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Unser Konsum überfordert den Globus

Gestern war ich ja ein Berlin auf einer Fachtagung über Klimabilanzen und ökologische Fußabtritte unterwegs. Prompt gibt es heute die passende Meldung zum Thema Konsum. Das amerikanische Worldwatch Institute, wohl eines der renommiertesten Nachhaltigkeits-Institute weltweit, stellt heute seinen neuen Bericht zur Lage der Welt vor. Wichtigste Aussage: Wir konsumieren zu viel und zu dreckig. Weltweit liegt der Ressourcenverbrauch rund ein Drittel über dem, was die Erde überhaupt verkraften kann.

„Ein durchschnittlicher Europäer verbraucht täglich 43 Kilogramm Materialien wie Metalle, Lebensmittel oder Energie. Ein Amerikaner bringt es auf 88 Kilogramm täglich.“

Rund 60 Fachleute haben auf rund 300 Seiten jede Menge Informationen über Konsum und Nachhaltigkeit zusammengetragen. So gebe die Werbeindustrie in den USA derzeit 17 Milliarden Dollar für Werbung für die Zielgruppe Kinder aus – im Jahr 1983 waren es nur 100 Millionen Dollar. Erschreckend sind auch die Ergebnisse einer – leider etwas veralteten – Studie aus dem Jahr 2002: Britische Kinder kennen im Alter von acht Jahren mehr Pokemon-Figuren als Wildtierarten.

Lässt sich diese Konsumfixierung ändern? Die Wissenschaftler ziehen eine überraschend nüchterne Bilanz. Ihrer Meinung nach sind Konsummuster fest im Alltag verankert.

„Nach Einschätzung der Wissenschaftler, die am State-of-the-World-Bericht 2010 arbeiteten, werde sich der Sinn für Nachhaltigkeit nur mühsam etablieren.“

Für Neugierige hier die Buchdaten:

Worldwatch Institute (Hrsg.): „Zur Lage der Welt 2010: Einfach besser leben. Nachhaltigkeit als neuer Lebensstil“,  März 2010, ca. 316 Seiten, ISBN 978-3-86581-202-5, 19,90 Euro

 

Kohlegegner wettern gegen E.On

Und dabei war E.On so stolz auf seine Zahlen. „E.On trotzt Wirtschaftskrise mit stabilem Ergebnis“ titelte der Energiekonzern heute morgen um acht Uhr seine Geschäftszahlen für 2009. Das Ergebnis vor Zinsen und Steuer lag bei 9,6 Milliarden Euro. E.On werde auch weiterhin in den Ausbau erneuerbarer Energien investieren, hieß es in der Mitteilung. Die großen Windpark-Projekte in den USA und Europa und der Einstieg in Solarenergie seien nur der Anfang.

Es dauert genau zwei Stunden, da kommt prompt die Antwort aus dem Lager der E.On-Kritiker. Zuerst Oxfam:

„E.On ist mit seinem aus Kohlekraft erzeugten Strom für 40 Millionen Tonnen CO2-Emission pro Jahr in Deutschland verantwortlich. Das ist die Menge, die Norwegen oder Bangladesch jährlich ausstoßen.“

Und wenig später die Klima-Allianz:

Der heute veröffentlichte E.ON-Geschäftsbericht 2009 verschleiert nicht nur die Verantwortung des Unternehmens für den Klimawandel, sondern auch zentrale Unternehmensrisiken. Neue Kohlekraftwerke blockieren die Energiewende hin zu erneuerbaren Energien.“

Nebenbei gibt es noch ein paar interessante Zahlen: Allein im vergangenen Jahr wurden in Deutschland sieben geplante Kohlekraftprojekte abgesagt, so die Klima-Allianz. E.On will weiterhin vier Kohlekraftwerke in Deutschland bauen und kämpft zurzeit für sein Kohlekraftwerk in Datteln, eines der größten Kraftwerke in Europa. Ein Gericht hatte im Herbst einen Baustopp verfügt.

Und noch eine Zahl zum E.On Strommix: Ziehe man die Wasserkraft ab – schließlich stammt sie aus längst abgeschriebenen Kraftwerken – komme E.On auf einen Ökostrom-Anteil von gerade einmal ein Prozent, so die Klima-Allianz…



 

Die neuen Freunde des Offshore-Windstroms

„Friends of the Supergrid“ – das klingt doch mal nett, oder? Dass sich dahinter eines der größten Infrastrukturprojekte Europas verbergen wird, glaubt man kaum. Das Supergrid soll ein Verbund von Stromautobahnen in Europa sein: Offshore-Windstrom von der Nordsee soll genauso darüber transportiert werden wie Solarstrom aus Portugal. Anschauungsbedarf? Dieses kleine Video gibt einen ersten Überblick (wenn auch in Englisch):

Gestern präsentierten zehn Unternehmen in London erstmals ihre Pläne für das Supernetz, darunter der französische Atomgiganten Areva (der sich inzwischen auch für Solarkraftwerke interessiert), Siemens und Hochtief.

