Lesezeichen
 

Japans AKW-Unglück und Deutschland

Die (eventuelle) Kernschmelze in Japans Atomkraftwerk Fukushima hitzt die energiepolitische Debatte in Deutschland wieder an: Wie sicher ist Atomkraft? Was können die erneuerbaren Energien leisten? Spätestens seit dem Video, das die Explosion in Fukushima zeigt, ahnt auch die Politik, dass sie um das Thema Atomkraft nicht drumherumkommt. Das merkte man so eben Bundesumweltminister Norbert Röttgen an. Auch wenn heute nicht der Tag sei, um über die deutsche Laufzeitverlängerung zu diskutieren – das Thema komme wieder auf die Tagesordnung, sagte er so eben in den tagesthemen (Leider habe ich das Video vom Interview Susanne Holst/Norbert Röttgen um etwa 22 Uhr noch nicht online entdeckt, über Hinweise bin ich dankbar).

 

EU präsentiert maue Klimaschutz-Strategie

Na, da hatte ich mir mehr erhofft: Heute hat die EU ihre Klimaschutzstrategie für das Jahr 2050 vorgestellt – und zurecht sind Umweltschutzverbände unzufrieden: Die EU hat es verpasst, das EU-Klimaschutzziel von bisher 20 Prozent auf mindestens 30 Prozent Treibhausgasreduktionen bis 2020 anzuheben. Auch von Verbindlichkeit ist leider vorerst keine Rede. Erst im Jahr 2013 will EU-Energiekommissar Günther Oettinger den Mitgliedsstaaten  ein rechtsverbindliches CO2-Reduktionsziel vorschlagen – eventuell. Zwei weitere vergeudete Jahre …

 

Mini-Wasserkraftwerk aus Meck-Pom

A propos „erneuerbare Energien“ aus eigener Herstellung: In Mecklenburg-Vorpommern testen Wissenschaftler gerade ein schwimmendes Wasserkraftwerk, berichtet hier das Handelsblatt.

 

Strombosse fordern mehr Klimaschutz

Nun gut, es sind nur sechs. Aber es ist ein Anfang. Die Chef von sechs Energiekonzernen, darunter Scottish and Southern Energie SSE, Statkraft (Norwegen), Eneco (Niederlande) und Dong (Dänemark) fordern heute in einer gemeinsamen Erklärung die EU auf, die Treibhausgasemissionen bis zum Jahr 2020 um 25 Prozent zu mindern. Bislang plant die EU ja nur 20 Prozent, Bundesumweltminister Röttgen hatte wiederholt 30 Prozent gefordert, im Koalitionsvertrag von CDU/CSU und FDP ist sogar von 40 Prozent die Rede.

Warum gerade diese sechs Firmen? Weil sie von der Klimawende profitieren – auch wenn sie eigentlich „ganz normale“ Stromlieferanten sind und keine reinen Ökostromfirmen. Statkraft schimpft sich etwa schon heute „Europas größter Produzent von erneuerbaren Energien“ (dank der vielen Wasserkraftwerke in Norwegen). SSE engagiert sich vor allem bei Windkraft und Meeresenergie. Diese Stromkonzerne wollen Planungssicherheit für ihre Investitionen in Ökostrom.

Eine wunderbare Forderung, die Skeptikern von engagiertem Klimaschutz (etwa EU-Energiekommissar Oettinger) Wind aus den Segeln nimmt.

 

Unterwasserdrache soll Ökostrom liefern

Copyright: Minesto
Copyright: Minesto

Was die schwedische Firma Minesto vorhat, sieht auf den ersten Blick ganz schön futuristisch aus: Ein Unterwasserdrache, auf dem Meeresboden mit einem langen Haltegurt installiert, gleitet sanft durchs Meer. An dem etwa zwölf Meter langen Drachen sind eine Turbine und ein Stromgenerator befestigt, die durch die Meeresströmung Strom produzieren. Hier gibt’s ein anschauliches Video:

Auch wenn die Leistung sich noch im kleinen Bereich abspielt – zwischen 150 und 800 Kilowatt Kapazität könnte eines dieser Unterwassersegel als Prototyp haben – Minesto will mit Deep Green günstiger Strom produzieren als vergleichbare andere Wellenenergie-Technologien (etwa die Meeresschlange Pelamis). Die Firma betont, dass sich Deep Green vor allem für Gewässer mit wenig Strömung eigne. Im Jahr 2020 wolle man vor der britischen Küste mit den Wasserdrachen rund 540 Gigawattstunden jährlich produzieren.

