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USA bereinigen ihre CO2-Bilanz

Kurz vor dem Wochenende noch mal  eine kleine „Hoppla“-Geschichte aus den USA. Das Land hat seine CO2-Emissionen inzwischen auf das Niveau von 1994 reduziert, wie eine neue Studie von Bloomberg New Energy Finance für den Business Council in Sustainable Energy zeigt. Allein in den vergangenen fünf Jahren hat das Land die Klimagasemissionen um 13 Prozent reduziert.

Die neuen Zahlen bedeuten natürlich Rückenwind für Präsident Obama. Klimaschutzgegner, und insbesondere die Anhänger der radikalen Tea Party, können sich nun nicht mehr darauf berufen, dass Klimaschutz die US-Wirtschaft überdurchschnittlich belastet würde, schließlich ist das Bruttoinlandsprodukt in den USA im Schnitt jedes Jahr gewachsen (bis auf die Jahre 2008 und 2009).

Wachstum des Bruttoinlandsprodukts (BIP) in den USA 2013

Nun muss man natürlich schauen: Warum genau sind die CO2-Emissionen so stark zurückgegangen? Dahinter steckt ein Mix von verschiedenen Phänomenen, so die Studie (und sicherlich hat auch das maue Wirtschaftswachstum in den vergangenen Jahren seinen Anteil). Da ist zum einen der Erdgasboom wegen des Frackings. Es verdrängt vor allem die dreckige Kohle als Brennstoff in den Kraftwerken. Zum anderen gab es ein beeindruckendes Wachstum der Erneuerbaren Energien, sie verzeichneten im vergangenen Jahr mit zusätzlichen 17 Gigawatt an Ökostromkapazitäten das größte Wachstum unter den verschiedenen Energieträgern.

Und ein beachtlicher Anteil ist auch Energieeffizienzmaßnahmen zu verdanken, die Amis tauschten vor allem im Gewerbe alte Heizungen und Klimaanlagen aus. Grund dafür sind auch strengere gesetzliche Standards. Zudem hat sich zwischen 2008 und 2011 gerade auch der Treibstoffeinsatz im Verkehr geändert, die Flotte von ÖPNV-Bussen und LKW, die mit Gas fahren, verzeichnete ein Wachstum um 26 Prozent.

 

Ölkonzerne und andere Klimaschänder: Aktionäre in Haftung nehmen

Was hindert eigentlich Unternehmen daran, sich nachhaltiger auszurichten? Glaubt man dem Chef des Potsdamer Instituts für Klimafolgenforschung und dem Juristen Jerome Dangerman, dann fehlt es eigentlich nur an einer klaren Zuordnung von Verantwortung. Wenn Aktionäre für die Schäden von Unternehmen haften müssen, dann würden sich Firmen über kurz oder lang umwelt- und klimafreundlicher verhalten, glauben sie.

In einem Aufsatz für das Fachmagazin Proceedings of the National Academy argumentieren sie, dass ein Grundproblem sei, die Aktionäre nicht zur Haftung ziehen zu können. Ein Unternehmen lasse sich zwar verklagen, nicht aber der einzelne Anteilseigner.

Das Thema ist vor allem für den Energiesektor relevant. Denn gerade hier würden Firmen an erprobten, aber klima- und umweltschädlichen Technologien festhalten, so Dangermann auf Science Daily. Er erklärt, warum die Erneuerbaren selbst nach Jahrzehnten noch immer ein Nischendasein fristeten und Kohle, Gas und Atomstrom noch immer den Hauptanteil in der Energieerzeugung ausmachten:

Heavy investments in fossil fuels have led to big profits for shareholders, which in turn leads to greater investments in technologies that have proven to be profitable. While, in parallel, the chances of success for sustainable alternatives diminish. „It’s called Success to the Successful,“ says Dangerman.

Der Vorschlag ist alles andere als irrelevant. Dangermann verweist etwa auf das Deep Water-Bohrinselunglück im Golf von Mexiko. Könnte man die Aktionäre  zur Verantwortung ziehen, dann würden sie sich vielleicht vorher mehr Gedanken über Investments machen, glaubt er.