Was die Initiative genau vorhat, das allerdings bleibt noch unklar. In erster Linie klingt es danach, dass sich die Unternehmen einfach so früh wie möglich positionieren wollen: First come, first served. Und offenbar soll es ein äußerst exklusiver Kreis bleiben: Gerade einmal zwanzig Unternehmen sollen maximal mitmachen dürfen…

 

Ruhrpott will Stadt zur Öko-City umbauen

Keine Ruhe im Ruhrgebiet: Dieses Jahr enden ja die Feste als Kulturhauptstadt. Und ein Anschlussprojekt gibt es auch schon. Eine etwa 50.000 Einwohnerstadt im Ruhrgebiet soll zur Ökostadt umgebaut werden, so dpa:

„Das Ziel sind gut 50 Prozent CO2-Einsparung durch Wärmedämmung der Häuser, Optimierung der Industrie, Elektroautos, Windräder und Solaranlagen. (…) Geplant sei etwa das Durchsanieren des gesamten Gebäudebestandes nach Möglichkeit bis auf Passivhausniveau. Damit lasse sich schon erheblich CO2 sparen. 500 Elektro-Autos, Wärmepumpen, Kraft-Wärme-Kopplung, Klein-Windräder für Mietshäuser und Solaranlagen sollen für umweltfreundliche Energieerzeugung sorgen. (…)
Zugleich soll die Musterstadt auch baulich verschönert und etwa mit abgesenkten Bordsteinen für ältere Menschen zugänglicher werden.
Die Industrie hofft, einen Großteil der Kosten durch Verkauf des Know-hows an andere Städte und Export wieder herein zu bekommen.“

Wie teuer das Projekt wird, ist allerdings noch unklar. Das Land NRW hat bereits eine halbe Millionen Euro bereitgestellt – was allerdings wohl kaum ausreichen wird.

Das Besondere an dem Ruhrpott-Projekt ist: Erstmals wird eine Öko-Stadt nicht einfach auf dem Reissbrett entworfen, sondern bestehende Häuser sollen umgebaut werden. Das ist klasse. Denn die Herausforderung liegt ja gerade darin, die bestehenden Gebäude energieeffizienter zu machen, klimafreundlicher. Solche Erfahrungen sind viel wichtiger als Prestige-Projekte wie Masdar City in Abu Dhabi, die wenig damit zu tun haben, wie die Mehrheit der Menschen lebt.

 

CO2-Emissionshandel in den USA vor´m Aus

Keine guten Nachrichten aus den USA. Glaubt man dem republikanischen Senator Lindsey Graham, dann wird es in den USA wohl keinen Emissionshandel geben. Der Politiker erklärte gestern: „Die Emissionshandelsgesetze im Repräsentantenhaus und im Senat sind tot. Das Konzept des Emissionshandels wird ersetzt.“

Graham kommt eine Schlüsselrolle bei den Verhandlungen über das stockende Klimaschutzgesetz zu. Er ist eine der wenigen Personen aus dem Lager der Republikaner, die das Gesetz bislang unterstützten. Seit Wochen arbeitet er  im Senat an der Seite des Demokraten John Kerry an einem Kompromissvorschlag.

Interessante Einschätzungen zur aktuellen Entwicklung finden sich auch im Blog von Arne Jungjohann.

 

Warum die Golfstaaten nicht „grüner“ werden

Danyel Reiche hat jüngst in Energy Policy eine lesenswerte Analyse zur Klimaschutzpolitik der Golfstaaten veröffentlicht. Der Wissenschaftler, der an der American University of Beirut und am Wuppertal-Institut arbeitet, beschreibt, wie die sprudelnden Einnahmen aus den Ölverkäufen wirksame Klimaschutzpolitiken in der Golfregion verhindern.

Das Verhängnis sei die niedrige Steuerquote. Die Golfstaaten, die mit die höchsten CO2-Emissionen pro Kopf auf der Welt vorweisen, sind „rentier states“, wie es Reiche formuliert: Der Staat kassiert die Erlöse aus den Ölverkäufen und garantiert seinen Bürgern im Gegenzug freie medizinische Versorgung, Bildung, günstiges Wohnen und gut bezahlte öffentliche Jobs. Dieser Gesellschaftsvertrag zwischen Bürger und Staat basiert auf der Bedingung, dass die Bürger kaum Steuern zahlen und von niedrigen Energiekosten profitieren. Reiche zitiert  eine Recherche der GTZ, nach der die Bürger in vier von sechs Golfstaaten einen Benzinpreis zahlen, der sogar unter dem Weltmarktpreis liegt.

