Diesmal ist es der Global Chemical Outlook, der die Folgen des weltweiten Chemikalieneinsatzes untersucht. Die UNEP warnt davor, dass immer deutlicher werde, wie sehr Wirtschaftswachstum und Chemieeinsatz korrelieren: Je stärker die Wirtschaft wachse, desto schneller und unkontrollierter werde zur Spritzpistole gegriffen. Das Problem: Bislang ist viel zu wenig über die möglichen Risiken für Mensch und Natur bekannt.

„Communities worldwide – particularly those in emerging and developing countries – are increasingly dependent on chemical products, from fertilizers and petrochemicals to electronics and plastics, for economic development and improving livelihoods,“ said UN Under-Secretary General and UNEP Executive Director, Achim Steiner.

„But the gains that chemicals can provide must not come at the expense of human health and the environment. Pollution and disease related to the unsustainable use, production and disposal of chemicals can, in fact, hinder progress towards key development targets by affecting water supplies, food security, well-being or worker productivity.“

Dem Report zufolge (nach UNEP-Einschätzung übrigens die erste umfassende Bewertung überhaupt) sind aktuell 140.000 verschiedene Chemikalien weltweit auf dem Markt. Nur ein Bruchteil von ihnen ist bislang einer umfassenden Risikobewertung unterzogen worden.

Dabei wird der Einsatz von Chemikalien, gerade in der Landwirtschaft, laut UNEP in den kommenden Jahren rasant steigen. Gerade die hohen Raten Wirtschaftswachstum in Entwicklungsländern sind offenbar ohne stärkeren Chemieeinsatz kaum zu haben.

Welche Folgen das haben kann, zeigt ein Blick nach China.  Zwischen 2000 und 2010 wuchs dort die Chemikalienproduktion jährlich um etwa 24 Prozent – im gleichen Zeitraum waren es in Deutschland dagegen nur fünf bis acht Prozent. 42 Prozent der weltweiten Textilchemikalien-Produktion werden in China verwertet – so viel, wie nirgendwo anders.

Das hat Greenpeace zum Anlass genommen, einmal die chinesische Textilindustrie zu durchleuchten und in der Detox-Kampagne eine Produktion ohne gefährliche Chemikalien zu fordern. Noch immer ist es ja so, dass der Einsatz der Chemikalien in China relativ unkontrolliert passieren kann.

So ist etwa Nonylphenol in der EU verboten, in China ist der Einsatz laut Greenpeace nicht geregelt, es wird als Tensid in Waschmitteln genutzt. Am Ende wirken sich solche Textilchemikalien auf Mensch und Natur aus: Schwermetalle und organische Chemikalien werden nur langsam abgebaut und landen in der Nahrungskette. UNEP zitiert in dem Report eine Studie, welche die Schäden des Chemieeinsatzes auf die chinesische Fischerei auf allein 634 Millionen US-Dollar schätzt. Und zwar jährlich.

Was also tun? Die Detox-Kampagne und das öffentliche Anprangern von Greenpeace sind ein Weg: Große Modemarken wie Nike, Adidas und H&M haben zugesagt, bis 2020 auf gefährliche Chemikalien in der Textilproduktion zu verzichten.

Die UNEP setzt vor allem auf einen besseren regulatorischen Rahmen. Es müssen Umweltgesetze her, Behörden sollten sich besser vernetzen, Verantwortungen zwischen staatlichen Institutionen, Herstellern und Konsumenten müssten besser geklärt werden. Gerade Entwicklungsländer sollten auf Prävention setzen, den Einsatz von Chemikalien in der Landwirtschaft reduzieren und lieber sichere Alternativen bewerben statt am Ende teuer Umweltschäden zu beseitigen. Dass das alles kostet, weiß auch Steiner von der UNEP:

„To harness the economic benefits of sound chemicals management, closer cooperation and better planning is required between government ministries, public and private sectors, and others in the chemicals supply chain. This requires broad and ambitious efforts, underpinned by strategic financing.“

 

Fischer wehren sich gegen Missbrauch bei Ökostrom-Vergütung

Fischtreppen sind ja eigentlich eine feine Sache. Sie ermöglichen Flussfischen einen Umweg um ein Wasserkraftwerk, damit sie am Ende nicht in der Turbine geschreddert werden oder ihnen der Weg versperrt ist.

Auch das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) beschäftigt sich mit solchen Dingen. Wer nämlich ein Wasserkraftwerk betreibt, der kann eine höhere Vergütung für jede produzierte Kilowattstunde Ökostrom geltend machen, wenn er „Maßnahmen zur ökologischen Verbesserung“ einbaut. Und das können eben zum Beispiel Fischtreppen sein. Ein lukratives Grünes Geschäft für beide Seiten, möchte man meinen: für die Natur und den Wasserstromlieferanten, der einen Ökobonus kassiert.