Leider ist das Thema „Haftungsfragen“ aber noch recht abstrakt. Denn wie Michael Bauchmüller richtig in der Süddeutschen Zeitung schreibt: Wie organisiert man die Aktionärshaftung so, dass am Ende nicht Investitionen zum Erliegen kommen, weil sich niemand mehr traut, Aktien zu kaufen? Und wie lassen sich Schäden tatsächlich einem Unternehmen zuordnen und bewerten? Klar ist: In dem Thema steckt noch viel Musik.

 

Nächster Klimagipfel in Polen – ausgerechnet

Ausgerechnet Polen, fällt mir da nur ein. Heute wurde in Doha, wo gerade der Klimagipfel tagt, bekannt, dass unser Nachbar Polen im kommenden Jahr die nächste Klimakonferenz ausrichtet.

Polen ist bislang nicht gerade als Verfechter einer ehrgeizigen Klimaschutzpolitik aufgefallen – im Gegenteil. Das Land boykottiert ehrgeizigere Klimaschutzziele auf EU Ebene und hat in den vergangenen Monaten, so Greenpeace, gleich drei Mal gegen ehrgeizigere CO2-Einsparziele sein Veto eingelegt. Für einen Eklat sorgte Polens Haltung im Frühjahr zur Verabschiedung von ehrgeizigeren Reduktionszielen bis 2050 – nur wegen Warschau konnte ein Abkommen nicht verabschiedet werden. Zudem sitzt das Land auf einem großen Batzen Emissionszertifikaten, die es nur bekam, weil nach 1990 die Ostblockwirtschaft zusammenbrach. Diese „hot air“ sorgt jetzt dafür, dass der Zertifikatspreis am Boden liegt und kein der Handel mit Verschmutzungsrechten einfach nicht die erfolgreich ist – CO2 ist einfach zu billig.

Polen diskutiert außerdem gerade die Eröffnung weiterer Braunkohleminen, schließlich ist seine Industrie vor allem auf den billigen, heimischen Kohlestrom angewiesen. Und die Kohle lässt sich hervorragend in alle Welt exportieren.

Dem Ausrichter einer Klimakonferenz kommt oftmals in den letzten Stunden des Verhandlungsmarathons eine entscheidende Position zu. Das Land muss Kompromisse zwischen Regierungen finden, muss Vorschläge machen, die Diskussion am Laufen halten. Die Chancen, dass ein erfolgreiches Abkommen verabschiedet wird, sind in der Regel größer, wenn der „Dealmaker“ selbst ehrgeizig ist – das kennt man ja aus dem Privaten.

Mal schauen, ob Polen eine 180-Grad-Wende bis zur nächsten COP19 hinlegt.

 

 

Internationaler Klimaschutz: So wird das nichts

Klimaschutz-Demonstration in Berlin (Archiv); Copyright: David Gannon/AFP/Getty Images
Klimaschutz-Demonstration in Berlin (Archiv); Copyright: David Gannon/AFP/Getty Images

Das Umweltprogramm der Vereinten Nationen hat heute der Welt mal eben kräftig den Kopf gewaschen. Wenn die Politik so weitermache wie bisher, dann würde sie das Zwei-Grad-Ziel nicht nur haarscharf, sondern gewaltig verpassen, heißt es in einem neuen Report, wenige Tage nachdem die Weltbank in einer Studie zu einem ähnlichen Ergebnis gekommen war. Ohne massive Einschnitte werde der Ausstoß an Treibhausgasen bis 2020 voraussichtlich auf 58 Gigatonnen steigen, so Unep-Exekutivdirektor Achim Steiner. Um das Zwei-Grad-Ziel zu erreichen, dürften es nach früheren Studien aber höchstens 44 Gigatonnen sein. Das sind 14 Prozent zu viel.

Der Report The Emission Gap hält noch eine weitere unbequeme Wahrheit parat: Selbst wenn die ehrgeizigen Pläne noch realisiert werden, sind so oder so acht Gigagtonnen CO2 zu viel in der Atmosphäre:

The Emissions Gap Report 2012 points out that even if the most ambitious level of pledges and commitments were implemented by all countries-and under the strictest set of rules-there will now be a gap of 8 Gt of CO2 equivalent by 2020.

Was also tun? Natürlich müssen die Staaten, die sich ab Montag in Doha  zu ihrer 18. Klimakonferenz treffen, ihre Zusagen einhalten. Für vielversprechend hält die UNEP außerdem CO2-Einsparungen im Gebäudesektor. Bis 2050 könnte der Bereich seinen Strombedarf um ein Drittel im Vergleich zu 2005 reduzieren  – obwohl im gleichen Zeitram laut Prognosen die Gebäudefläche weltweit um 130 Prozent zunehme.