Doch Abgaben auf fossile Energien (zum Beispiel die Ökosteuer auf Benzin oder die Umlage des Erneuerbare-Energien-Gesetzes) sind ja gerade zentrale Instrumente von Klimaschutzpolitik.

„Höhere Steuern auf Benzin und Diesel würden diesen Gesellschaftsvertrag aufkündigen und die Regierungen zu mehr Interaktion mit ihren Bürgern zwingen. (…) Mit einer höheren Steuerlast könnten die Bevölkerungen auch mehr Mitspracherechte einfordern.“

So ist es kaum überraschend, dass bislang keines der Königshäuser eine konsistente Politik für erneuerbare Energien und Energieeffizienz in seinem Land vorweisen kann – egal, ob Bahrain, Kuwait, Saudi-Arabien, Oman, Katar oder die Vereinigten Emirate. Klar, es gibt Vorzeige-Projekte wie Masdar City in Abu Dhabi. Oder das Projekt Energy City in Katar. Oder die drei Windturbinen auf dem Bahrain World Trade Center. Aber bislang sind das nur prominente Einzelprojekte.

 

2,2 Billionen Dollar Umweltschäden durch Top-Konzerne

Trucost aus London ist eine wirklich spannende Firma. Die Mitarbeiter machen nichts anderes, als CO2-Emissionen, Umweltschäden und Energiemaßnahmen in eine für Manager verständliche Sprache zu übersetzen: in Dollar und Cent. In Zusammenarbeit mit dem Magazin Newsweek erstellt Trucost außerdem regelmäßig Listen zu den „grünsten Unternehmen“ in den USA.

Jetzt meldet der britische Guardian, dass Trucost im Sommer eine neue Studie, von der UN in Auftrag gegeben, veröffentlichen wird: Wie hoch sind die Schäden, welche die 3.000 größten Aktiengesellschaften weltweit verursachen? Dazu zählt Trucost etwa das Anheizen des Klimawandels und übermäßigen Wasserverbrauch. Wie gesagt: Es geht nur um die Folgen von Unternehmen, nicht um Privatleute oder Regierungen. Wer ein wenig den Artikel herunterscrollt, findet eine interessante Grafik über die geschätzen Schäden der einzelnen Geschäftsbereiche.

Das Ergebnis ist eine kaum vorstellbare Zahl: 2,2 Billionen US-Dollar, allein im Jahr 2008. Müssten die Konzerne für die Folgen ihrer Tätigkeit zahlen, würde sie das rund ein Drittel ihrer Gewinne im Durchschnitt kosten.

Wird diese Zahl irgendwelche Folgen haben? Die Trucost-Leute hoffen schon. Sie setzen auf die Angst der Unternehmen, dass Regierungen neue Steuern und Regulierungen einführen, um die externen Kosten zu internalisieren . „Die Kosten machen einen Großteil der Gewinne der Unternehmen aus“, sagt Trucost-Studienleiter Richard Mattison dem Guardian. „Ob die Unternehmen auch tatsächlich dafür zahlen müssen, wird von den Bestrebungen der Politik abhängig sein, das Verursacher-Prinzip konsequent durchzusetzen.“

 

British Airways will Kerosin durch Biosprit ersetzen

Die Pläne sind ambitioniert: Als erstes Unternehmen in Europa will British Airways eine Biosprit-Anlage für Flugzeug-Treibstoff bauen. Aus Bio-Abfällen will das Unternehmen in der Nähe von London ab 2014 jährlich rund 72 Millionen Liter „Green Fuel“ herstellen und in seinen Flugzeugen einsetzen. British Airways will seine CO2-Emissionen bis 2050 um 50 Prozent halbieren. Rund 1200 neue Jobs soll das Projekt schaffen.

Der Flugverkehr ist unter anderem besonders klimaschädlich, weil Stickoxide hoch oben in der Luft zur Bildung des Klimagases Ozon beitragen. Außerdem glauben Forscher, dass Kondenssteifen den Treibhauseffekt noch verstärken. Klimaschutzanstrengungen in diesem Bereich – wie etwa auch die Aufnahme des Flugverkehrs in den Emissionshandel in der EU – sind also sinnvoll.

Es gibt nur ein Problem: Noch hat British Airways gar keine Genehmigung für seine Biosprit-Anlage, schreibt der britische Guardian. Die Behörden erwarten offenbar noch mehr Test, ob die Flugzeug-Motoren mit Biosprit genauso gut und vor allem sicher fliegen wie mit dem herkömmlichen, öl-basierten Kerosin. Dass das Projekt allerdings ganz stirbt, ist unwahrscheinlich: Die internationale Flugverkehrsorganisation IATA hat sich als Ziel gesetzt, dass bis 2017 mindestens zehn Prozent des Flugbenzins aus alternativen Treibstoffen sein sollen.