In Bayern ist das Thema besonders relevant, schließlich hat kein anderes Bundesland mehr Wasserkraftwerke (rund 4.250 Anlagen). Der Landesfischereiverband in Bayern hat jetzt die ersten Missbrauchsfälle mit dem Ökobonus aufgedeckt. Denn offenbar gibt es Umweltgutachter, die allzu leichtfertig die „ökologische Verbesserung“ attestieren.

Ein wirklich dreister Fall ist etwa ein Plastikrohr von zehn (!) Zentimetern Durchmesser an einem kleinen Wasserkraftwerk am Senkelbach in Augsburg. Eigentlich soll es helfen, dass Fische an der Turbine vorbei vom Staubecken oben ins Unterwasser gelangen können. Doch das Rohr ist natürlich viel zu klein, schwer auffindbar und nichts für große Fische. Und es endet auch noch zwei Meter über dem Becken. „Nicht funktionsfähig“ attestiert Johannes Schnell vom Landesfischereiverband. Ein Umweltgutachter sah das anders und attestierte „ökologische Verbesserung“.

Für den Betreiber hat sich das Plastikrohr gelohnt. Dank des Gutachtens erhält er neben der Grundvergütung von 7,67 Cent nun auch vier Cent Ökobonus für jede Kilowattstunde. Geht man davon aus, dass die Anlage rund 1,8 Millionen Kilowattstunden  im Jahr produziert und die Vergütung 20 Jahre gewährt wird, dann, schätzt Schnell, erhält der Betreiber durch das Plastikrohr einen Mehrerlös von 826.000 Euro insgesamt.

Das sind Summen, die inzwischen dazu führen, dass sogar Netzbetreiber gegen die Gutachten klagen. So etwa die  Mitteldeutsche Netzgesellschaft Strom aus Halle/Saale. In fünf Fällen wehrte sie sich gegen leichtfertig ausgestellte Umweltgutachten, jedes Mal bekam sie vor Gericht beziehungsweise einer Clearingstelle Recht.

Glaubt man Fischfreund Schnell, dann ist die Anlage in Senkelbach zwar ein Negativrekord.

„Aber es gibt den begründeten Verdacht, dass es hier einen systematischen Missbrauch gibt.“

Eine Gesamtübersicht der Missbrauchsfälle gibt es bislang nicht. In einem Leitfaden listet der Verband aber einige weitere Fälle auf. Die auf 20 Jahre hochgerechneten Erlössteigerungen durch die Gutachten schwanken nach Kraftwerk zwischen rund 34.000 Euro und mehreren Millionen Euro. Und das sind wohlgemerkt Gelder, die am Ende alle Stromkunden per EEG-Umlage zahlen.

„Seitens der Wasserkraftbranche waren bisher keine Bestrebungen zu erkennen, fragwürdige Fälle oder offensichtlichen Missbrauch beim EEG branchenintern zu überprüfen oder zu korrigieren“, so Schnell.

Interessant sind vor allem die volkswirtschaftlichen Dimensionen des Problems. Denn der Ökobonus ist gerade für  Wasserkraftanlagen mit einer geringen Leistung attraktiv. Wer ein kleines Kraftwerk betreibt, der kann die Vergütung um fast 50 Prozent steigern. Dabei liefern diese kleinen Anlagen  nur acht Prozent der bayrischen Wasserstromproduktionen.

 

Und das Stromnetz kann doch noch mehr

Das Folgende läuft unter der Kategorie „Na, geht doch“. In Schleswig-Holstein hat E.on Netz Anfang August ein Pilotprojekt gestartet. Es erhöht die Übertragungskapazität der 110 kv-Leitungen um bis zu 50 Prozent. Das ist jetzt, wo allenorts über den Netzausbau gestritten wird und Bürger sich gegen neue Stromleitungen in ihrer direkten Umgebung aussprechen, ein wirklich spannendes Projekt. Und vor allem wichtig für Schleswig-Holstein, wo die Windenergie an Land ja noch radikal ausgebaut werden soll und der Netzausbau nicht hinterkommt.

Das so genannte Auslastungsmanagement auf zwei Pilotstrecken klingt zuerst einmal widersprüchlich: E.on Netz schaltet Windräder vom Netz ab. Aber, und das ist der Unterschied zur bisherigen Praxis, das passiert nur noch bei einem Störfall. Bislang war es so, dass Techniker in der Schaltzentrale von E.on einzelne Windräder manuell und in Stufen abgeschaltet haben, wenn das Netz komplett ausgelastet war (Einspeisemanagement). Der Windparkbetreiber findet das natürlich nicht prickelnd, weil er seinen Ökostrom nicht mehr vergütet bekommt. Aber die Netzbetreiber müssen ihm eine Ausgleichsvergütung zahlen.