Ein Blick nach Deutschland zeigt den Nachholbedarf. Seit Jahren können sich Bund und Länder nicht über die steuerliche Absetzbarkeit von energetischen Sanierungsmaßnahmen einigen. Heute abend wird das Thema im Vermittlungsausschuss verhandelt. Mal wieder.

 

Obamas zweite Chance, die Climatesilence zu beenden

Climatesilence hat die Twitter-Welt es genannt – die Tatsache, dass der Klimawandel so gar keine Rolle im US-Wahlkampf spielte (das unten stehende Video zeigt, wie Mitt Romney auf diese Vorwürfe reagierte, er lächelte sie einfach weg).

Seit heute Nacht ist klar: Obama bekommt eine zweite Amtszeit. Die ersten vier Jahre waren, zumindest was das Thema Klimaschutz angeht, gelinde gesagt: ein Reinfall. Das Abgeordnetenhaus hat zwar vor drei Jahren einen ambitionierten Entwurf für ein Klimaschutzgesetz verabschiedet, mit verbindlichen Klimaschutzzielen und Ökostromanteilen. Doch das Gesetz verreckte am Ende im Senat, mit Genuss sabotierten die Republikaner jeden Versuch einer Klimaschutz-Gesetzgebung.

Ein paar Worte widmete Obama heute früh in seiner Dankesrede dem Klimaschutz. In einem Nebensatz brach er zumindest die Climatesilence:

We want our children to live in an America that isn’t burdened by debt, that isn’t weakened by inequality, that isn’t threatened by the destructive power of a warming planet.

Doch was bedeutet das für die konkrete Energiepolitik bis 2016? An den Machtverhältnissen zwischen Republikanern und Demokraten hat sich ja de facto wenig geändert. Also wird Obama Klimapolitik nur auf dem Umweg machen können. Eine Möglichkeit wäre die Umweltbehörde EPA. Die machtvolle Institution könnte jetzt etwa CO2-Grenzwerte für Kohlekraftwerke festlegen. Im Frühjahr hatte die EPA einen Entwurf vorgelegt – und damit Republikaner und die Industrielobby aufgebracht.

Wenn er jetzt mutig ist, dann nimmt Obama diesen Plan wieder auf. Sein Prestigeprojekt, die Gesundheitsreform „Obamacare“, hat er schon durchgebracht, da muss er keine Rücksichten mehr nehmen. Und natürlich hat er den Vorteil der zweiten und damit letzten Amtszeit. Wenn er smart ist, dann nutzt er diese einmalige Chance – und löst damit Versprechen ein, die er der Welt 2008 gegeben hat.

 

Die zarte Energiewende von E.on

Spricht man dieser Tage mit E.on-Mitarbeitern, dann reiben die sich schon verwundert die Augen. Inzwischen seien Dinge in dem Konzern möglich, die man vor einigen Jahren kaum für möglich gehalten hätte. Der Konzern öffne sich. Das Atomzeitalter sei jetzt wirklich vorbei.

E.on AKW Isar 1/2 © Miguel Villagran/Getty Images
E.on AKW Isar 1/2 © Miguel Villagran/Getty Images

Noch sind es allerdings zarte Pflänzchen, die da im E.on-Reich sprießen. In diesem Jahr hat etwa E.on in Bayern zusammen mit Energiegenossenschaften fünf Windparks realisiert. Das mag vielleicht banal klingen, aber hier treffen zwei Weltanschauungen aufeinander. Wie kein anderer deutscher Energiekonzern stand E.on bislang für Zentralismus, für große Kraftwerke und große Strukturen (eine Politik, die E.on bei der Offshore-Windenergie auch fortsetzen kann). Und jetzt liebäugelt E.on mit der anderen Seite, mit Energiegenossenschaften, die für dezentrale Strukturen stehen; die Energiewende auf dem Garagendach.

Mit dem Atomausstieg muss sich der Konzern jetzt plötzlich neu aufstellen. Inzwischen gibt es sogar eine neue Einheit „dezentrale Energielösungen“. Etwas mehr als ein Dutzend Mitarbeiter sind in der Zentrale auf der Suche nach neuen Geschäftsmodellen. Die Herausforderung ist es, Ideen zu entwickeln, die zu E.on passen und eben nicht kleinklein sind. Das könnten etwa Solarmodule fürs Gewerbe sein, etwa für Supermarktketten, Baumärkte oder Möbelhäuser.