 

Arizona scheut plötzlich den CO2-Handel

Bislang gibt es in den USA ja noch kein Energie-und Klimaschutzgesetz auf Bundesebene – das Gesetzvorhaben, das unter anderem einen bundesweiten Handel mit CO2-Verschmutzungsrechten einführen will, hängt zurzeit im Senat fest.

Vor drei Jahren sind allerdings einige Bundesstaaten vorgeprescht: Sie gründeten die Western Climate Initiative und wollten auf regionaler Ebene einen Emissionshandel etablieren. In zwei Jahren sollte das System starten.

Aber nun bekommen offensichtlich die ersten Staaten kalte Füße: Arizona – sogar einer der Gründungsstaaten – erklärte, nicht mehr am verpflichtenden Handel mitzumachen. „Wettbewerbsverzerrende Gründe“ nennt Gouverneurin Jan Brewer, Republikanerin. Arizonas Wirtschaft und Arbeitsplätze seien in Gefahr. Wie Dow Jones meldet, haben nur vier der 11 Bundesstaaten und kanadischen Provinzen, die zu der Initiative gehören, bislang Gesetz für den Emissionshandelssystem verabschiedet: Kalifornien, British Columbia, Ontario und Quebec. Mitgliedsstaaten wie Utah sollen ebenfalls zögern.

Für die Klimaschutzbestrebungen der USA wäre das fatal: Gerade nach dem Scheitern des Weltklimagipfels in Kopenhagen sind viele Fachleute desillusioniert, dass die USA überhaupt noch ein bundesweites Klimaschutzgesetz in diesem Jahr verabschieden. Ihre Hoffnung richtet sich daher auf lokale Bewegungen.  „Grassroot-„-Klimaschutz sozusagen. Mit Arizona haben diese Hoffnungen einen Dämpfer bekommen.

 

Co2-Bilanz entscheidet über den Auftrag

Carbon Disclosure Project – huhuhu, das klingt nach Verschwörung und einem geheimen FBI-Programm, oder? Weit gefehlt: Die Initiative aus Großbritannien führt die weltweit umfassendste Datenbank über Klimainformationen von Unternehmen. Sie fordert im Auftrag von mehr als 400 Investoren weltweit börsennotierte Unternehmen auf, ihre CO2-relevanten Unternehmensdaten zu berichten – und macht sie anschließend transparent.

Heute hat das CDP eine wirklich interessante Studie vorgestellt. Diesmal geht es nicht nur um Unternehmen wie Boing, Google, Fujitsu und Unilever,  sondern um deren Zuliefer. Das Ergebnis: Immer mehr Konzerne wollen zukünftig Zuliefer-Unternehmen abblitzen lassen, die sich nicht um ihre CO2-Bilanz kümmern.

So langsam scheint das Co2-Thema also in die Unternehmenskultur durchzusickern und auch tatsächlich Folgen zu haben (und nicht nur in Form schöner Hochglanzbroschüren): Schon heute würden sechs Prozent der befragten 44 Konzerne die Geschäftsbeziehungen zu ihren Zulieferern beenden, wenn dort Klimafragen keine Rolle spielen. Das sagen zumindest Firmen wie Google, Dell und PepsiCo. Zukünftig würden sogar 56 Prozent der Firmen strengere Kriterien anlegen wollen.

Auch wenn die Zulieferer bereits Besserung geloben und mehr Klimaschutz-Anstrengungen beteuern: Auf sie kommt noch viel Arbeit zu, wenn es um´s konkrete Datensammeln geht. Nur acht Prozent der 710 befragten Zulieferer weisen bislang überhaupt eine umfassende CO2-Bilanz aus. Umfassend, das bedeutet: Nicht nur der eigene Kohlendioxidausstoß der Produktion wird dokumentiert, sondern auch indirekte Emissionen, etwa aus dem Transportsektor (schließlich entsteht ja auch CO2, wenn der Computerchip oder Stahlträger aus den USA nach Europa fliegt).

Dass am Co2-Tonnen Zählen zukünftig wohl kein Weg vorbei führen wird, zeigen auch die jüngsten Entscheidungen an der Wall Street. Erst gerade eben hat die amerikanische Börsenaufsicht SEC bekanntgegeben, dass sie von den dort gelisteten Unternehmen die Publikation von Daten erwartet, die Folgen für´s Klima haben könnten, bloggt das Wall Street Journal.

Und solche Entwicklungen trotz des Scheiterns von Kopenhagen!