Schau’n mer mal. In der Praxis kommen doch ganz schön viele Herausforderungen auf die Schweden zu. Wie hält man solche Anlagen in Schuss? Das Meer sieht ja selten so klinisch aufgeräumt aus wie ein Experimentieraquarium an Land, sondern ist voll mit Pflanzen, Fischschwärmen, Plastikmüll. Und Reparaturen in 100 Metern Wassertiefe sind nicht gerade einfach und günstig.

Die britische Klimaschutz-Organisation Carbon Trust glaubt trotzdem an die Entwicklung: Sie stellte jüngst umgerechnet mehr als 400.000 Euro für die Weiterentwicklung zur Verfügung.

 

Ein radikales Plädoyer für Verzicht

Der Oldenburger Wirtschaftswissenschaftler Niko Paech plädiert im aktuellen Le monde diplomatique für eine neue Verzichtskultur. Klug argumentiert. Seine wichtigste These: „Nachhaltiges Wachstum“ hält er für Quatsch und absolutes Greenwashing. Das erklärt er an den Beispielen Passivhäuser und Carsharing – zwei immer wieder genannte Paradebeispiele für gutes Wirtschaftswachstum.

„Nachhaltiges Carsharing würde erfordern, dass Pkw-Besitzer ihr Fahrzeug ausrangieren, um zu Nutzern einer Dienstleistung zu werden. Unterm Strich muss sowohl die Autoproduktion als auch die Zahl der gefahrenen Kilometer sinken, um einen positiven Umwelteffekt zu haben. Wie aber soll dann das Bruttoinlandsprodukt wachsen?

Für die Bauwirtschaft würde das heißen, dass für jedes zusätzliche Passivhaus ein weniger energieeffizientes Haus abzureißen wäre. Andernfalls nähme lediglich die zu beheizende Wohnfläche zu. Doch selbst wenn ein solcher Austausch des Gebäudebestands gelingen würde, stünde dem verminderten Wachstum an neuen Gebäuden eine Zunahme an Entsorgungsfällen gegenüber. Wohin aber mit der ausrangierten Materie in einer immer engeren Welt? Wie viel Energie wäre nötig, um Materie verschwinden zu lassen oder einer Wiederverwertung zuzuführen, zumal viele der Abfälle gar nicht kreislauffähig sind?

Paechs Lösung des Dilemmas ist radikal, er setzt auf De-Industrialisierung:

„Der zweite Schritt bestünde in einer Reaktivierung nichtkommerzieller Versorgung: Eigenarbeit, handwerkliche Fähigkeiten, (urbane) Subsistenz, Community-Gärten, Tauschringe, Netzwerke der Nachbarschaftshilfe, Verschenkmärkte, gemeinschaftliche Nutzung von Geräten sowie regionale Kreisläufe auf Basis zinslos umlaufgesicherter Komplementärwährungen würden zu einer graduellen Deglobalisierung verhelfen.“

Und? Wäre das eine Welt, in der Sie sich vorstellen könnten zu leben? Ohne neues Auto und ipad?

 

Mafia entdeckt das Geschäft mit Windrädern

Ob Abfall oder Baugewerbe: Wo sich in Italien Geld verdienen lässt, da ist die Mafia oft nicht fern. Jetzt berichtet der britische Telegraph, dass die Mafia sogar ins Geschäft mit Windstrom eingestiegen ist, vor allem auf Sizilien:

„Police wiretaps showed the extent of the Mafia’s infiltration of the wind energy sector when they intercepted an alleged Mafioso telling his wife: „Not one turbine blade will be built in Mazara unless I agree to it.“

Auch wenn der Artikel offensichtlich falsche Leistungseinheiten verwendet (190 Euro Vergütung für gerade einmal eine Kilowattstunde Windstrom wären ja ein Traum für Windmüller ;-) ) – die Tendenz ist doch wirklich interessant. Offenbar tummeln sich unter den Betreiber von Windfarmen einige schwarze Schafe, welche die Projekte eher zur Geldwäsche als zur Stromproduktion verwenden.

Das Fatale ist nur: Eine ganze Branche könnte durch so etwas in Misskredit geraten. Denn nichts schadet den Windmüllern wohl mehr, als wenn sie nicht mehr glaubwürdig sind.

