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Ökostrom-Lobby: Industrie beteiligt sich immer weniger an Kosten der Energiewende

Die kommende Woche wird nicht nur für Windmüller und Solarstrom-Produzenten – also klassische Profiteure des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) – interessant. Am Freitag, den 14. Oktober, wird die Höhe der EEG-Umlage für das Jahr 2012 bekanntgegeben. Jeder Stromkunde zahlt sie via Umlage und beteiligt sich so am Ausbau der erneuerbaren Energien. Also, es betrifft auch Sie!

Zurzeit macht die EEG-Umlage 3,53 Cent am Strompreis aus. Und nun haben die Spekulationen begonnen: Wird sie steigen und gar die Vier-Cent-Hürde reißen? Das wäre politisch brisant, denn natürlich könnte es von Ökostrom-Gegnern wunderbar instrumentalisiert werden: Seht her, so teuer kommt uns diese Energiewende. Auch Bundeskanzlerin Merkel will lieber keinen Anstieg der Ökostromkosten,so sagte sie es zumindest Anfang Juni im Bundestag:

„Deshalb wollen wir die erneuerbaren Energien schneller zur Marktreife führen und effizienter gestalten. Die EEG-Umlage soll nicht über ihre heutige Größenordnung hinaus steigen; heute liegt sie bei etwa 3,5 Cent pro Kilowattstunde.“

Die FAZ hatte allerdings Anfang September in einem ausführlichen Artikel analysiert, warum die EEG-Umlage wohl steigen wird.

Der Bundesverband der Erneuerbaren Energien (BEE) hat daher heute schon einmal Argumente zusammengestellt, warum es zu einem Anstieg kommen könnte  – und wer dafür verantwortlich ist. Sozusagen eine prophylaktische Verteidigung.

Hier die wichtigsten Punkte:

1. Nach Einschätzung der Ökostrom-Lobby stiehlt sich die Industrie aus der Umlage. Wenn ein Industriebetrieb selbst auf seinem Gelände Strom erzeugt, dann muss er für diesen auch keine EEG-Umlage zahlen. Das Problem: So sinkt die Zahl der Verbraucher bzw. die Zahl der Kilowattstunden, auf welche die Gesamtkosten des EEG umgelegt werden. Der BEE bezieht sich auf das Bundesumweltministerium und nennt 50 Terawattstunden für 2011. Das macht etwa ein Zehntel des jährlichen Strombedarfs in Deutschland aus. Im vergangenen Jahr waren es 44, im Jahr der Wirtschaftskrise, 2009, nur 37 Terawattstunden, welche die EEG-Ausnahme genossen. Nach BEE-Schätzungen gibt es sogar inzwischen eigene Geschäftsmodelle für dieses Schlupfloch, Unternehmen können etwa Anteile an Kraftwerken pachten, um die EEG-Umlage zu umgehen. „Immer weniger Stromverbraucher schultern die Kosten des EEGs“, sagt Björn Klusmann vom BEE.

2. Für große Stromverbraucher, wie etwa die Kupferhütte Aurubis oder den Zementhersteller Heidelberg Cement ist die Umlage gedeckelt, sie zahlen maximal 0,05 Cent je Kilowattstunde. Insgesamt genießen rund 650 Unternehmen diese Sonderregelung. Die privilegierte Strommenge könnte nach Schätzungen des BEE von 74 Terawattstunden in 2011 auf 80 Terawattstunden im kommenden Jahr steigen.

3. Das neue EEG sieht vor, dass die Stromnetzbetreiber sich einen finanziellen Puffer ansparen. Denn sie müssen ja dem Windmüller die Ökostrom-Vergütung auszahlen, haben aber vielleicht nicht so viel Geld auf der hohen Kante. Je nachdem wie hoch dieser Anteil an der EEG-Umlage veranschlagt wird, steigt auch die gesamte Umlage.

 

Kapazitätsmarkt – brauchen wir eine Versicherung gegen den Stromausfall?