Jetzt probiert E.on auf den Pilottrassen (ingesamt betrifft das rund 200 Windräder mit einer Kapazität von 400 Megawatt) ein automatisiertes Verfahren. Die Windräder werden per Computer sofort komplett abgeschaltet. Das passiert aber nur noch im wirklichen Ernst-, sprich im Störfall. Und das ist dann weitaus seltener als sonst. So nutzt E.on Reservekapazitäten im Netz aus. Die Folge: Es kann zwar sein, dass Windräder abgeschaltet werden, trotzdem landet aber mehr Ökostrom im Netz. Drei Millionen Euro hat E.on in die Technik investiert.

Im Netz geht also noch was. Erst recht, wenn man sich anschaut, dass E.on in Schleswig-Holstein auch noch Freileitungsmonitoring betreibt. Die Idee ist simpel: Der Wind kühlt Stromleitungen. Und wenn´s dann draußen auch noch schön knackig kalt ist,  erhöht das die Übertragungskapazitäten des Stromnetzes auch noch einmal um bis zu 5o Prozent.

Dass so viel Musik noch im Netz drin ist, hätte E.on wohl selbst vor ein paar Jahren nicht gedacht.

 

Altmaier und die wunderbare „Privilegierungsmasse“

Altmaier-Bashing seitens der Umweltverbände ist ja gerade in. Die Grünen glauben, dass  sich der Bundesumweltminister über den Ausbau der Erneuerbaren grämen würde. Die Windmüller haben Angst, dass er den Ausbau der Windkraft an Land blockieren will.

Hier einmal eine Nachricht, die vielleicht die Truppe beruhigen mag. Auf einer Erneuerbaren-Energien-Tagung hat Peter Altmaier gerade betont, dass es mit ihm keine weiteren Ausnahmen für die Industrie bei der Ökostrom-Umlage geben werde.

„Für weitere Reduzierungen sehe ich keinen Bewegungsspielraum. Wenn, dann muss man das aus der bisherigen Privilegierungsmasse finanzieren.“

Einmal davon abgesehen, dass „Privilegierungsmasse“ ein ganz wunderbares, mir vorher unbekanntes Wort war: Übersetzt bedeutet das: Wenn irgendjemand eine Ausnahme von der EEG-Umlage haben möchte, dann muss jemand anders eine bitteschön aufgeben.

Altmaier berührt damit natürlich ein aktuelles Thema. Stromintensive Unternehmen, die im internationalen Wettbewerb stehen, können sich von der EEG-Umlage befreien lassen. Das Bundesumweltministerium schätzt, dass allein in diesem Jahr rund 730 Unternehmen so mehr als 2,5 Milliarden Euro einsparen werden.

Seit Kurzem klagen auch mittelständische Textilunternehmen gegen die EEG-Umlage, weil sie sich im Vergleich zur stromintensiven Industrie benachteiligt fühlen, da sie nicht in Genuss der Ausnahme kommen.

Natürlich geht es am Ende darum, wer eigentlich die Kosten der Energiewende finanziert. Zur Veranschaulichung will ich den Lesern nicht einen „echten Altmaier“ aus meinem Notizblock vorenthalten:

Skizze von Bundesumweltminister Peter Altmaier, Copyright: M.Uken
Skizze von Bundesumweltminister Peter Altmaier, Copyright: M.Uken

Auf der x-Achse sieht man einen Zeitstrahl. Auf der y-Achse hat der Umweltminister leider vergessen, „Kosten“ dranzuschreiben. Die Erklärung geht so: Ursprünglich verteilten sich die Kosten der Energiewende relativ gleichmäßig auf den Zeitraum vom Jahr 2000 bis 2050 (untere Kurve).

Jetzt aber, durch den rasanten Ökostromausbau, fallen die Kosten viel früher an (siehe obere Kurve): Die Ausgaben für die Ökostromvergütung steigen früher als gedacht an, dazu kommen auch noch die Kosten für den Netzausbau. Der große Finanzierungsbedarf wird also auf einen kürzeren Zeitraum verteilt als ursprünglich bedacht, er wird gestaucht.

Diese Stauchung hat natürlich vielfältige Folgen. Das beginnt bei Tennet, denen jetzt das Eigenkapital für den Netzausbau Offshore fehlt und endet bei Sozialtarifen, die mancher fordert, weil einkommensschwache Haushalte unter den schnell steigenden Strompreisen leiden.

Altmaier will deswegen einen „gesellschaftlichen und nationalen Konsens“ über die Energiewende. Das mag erstmal nach Blabla klingen, aber er hat Recht: Ohne das „Go“ der Bevölkerung und der Bundesländer, die Kosten gemeinsam zu stemmen, wird die Energiewende kaum gelingen.