Und inzwischen wirbt E.on sogar im Radio für Solaranlagen. Die stellt das Unternehmen zwar nicht selbst her, verkauft und installiert aber die Module.

In den Geschäftszahlen spiegelt sich der Umschwung teilweise wieder. Natürlich macht das Unternehmen noch immer den größten Gewinn mit seinen Kohle-, Gas- und Atomkraftwerken.

Aber diese drei Sparten verzeichneten etwa im ersten Halbjahr allesamt ein Umsatzminus von 1,4 Milliarden Euro. Allein die Kernkraftsparte musste in den ersten sechs Monaten einen Umsatzrückgang um 23 Prozent (617 Millionen Euro) im Vergleich zum Vorjahreszeitraum verkraften. Erst vor ein paar Tagen verkaufte E.on zusammen mit RWE seinen Anteil an der britischen Atomtocher Horizon. An den Neubau von Gaskraftwerken ist derzeit nicht zu denken.

Der Umsatz in der Ökostromsparte wuchs dagegen um 70 Millionen Euro, vor allem wegen neuer Windparks in den USA.

Nun muss man abwarten, wohin die Reise des Energieriesen geht. Anfang Oktober hatte E.on Anteile an Windparks in den USA verkauft. In zwei Wochen legt der Energiekonzern die nächsten Quartalszahlen vor.

 

Bill McKibben´s Mathematikstunde zur Erderwärmung

In den USA sorgte sein Text im Rolling Stones für Furore. Der US-Klimaaktivist BillMcKibben rechnet dort sehr verständlich durch, was passiert, wenn wir so weiter machen wie bisher, egal, ob bei der Ölförderung oder der verfehlten Klimapolitik. Hier ein Auszug:

2,795 Gigatons: This number is the scariest of all – one that, for the first time, meshes the political and scientific dimensions of our dilemma. It was highlighted last summer by the Carbon Tracker Initiative, a team of London financial analysts and environmentalists who published a report in an effort to educate investors about the possible risks that climate change poses to their stock portfolios. The number describes the amount of carbon already contained in the proven coal and oil and gas reserves of the fossil-fuel companies, and the countries (think Venezuela or Kuwait) that act like fossil-fuel companies. In short, it’s the fossil fuel we’re currently planning to burn. And the key point is that this new number – 2,795 – is higher than 565. Five times higher.

In seiner aktuellen Ausgabe bringt das Greenpeace Magazin übrigens eine deutsche Version.

 

Der Öko-Flop des Jahres: die Biotüte

In meinem Bio-Laden ums Eck bekomme ich meine Einkäufe regelmäßig in einer Tüte ausgehändigt, auf der prangt „100 Prozent recycelbar“. Bitteschön – Dankeschön. Die Tüte ist aus einem Biokunststoff gefertigt, genauer gesagt aus Maisstärke.

Puppen aus Plastiktüten © Patrik Stollarz/Getty Images
Puppen aus Plastiktüten © Patrik Stollarz/Getty Images

Nun sind Plastiktüten ja erst einmal ein Ärgernis: Unglaubliche 5,3 Milliarden Plastiktüten verwenden wir Deutschen laut Deutscher Umwelthilfe jährlich. Das macht bei rund 80 Millionen Bundesbürgern im Schnitt etwa 66 Plastiktüten im Jahr. In der Regel landen sie einfach in der Müllverbrennungs-
anlage (so wie meine Plastiktüten, die erleben schließlich bei mir zu Hause ihre zweite Existenz als Müllbeutel).

Oder noch schlimmer: Die Tüten werden einfach achtlos weggeworfen, verstopfen Gullis und landen am Ende als schwimmender Müllteppich in den Ozeanen, wo sie Lebewesen und Ökosystemen schaden.

Und meine Bioladen-Plastiktüte? Die Bundesregierung förderte bislang solche Biotüten: Sie sind etwa vom Grüner-Punkt-System und den Lizenzgebühren an das Duale System Deutschland ausgenommen, um die Markteinführung zu fördern. Noch bis zum Jahresende gelten diese Ausnahmen.