Der Bundesverband Neue Energieanbieter (BNE) – ein Zusammenschluss von Energieversorgern, die vor allem die Marktmacht der großen vier Stromkonzerne brechen will – hat eine interessante Studie zum Thema „Kapazitätsmarkt“ veröffentlicht. Das Thema wabert seit einigen Monaten durch die Fachwelt und nun wird es konkreter.

Die Idee ist eigentlich recht simpel: Der Anteil von flukturierendem Wind- und Solarstrom wird in den kommenden Jahren steigen – so ist es ja politisch gewollt. Das aber macht den Bau von so genannten Spitzenlastkraftwerken nötig, welche die Schwankungen abpuffern können.  So ein Gaskraftwerk wäre im Ernstfall aber vielleicht nur wenige Stunden am Netz –  so lange, wie eben eine Windflaute dauert oder die dicke Wolke vor der Sonne sitzt.

Wer aber ist bereit, in ein solches Kraftwerk zu investieren, das vielleicht übers Jahr gesehen nur ein paar Wochen am Netz ist? Eigentlich niemand, denn es ist ein gewagtes Kalkül, mit den Erlösen aus dem kurzen Zeitraum den millionenschweren Kraftwerksbau (plus Gewinn) zu finanzieren.

Und hier springt nun der Kapazitätsmarkt ein. Er garantiert den Investoren  eine Prämie für jede produzierte Kilowattstunde jedes bereit gestellte Kilowatt Leistung (Danke für die Anmerkung an den BNE, M.Uken). Sie soll per Umlage von allen Stromverbrauchern finanziert werden. Mit einem Vorlauf von mindestens fünf Jahren soll eine unabhängige Institution die benötigten Kraftwerkskapazitäten ausschreiben, um die sich dann Investoren bewerben können – mit Aussicht auf die Prämie. Wie hoch diese Prämie sein könnte, dazu hat der BNE leider keine Zahlen vorgelegt. Von einer „Versicherung gegen den Stromausfall“ spricht er.

Wichtig ist dem BNE, dass nur neu gebaute Anlagen (Zubauten) an der Auktion teilnehmen dürfen – sonst könnten ja eine RWE oder E.On einfach ein abgeschriebenes Kraftwerk am Netz behalten, mitbieten und die Prämie kassieren.

Es ist ein Thema, bei dem man erst ganz am Anfang der Diskussion ist. Denn natürlich lässt sich auch hinterfragen, ob Deutschland überhaupt den Bedarf an Spitzenlastkraftwerken haben wird. Und ob nicht der Markt das Problem selbst regeln kann – sprich: Hätten wir höhere Strompreise, dann wäre auch der Kraftwerksbau attraktiv.

Was meinen Sie, liebe Leser? Ich weiß, hier im Blog tummeln sich öfter ausgesprochene Energieexperten und ich freue mich über Ihre Kommentare! Brauchen wir eine weitere Umlage? Wer sich noch weiter einlesen will. Hier gibt es die Studie des BNE und einige Referate einer Fachtagung und hier eine Studie des Bremer Energie-Instituts zum gleichen Thema.

 

EEG-Novelle bremst Windstrom an Land aus – zu Recht?

Heute hat die Bundesregierung ein großes Energiepaket verabschiedet, das nicht nur den Ausstieg aus der Atomenergie festzurrt, sondern auch das Erneuerbare-Energien-Gesetz ändert. Das EEG setzt die Vergütungssätze für Ökostrom fest, die jeder Windmüller oder Solarwirt erhält. Wirklich interessant sind die Folgen für die Windbranche.

Die Offshore-Windparks dürfen sich über eine kräftige  Erhöhung der Vergütungssätze freuen. Auch die Degression (die gesetzlich garantierten Fördersätze je Kilowattstunde Ökostrom sinken von Jahr zu Jahr um einige Cents) verschiebt sich bei Offshore-Windstrom um noch einmal drei Jahre, da sich der Offshore-Ausbau verzögert habe, wie es im Entwurf heißt.