 

Grüne nehmen Energiegutachten auseinander

Gerade eben haben die Grünen angekündigt, die Energiegutachter der Bundesregierung kommende Woche nach Berlin zu zitieren. Im Umwelt-oder Wirtschaftsausschuss wollen sie einige Ungereimtheiten erklären. Denn das gestern präsentierte Energiegutachten ist nach Ansicht der Opposition voller Widersprüche, gerade auch was die erneuerbaren Energien angeht:

„Gleichzeitig dementiert die Regierung eigene Zusagen. Hatte sie sich Mitte August 2010 gegenüber der  EU noch verpflichtet, bis 2020 über 111.000 MW erneuerbarer Energiekapazität bereit zustellen, sollen es mit Laufzeitverlängerung nur noch 88.000 MW sein – ein Minus von 21 Prozent. Die vorhandenen Biogasanlagen sollen gegenüber dem heutigen Stand sogar zurückgebaut werden. Offensichtlich sollen Laufzeitverlängerungen keine Brücke ins Solarzeitalter bilden, sondern den Ausbau erneuerbarer Energien im Inland ausbremsen. „

 

Strommasten neu gedacht (und vor allem schöner)

Copyright: Choi+Shine Architects

Da sag noch jemand, dass Strommasten immer als stählerne Ungeheuer daherkommen müssen. Jin Choi und Thomas Shine, Inhaber des Architekturbüros „Choi + Shine“ aus Massachustetts/USA, haben die Herausforderung des isländischen Versorgers Landsnet angenommen und die Stahlmasten neu gedacht. Bedingung des Architekturwettbewerbs: Die neuen 220-kv-Leitungen dürfen sich nicht stark von der aktuellen Bauweise unterscheiden.

Herausgekommen sind wundersame Stahlgiganten, die über die isländischen Fjorde stampfen. Sie haben sogar den Preis für „Ungebaute Architektur“ der Bostoner Society of Architekts gewonnen.

Wär das nicht auch was für Deutschland? Filigrane Stahlkolosse, die durch´s Emsland Richtung Ruhrpott stolzieren? Schließlich ist der Netzausbau gerade eine der energiepolitischen Herausforderungen für die kommenden Jahre in Deutschland: Windstrom vom Flachland muss in die Verbrauchszentren nach Süddeutschland. Und mit solchen kunstvollen Figuren ließe sich sicherlich auch der eine oder andere Grundbesitzer von der Notwendigkeit einer neuen Trasse überzeugen…

Copyright: Choi+Shine Architects

Copyright: Choi+Shine Architects

 

Stadt Luckau will Windkraft-Steuer

Als erste deutsche Kommune will die Stadt Luckau in Brandenburg eine Windkraftsteuer einführen:

„Wir werden die Verspargelung vor unserer Haustür nicht länger hinnehmen“

zitiert die Märkische Oderzeitung Bürgermeister Gerald Lehman. Mehreinnahmen in sechsstelliger Höhe erhofft sich die Stadt, pro Windrad seien etwa 3500 bis 5000 Euro Abgabe geplant. Das Geld will die Stadt für den Ausbau von Spiel- und Sportplätzen und anderen öffentlichen Einrichtungen nutzen. Rund um Luckau gebe es mehrere dutzend Windräder, 19 weitere seien geplant.

Die Stadtversammlung hat die Steuer schon im Frühjahr beschlossen. Jetzt liegt sie beim Innenministerium, das sie genehmigen muss. Das Wirtschaftsministerium ist offenbar skeptisch und warnt bereits davor, die neue Windsteuer könne Investoren abschrecken. Kaum überraschend, denn in Brandenburg hat sich die Windkraft inzwischen zu einem bedeutenden Wirtschaftsfaktor gemausert. Nur in Niedersachsen drehen sich noch mehr Windkraftanlagen. In Brandenburg sind Windräder mit einer Kapazität von 4260 Megawatt installiert. Damit liegt der Windenergieanteil bereits bei 30 Prozent.

Die Geschichte wird wohl leider wie so oft enden – nämlich vor Gericht. Bürgermeister Lehmann hat schon jetzt angekündigt, die Klagen der Windparkbetreiber vor Gericht auszufechten.  Und auch wenn Kommunen das Recht zur Steuereinführung haben, stellt der Bundesverband Windenergie die rechtliche Grundlage  „sehr infrage“. Die Windsteuer wäre eine  Sondersteuer für Klimaschutzinvestitionen.

Was man sich allerdings schon zu Recht fragen kann: Werden die Bürger vor Ort bei der Energiewende genug migenommen? Wenn Bürgermeister Lehmann als Begründung  die Verspargelung beklagt – und nicht fehlende Einnahmen der Stadt – dann läuft etwas falsch. Sicherlich lässt sich gut darüber streiten, ob die „betroffenen“ Kommunen nicht noch ein stärkeres Mitspracherecht bei der Standortentscheidung für Windparks haben sollten. Denn ohne die Bürger vor Ort ist die Energiewende nicht zu haben.