Dabei entpuppt sich die Biotüte als alles andere als umweltfreundlich. Weder wird sie im großen Stil kompostiert noch hat sie einen Umweltnutzen. Das zeigt eine aktuelle Studie des Heidelberger ifeu-Instituts für das Umweltbundesamt. Das Ergebnis: Bio-Tüten sind nicht besser, sondern leider nur genauso schlecht wie herkömmliche Plastiktüten aus erdölbasierten Rohstoffen. Die Umweltexperten schauten sich nicht nur den Rohstoff an, sondern machen eine umfassende Ökobilanz. Sie schreiben:

Durch den Anbau und die Verarbeitung von Pflanzen für diese Verpackungen versauern Böden und eutrophieren Gewässer stärker als durch die Herstellung herkömmlicher Kunststoffverpackungen. Zudem entstehen höhere Feinstaubemissionen. Auch die vermehrt angebotenen Bioplastiktüten haben damit keinen Umweltvorteil.

Das ifeu kommt zu einem eindeutigen Schluss. Die Ausnahmeregelungen für die Biotüte in der Verpackungsverordnung müssten sofort beendet werden. Eine vernünftige Forderung, wenn man eine Bilanz des gesamten Lebenszyklus der Tüte macht. Der Präsident des Umweltbundesamts, Jochen Flasbarth, sagt:

Verpackungen auf der Basis von so genannten Biokunststoffen haben unter dem Strich keine Umweltvorteile. Die Klimabilanz von Biokunststoffen ist zwar günstiger, dafür gibt es Nachteile bei anderen Umweltbelastungen. Die Ergebnisse sprechen dafür, die Sonderregelung für solche Verpackungen, wie etwa die Befreiung von der Rücknahmepflicht des Handels, nicht zu verlängern.

Übrigens: Mein Bioladen gehört mit seinem Biotüten-Angebot offenbar zu einer seltenen Spezies. In der Masse konnte sich die vermeintlich grüne Tüte nicht durchsetzen. Im Jahr 2009 kamen Biokunststoffverpackungen in Deutschland gerade einmal auf einen Marktanteil von 0,5 Prozent.

 

China wagt ein bisschen Emissionshandel

Seit Jahren führt China die Rangliste der weltweit größten Kohlendioxid-Emittenten an. Gleichzeitig will das Land den Ausstoß reduzieren: Bis 2020 sollen die CO2-Emissionen um 40 bis 45 Prozent im Vergleich zum Jahr 2005 sinken. Der 12. Fünfjahresplan, den der Volkskongress im vergangenen Jahr verabschiedet hat, sieht die Einführung eines Emissionshandels vor. Die Idee dahinter ist simpel: Wer CO2 emittiert, muss dafür ein Verschmutzungsrecht vorweisen. Hat er keines, muss er eines kaufen. Hat er zu viele, kann er sie verkaufen. So entsteht ein Markt für Kohlendioxid, der sich regulieren lässt.

Vorort von Peking (Archiv) © Frederic J. Brown/AFP/Getty Images
Vorort von Peking (Archiv) © Frederic J. Brown/AFP/Getty Images

Bleibt die Frage: Wie organisiert China das bloß? So langsam wird das konkreter. Inzwischen ist klar, dass China ein CO2-Handelssystem in sieben Piloregionen testen will. Dazu gehören Shanghai, Peking, Tianjin, Shenzhen, Chongqing, Guangdong und Hubei.

Mitte August startete etwa das Projekt in Shanghai. Wie das Portal China Law and Practice berichtet, sollen hier in einem ersten Schritt die Emissionen von rund 200 Firmen aus 16 verschiedenen Industrien erfasst werden. Unter anderem wird sich Baosteel, einer der weltweit größten Stahlkonzerne und damit ein großer Stromverbraucher  (und zwangläufig auch CO2-Emittent) künftig einem solchen Schema unterwerfen müssen und mit Co2-Zertifikaten handeln. Wie schon in Europa werden die Behörden die erste Runde von Verschmutzungsrechten kostenlos verteilen.

In China einen Emissionshandel aufzubauen, ist natürlich extrem kompliziert. Allein das Datensammeln wird zur Herausforderung: Welche Industrieanlage emittiert eigentlich genau wie viel CO2? Außerdem sind die Energiemärkte alles andere als liberalisiert. Das geht schwer mit dem Preissignal-Ansatz eines Emissionshandels zusammen.