Anders dagegen die Situation für Windräder an Land. Unter den Ökostrom-Varianten Wind, Sonne, Biomasse, Geothermie sind sie ja zurzeit die kostengünstigste Alternative. Eine Erhöhung der Fördersätze für Windräder an Land sieht der EEG-Entwurf nicht vor. Stattdessen werden zwei Boni gestrichen, unter anderem der Repowering-Bonus.

Und ich würde jetzt mal sagen: Es hätte schlimmer kommen können (auch wenn der Bundesverband Windenergie die EEG-Novelle klagt). Warum sollte eine Technologie noch stärker per Umlage aller Stromkunden gefördert werden, wenn sich doch gerade zeigt, dass sie inzwischen fast auch ohne Zuschüsse im Vergleich zum konventionellen Strom mithalten kann. Das BMU kommt  zu folgendem Schluss:

„Der leichte Rückgang der Neuinstallationen im vergangenen Jahr ist nicht auf die Vergütung zurückzuführen, sondern auf eine zu geringe Ausweisung von Eignungsflächen, den langen Winter und sonstige Hemmnisse (z.B. Radar-Problematik). Für den weiteren Ausbau kommt es daher entscheidend darauf an, dass in den Ländern genügend Eignungsflächen ausgewiesen und restriktive Höhenbegrenzungen aufgehoben werden.“

Man kann gespannt sein, ob der EEG-Entwurf so den Bundestag passieren wird, oder ob es noch zu weiteren Änderungen kommt. Zu Recht wird ja etwa befürchtet, dass von der Offshore-Förderung vor allem die vier großen Stromkonzerne E.On, RWE, Vattenfall und EnBW profitieren, die sich das finanzielle Risiko der Offshore-Technologie leisten können.

Wenn man die Vier nicht überfördern will, sollte man vor allem ihre Marktmacht brechen. Das lässt sich nicht machen, indem man an den Offshore-Vergütungssätzen laboriert. Dafür braucht es strukturelle Eingriffe. Ein“Entflechtungsgesetz“, das Schwarz-Gelb laut Koalitionsvertrag aus dem Jahre 2009 plant, gibt es allerdings immer noch nicht.

 

Die Energiewende und ihre Kosten

Dieser Tage kursieren ja die verschiedensten Zahlen über die Kosten der Energiewende, also dem Ausstieg aus der Atomkraft und dem Einstieg in die Erneuerbaren. Das Bundeswirtschaftsministerium spricht von drei Milliarden Euro insgesamt, die Deutsche Energieagentur (dena) heute von einer Strompreissteigerung für Privathaushalte von etwa 20 Prozent, machmal ist auch von 70 Prozent die Rede. Drei Gedanken noch dazu:

– Was oft in Vergessenheit gerät: Wer auf Erneuerbare setzt, der spart sich den Import von Öl, Gas und Uran, um damit Energie zu erzeugen. Im vergangenen Jahr waren das insgesamt etwa 7,4 Milliarden Euro, schätzt der Bundesverband Erneuerbare Energien (pdf BEE-Jahreszahlen_2010).  (Ehrlicherweise muss man allerdings die Investitionen in erneuerbare Energien wiederum von den eingesparten Brennstoffimporten abziehen.)

– Dazu kommen noch die vermiedenen Umweltkosten – okay, ein ganz schön schwammiger Begriff. Aber klar ist, dass fossile Energieträger natürlich auch Schäden verursachen (Klimawandel, Waldsterben, Gesundheitsschäden). Eine grobe Schätzung des BEE geht von zusätzlich vermiedenen Kosten in Höhe von 8,3 Milliarden Euro in 2010 aus. Passend dazu auch die aktuelle Studie von Greenpeace Energy, welche die wahren Kosten von Atom- und Kohlestrom zu beziffern versucht und insbesondere auf die staatliche Förderung eingeht:

„So profitierte die Atomstromproduktion zwischen 1970 und 2010 von staatlichen Förderungen in Höhe von 186 Milliarden Euro. Der Steinkohle-Verstromung kamen 165 Milliarden Euro zugute, bei Braunkohle waren es 57 Milliarden Euro. Die erneuerbaren Energien erhielten im selben Zeitraum 28 Milliarden Euro, die Zusatzkosten des EEG (Erneuerbare-Energien-Gesetz) mit eingeschlossen.“

– Zwar fürchten die Energieversorger um die Gewinne aus den abgeschriebenen Meilern. Aber ob der Atomaustieg tatsächlich ein Minusgeschäft für sie wird? Die Financial Times Deutschland zitierte jüngst die Investmentbank Macquarie:

„Das höhere (Strom, die Red.)-Preisniveau verbessere die Marge der zunächst verbleibenden Kernreaktoren und des übrigen Kraftwerksparks von Eon und RWE so stark, dass eine vorzeitige schrittweise Schließung der Meiler bis etwa 2025 neutralisiert werde. „Letztlich sind die Auswirkungen auf die Gewinnschätzung und den fairen Aktienwert minimal“, so Matthias Heck von der Investmentbank Macquarie.“

 

Die Aschenbrödel-Wirtschaft: Wohlstand ohne Wachstum

Es ist ein Thema, das die Menschen offenbar bewegt: Der Saal der Grünen-nahen Böll-Stiftung in Berlin platze diese Woche bei der Präsentation des Buches  „Wohlstand ohne Wachstum – Leben und Wirtschaften in einer endlichen Welt“ aus allen Nähten.

Tim Jackson, Copyright: Sustainable Development Commission
Tim Jackson, Copyright: Sustainable Development Commission

Autor des Buches ist der britische Wirtschaftswissenschaftler Tim Jackson, Professor für Nachhaltige Entwicklung an der Universität Surrey.

Brauchen wir wirklich Wachstum, um Wohlstand zu erfahren? Jedes Quartal aufs Neue Wachstumsprognosen, noch mehr BIP-Prognosen? Jackson plädiert in seinem Buch, das jetzt erstmals auf Deutsch erschienen ist, für einen neuen Wohlstandsbegriff, der weniger auf materiellem Wohlstand beruht, sondern eher darauf, ein sinnerfülltes Leben zu führen – und zwar nicht zu Lasten der Umwelt.

Kaum überraschend, dass Jackson daher viel Zeit damit verbringt, an den Grundfesten unseres heutigen Wirtschaftssystems zu ruckeln. Es sind bekannte Streitpunkte, etwa die fehlende Aussagekraft des Wachstumsindikators Bruttoinlandsprodukt (BIP), der noch nicht einmal Effekte wie Umweltverschmutzung oder einfachste Dienstleistungen wie Hausarbeit betrachtet.

Es sind aber vor allem auch provokante Gedanken. Mit vielen Daten widerlegt etwa Jackson gekonnt den „Mythos Entkopplung“, den ja auch gerne deutsche Umweltpolitiker immer wieder beschwören. Er besagt, dass sich die Wirtschaftsleistung durch effizientes Wirtschaften vom Ressourcenverbrauch unabhängig machen kann. Auf den ersten Blick mag das stimmen, die globale Energieintensität sei etwa heute 33 Prozent niedriger als noch 1970, so Jackson. Betrachte man jedoch absolute Werte, dann falle auf, dass etwa die globalen CO2-Emissionen heute um fast 40 Prozent höher seien, als noch 1990. Jacksons Buch ist daher vor allem auch eine Konsumkritik.

Was aber wäre ein Wirtschaften, das nicht zu Lasten unserer Lebensgrundlagen und des Klimas geht? Jackson hat dafür den Begriff der Aschenbrödel-Wirtschaft geprägt („Cinderella-Economy“). Lokale Firmen, kommunale Energieprojekte, Bauernmärkte, Slow-Food-Genossenschaften, Büchereien. Noch fallen solche Projekte kaum ins Gewicht. Aber glaubt man Jackson, sind sie die Keime für ein neues, ressourcenschonenderes und umweltverträglicheres Wirtschaftssystem, das uns alle glücklicher machen könnte.

Ein spannendes Buch, das genau zum richtigen Zeitpunkt kommt. Denn spätestens seit der Finanzkrise – und vielleicht jetzt noch mehr nach dem AKW-Desaster in Japan – fragen sich viele Menschen, ob unsere derzeitige Art zu Wirtschaften die richtige ist.

Jetzt ist die Politik gefragt, Jackson entlässt sie nicht aus der Verantwortung. Denn sporadische Verzichts- und Entsagungsübungen des Einzelnen bringen nichts. Die Politik müsse die strukturellen Wachstumszwänge aufbrechen, fordert Jackson. Na, wie gut, dass alle Mitglieder der neuen Bundestags-Enquete-Komission „Wachstum, Wohlstand, Lebensqualität – Wege zu nachhaltigem Wirtschaften und gesellschaftlichem Fortschritt in der sozialen Marktwirtschaft“ Jacksons Buch erhalten haben.

Tim Jackson: Wohlstand ohne Wachstum – Leben und Wirtschaften in einer endlichen Welt, oekom Verlag München, 19,95 Euro

 

Deutschland importiert jetzt mehr Atomstrom

Das Atommoratorium hat ungewünschte Nebenwirkungen. Seitdem sieben Atommeiler vom Netz gegangen sind, importiert Deutschland doppelt so viel Strom aus Frankreich wie bisher. Das hat der Bundesverband der Energie-und Wasserwirtschaft (BDEW) heute bekanntgegeben (pdf-Dokument in der rechten Spalte: „Analyse: Entwicklung von Stromerzeugung, Stromaustausch und Großhandelspreisen im März 2011“):

„Mit dem Herunterfahren der Kernkraftwerke kehrte sich dies um, seit dem 17. März ergibt sich ein Einfuhrüberschuss von rund 50 GWh/Tag. Die Stromflüsse aus Frankreich und Tschechien haben sich verdoppelt, die Stromflüsse in die Niederlande und in die Schweiz haben sich etwa halbiert.“

Das Problem: Frankreich setzt wie kaum ein anderes Land auf Atomstrom, zurzeit macht der Kernenergieanteil am Strommix fast 80 Prozent aus. Wenn Deutschland also – zumindest temporär – aus der Kernkraft aussteigt,  bedeutet das leider nicht, dass der zusätzliche Strombedarf bereits aus heimischer Wind-, Solar- oder Biomasseenergie gedeckt werden kann.

Und selbst wenn wir genügend Ökostrom produzieren würden – es fehlt an Stromleitungen. Gerade Süddeutschland, wo besonders viele Meiler zurzeit abgeschaltet sind, benötigt Strom. Windstrom mag es  jede Menge an der Nordsee geben. Aber es fehlt an Stromleitungen, um ihn gen Süden zu transportieren. Also wird Atomstrom aus Frankreich importiert.

Höchste Zeit also auch, dass die Bundesregierung endlich die Bürger darauf einstimmt, was die Energiewende für sie bedeuten wird: nämlich auf jeden Fall mehr Strommasten am Horizont.

Ergänzung 20:28 Uhr: Greenpeace kritisiert auf SPIEGEL ONLINE die Meldung des BDEW als „rein künstliche Debatte“:

„Andree Böhling, Energieexperte von Greenpeace, wirft dem Lobbyverband vor, eine „rein künstliche Debatte zu führen“. Es sei nämlich nicht so, dass in Deutschland die Kapazitäten ohne den Strom der abgeschalteten Alt-Meiler nicht mehr reichen würden. „Die gestiegenen Importe erklären sich vielmehr mit der Reaktion der Strommärkte, die sich immer mit dem günstigsten Strom versorgen – und der kann zeitweise auch verstärkt von Atomkraftwerken aus Frankreich kommen.“

 

Atomskandal in Brasilien – mit Folgen für Deutschland

Es ist eine ganz schön pikante Geschichte: Der Chef der brasilianischen Atomaufsicht musste dieser Tage zurücktreten, meldet die atomkritische Organisation urgewald. Brasilien lässt, wie ja auch Deutschland, wegen des Atomunglücks in Fukushima sein (einziges) AKW Angra auf Sicherheitsstandards überprüfen. Es steht in der Nähe von Rio de Janeiro und besteht aus zwei Reaktoren.