Die Bepreisung von Kohlendioxidemissionen verteuert die Produktion einer Kilowattstunde in einem Kohlekraftwerk. In Europa würde ein Stromversorger diese Kosten einfach auf den Endkundenpreis umlegen.

Das ist aber in China mit seinen regulierten Großhandelsmärkten und subventionierten Strompreisen kaum möglich. Laut der chinesischen Presseagentur Xhinhua kostete im Sommer in Peking eine Kilowattstunde Strom 0,48 Yuan. Das macht umgerechnet gerade einmal fünf Cent. Daran wird die Politik wohl kaum etwas ändern wollen.

„Das System in China wird erst einmal wenig ehrgeizig sein“, sagt Felix Matthes, Energieexperte des Öko-Instituts, der zurzeit chinesische Firmen bei der Einführung des Systems berät. Matthes hält das allerdings für nicht überraschend: Es ginge schließlich darum, die Unternehmen erst einmal überhaupt von dem System zu überzeugen – und nicht mit zu strengen Anforderungen zu erschrecken und gar für Komplettwiderstand zu sorgen. Das sei ähnlich bei der Einführung des europäischen Emissionshandelssystems gewesen.

Das ist natürlich Realpolitik pur. Aber wahrscheinlich der Erfolg versprechendere Weg.

 

Kohle versus Öko: Wer gewinnt den Wettlauf?

In bester Tradition hat Greenpeace zum vierten Mal sein Energieszenario „Energie (R)evolution“ vorgelegt. Seit dem Jahr 2007 rechnet das Deutsche Luft-und Raumfahrtzentrum für die Umweltschutzorganisation aus, wie ein Ausstieg aus der Kohle und Atomkraft möglich wäre und welche Investitionen in welchen Bereichen dafür nötig wären. Der Report wird etwa einmal im Jahr aktualisiert, u.a. weil etwa der Anteil der erneuerbaren Energien doch schneller gewachsen ist als gedacht.

Ganz interessante Zahlen finden sich zwar nicht in dem 340 Seiten langen Wälzer, aber in einem unveröffentlichtem Hintergrundpapier. Demnach liefern sich Kohle und alternative Energien gerade ein Kopf-an-Kopf-Rennen weltweit. Greenpeace hat unter anderem die internationale Energie-Datenbank wie Platts nach geplanten Kraftwerkprojekten durchforstet. Was haben die  Energieversorger in der Pipeline?

Demnach sind in den kommenden fünf Jahren Kohlekraftwerke mit einer Kapazität von rund 350 bis 400 Gigawatt weltweit geplant. Das beeindruckt, rechnet man im Schnitt mit 1.000 Megawatt Kapazität je Kraftwerk, wären das mindestens 350 neue Kohlekraftwerke (die ja für mindestens 40 Jahre am Netz sein werden).

Beeindruckender sind aber die Zahlen aus dem Bereich der Erneuerbaren Energien. Schaut man sich die Kapazitäten an, dann sind ähnlich hohe Zuwächse geplant wie bei der Kohle: Mehr als 470 Gigawatt Wind- und Solaranlagen sowie Wasserkraftwerke sind geplant. Und nein, den großen Batzen macht diesmal nicht die Wasserkraft aus, sondern Wind: Bis zu 300 Gigawatt Windkraft wären möglich.

Nun muss man allerdings vorsichtig sein, denn es handelt sich nur um Pläne. Auch in Deutschland waren zu Höchstzeiten ja einmal mehrere Dutzend Kohlekraftwerke geplant – am Ende wurde bislang gerade einmal eine Handvoll realisiert. Deswegen ist es jetzt so entscheidend, welche politischen Rahmenbedingungen herrschen; ob sich eher Investitionen in Kohle oder Wind lohnen. Damit das Zwei-Grad-Klimaschutzziel nicht gerissen wird, müssten laut Greenpeace die Erneuerbaren die Wachstumsraten der vergangenen zehn Jahre beibehalten. Zugleich müssten die Investitionen in fossile Kraftwerke auf ein Minimum heruntergefahren werden.

Nach aktuellen Zahlen des Netzwerks REN21 wurden übrigens im vergangenen Jahr weltweit rund 257 Milliarden US-Dollar in den Ausbau der Erneuerbaren investiert – ein Plus von 17 Prozent zum Vorjahr.

Und das in Zeiten der Euro- und Schuldenkrise.