Dabei stellte sich heraus, dass das AKW Angra 2 seit mehr als zehn Jahren ohne eine dauerhafte Betriebsgenehmigung am Netz ist. Zwar bekommt es Genehmigungen ausgestellt, aber diese gelten nur für jeweils ein Jahr – weil der Katastrophenschutz am AKW unzureichend sei, wie urgewald vermutet. So liege das AKW in einem Erdrutschgebiet, Zufahrtsstraßen seien öfter schon unpassierbar gewesen.

Brisant ist: Auch Deutschland hängt in der Geschichte drin. Denn für den Neubau eines weiteren AKWs an gleichen Standort, für Angra 3, hat die schwarz-gelbe Bundesregierung vergangenes Jahr eine Hermes-Bürgschaft in Höhe von 1,3 Milliarden Euro gewährt. Zahlreiche Organisationen hatten gegen die Exportkreditbürgschaft für Areva/Siemens protestiert. Zumal die brasilianische Atomaufsicht alles andere als unabhängig sei, da sie sowohl für die Förderung als auch für die Kontrolle der Atomenergie zuständig sei.

Atomkraftkritiker wie Barbara Happe von urgewald fordern daher jetzt eine Rücknahme der Bürgschaft – unter anderem auch auf der Aktionsplattform campact:

„Wenn in Deutschland Atomkraftwerke wegen des Unglücks in Fukushima überprüft werden, dann muss das auch für das deutsche Außenengagement gelten. Die Bundesregierung muss die Bürgschaft für Angra 3 zurückziehen.“

Die Forderung könnte erfolgreich sein. Bürgschaften für Kernkraftwerke wolle die Bundesregierung zukünftig sorgfältiger prüfen, zitierte vergangene Woche der Spiegel ein Schreiben aus dem Bundeswirtschaftsministerium. Das ist zwar noch kein Entzug der Bürgschaft, aber ein Anfang.

 

Nach der Wahl: BaWü könnte bei Windenergie aufholen

Gerade einmal acht Windräder gingen vergangenes Jahr in Baden-Württemberg ans Netz, schreibt das Institut für ökologische Wirtschaftsforschung (IÖW) in seiner jüngsten Studie. „Erbärmlich“ nennt das der Bundesverband Windenergie. Denn es fehlt nicht an geeigneten Standorten, bis 2020 ließe sich die Windkraftleistung von aktuell 467 Megawatt auf 2400 Megawatt erhöhen, schätzt Greenpeace. Bislang aber haben offensichtlich vor allem die regionalen Planungsbehörden nur sehr zögerlich Flächen für Windparks ausgewiesen.

Das könnte sich nun ändern. Die gestrige Landtagswahl war ja vor allem auch eine Abstimmung über die Energiepolitik und den atomfreundlichen Kurs von Union und FDP. Jetzt wird Windfried Kretschmann voraussichtlich als erster grüner Ministerpräsident Deutschlands in Baden-Württemberg das Sagen haben – und für die Erneuerbaren könnten bessere Zeiten beginnen. Der Bundesverband Windenergie hofft auf eine Energiewende im Ländle. „Gerade EnBW muss jetzt ganz schnell auf erneuerbare Energien umsteigen“, sagt ein Sprecher. Und Investitionen in erneuerbare Energien würden sich rechnen, so die IÖW-Studie:

„Land und Kommunen würden durch eine Zunahme der Wertschöpfung um fast das Dreifache auf 388 Millionen Euro profitieren. Das bedeutet dreimal mehr Steuereinnahmen, Einkommen und Unternehmensgewinne im Land.“

 

Größter Anti-Atom-Protest in Deutschland

… nur flott eine Zahl: Mindestens 200.000 Menschen (die Veranstalter sprechen von 250.000) haben gestern deutschlandweit für die sofortige Abschaltung der Atomkraftwerke protestiert. Da bin ich wirklich gespannt, welche Ergebnisse die Landtagswahlen in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz heute abend ergeben.

Nicht nur der Politik, auch den Energiekonzernen sind die aktuellen Entwicklungen nicht geheuer. Laut SPIEGEL wollen RWE und Eon gegen das Moratorium klagen. Siemens erwägt zudem offenbar einen Ausstieg aus dem geplanten Joint Venture mit dem russischen Atomkonzern Rosatom.

 

Sind die smarten Stromzähler ein Flop?

„Smart Meter“ heißen sie – intelligente Stromzähler, die den Stromverbrauch digital anzeigen können. Geht es nach der Politik, sollen sie bald flächendeckend in deutsche Haushalte einziehen und so Kunden zum Stromsparen animieren. Am Computer lässt sich dann ablesen, wie sich der Verbrauch entwickelt und welche Geräte  Stromfresser sind. Stromkonzerne wie etwa Yello werben für den Wechsel zur digitalen Box, in Neubauten sind sie bereits bereits Pflicht.

Doch inzwischen mehren sich die Kritiker. „Placebo-Maßnahme“, „Geldvernichtungsmaschine“ oder „das nächste E10 der Politik“ sind noch die freundlicheren Bewertungen, die ich jüngst über die „smart meters“ gehört habe. Der Vorwurf: Die digitalen Stromzähler rechnen sich bislang in den wenigstens Fällen und sind technisch unausgereift.

So bietet etwa die EnBW-Tochter Yello inzwischen deutschlandweit den Digi-Stromzähler an –  79 Euro kostet die Installation. Wer dann dazu passend den Sparstromtarif wählt, kann ein bis drei Cent je Kilowattstunde sparen. Aber leider gibt´s den Stromspartarif nur zwischen 22 und 6 Uhr . Bei welchen Geräten ist man tatsächlich bereit, sie gezielt nur nachts anzuschalten? Die Wasch- und die Spülmaschine vielleicht, den Fernseher wohl kaum.

Wie erfolgreich die digitalen Zähler ankommen, mag Yello auf Anfrage nicht konkretisieren. In einer Email heißt es:

„Wir decken mit unserem Produktangebot „Yello Sparzähler online“ die natürliche Nachfrage ab. Bitte haben Sie jedoch Verständnis dafür, dass wir aus Wettbewerbsgründen keine konkreten Verkaufszahlen nennen.“

Na, nach einem riesigen Ansturm klingt das nicht.

Das Problem ist: Selbst wenn der Stromkunde nun seinen Verbrauch kennt und schick am Computer ablesen kann – einen Anreiz, etwas im großen Stil zu ändern, hat er noch nicht. Dafür fehlen passende Stromtarife am Tag, sagt Yello:

„Der Yello Zähler ist  technisch auch heute schon in der Lage, noch  variablere Tarife abzubilden – allerdings können wir solche Tarife erst  dann anbieten, wenn der regulatorische Rahmen insbesondere durch die  Bundesnetzagentur hierfür geschaffen ist.“

Vor allem aber fehlen Geräte, die ihren Stromverbrauch selbst steuern können: Die Kühltruhe, der sich selbst anschaltet, wenn gerade viel günstiger Windstrom im Netz ist. Und sich über die Mittagszeit, wenn der Strombedarf generell hoch ist, mal für ein paar Stunden selbst abschaltet.

So lange die Technik im Haus noch nicht so weit miteinander vernetzt ist, sind die digitalen Kästen vor allem etwas für Technikbegeisterte. Und einige Fachleute schätzen, dass die Stromsparmöglichkeiten in der Industrie sowieso viel größer sind als bei den Privatkunden.