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Was Ölpipelines und Biogemüse verbindet

Das städtische Gärtnern ist ja schon seit einigen Jahren Thema. Aber in einer so originellen Form wie in Rio de Janeiro dürfte es eher selten zu bewundern sein. Am Stadtrand der brasilianischen Sieben-Millionen-Einwohner-Stadt (das ist nur der Kernbereich von Rio) bewirtschaften 16 Familien Flächen, die der staatliche Ölkonzern Petrobras sonst mühsam von Büschen und Bäumen freihalten müsste. Da, wo im Untergrund Wasserrohre und Ölpipelines verlegt sind, bauen die Familien als Biolandbau-Kooperative Salat und Gemüse an.

Eine Nichtregierungsorganisation hatte diese Idee, die beiden Seiten hilft. Petrobras muss die Rohre nicht mehr vor Tiefwurzlern schützen. Und die Bauernfamilien verdienen sich einen bescheidenen Lebensunterhalt. Auf etwa die Höhe eines Mindestlohns, also 640 Real (knapp 250 Euro), kommt die Chefin der Kooperative Univerde, Alzeni da Silva Fausto. Petrobras hat mit der Kooperative einen ordentlichen Vertrag gemacht. Er garantiert den Familien die Nutzungsrechte für das Land, die sie sogar vererben dürfen, wenn sie sich an die Regeln halten. Sie dürfen also nur Pflanzen anbauen, deren Wurzeln nicht mehr als 30 Zentimeter in die Tiefe reichen, und Tiere dürfen auf diesem Land auch nicht gehalten werden. Dafür hat Petrobras den Bauern Brunnen zur Verfügung gestellt; die Bauern selbst bezahlen nur den Strom für die Pumpen.

In der Kooperative haben die Frauen das Sagen. Vier von fünf Führungspositionen bei Univerde sind in der Hand der Frauen. Mit einem klapprigen Kombi, „der mal fährt und mal nicht“, bringen sie im Monat rund eine Tonne Gemüse auf die Märkte der Umgebung, einmal die Woche auch in der Innenstadt von Rio. Dieser Markt ist allerdings den Mitarbeitern von Petrobras vorbehalten. Außerdem beliefern die Stadtgärtner Schulkantinen. Dabei hilft ihnen ein Gesetz, das vorschreibt, dass öffentliche Institutionen wie Schulen, Krankenhäuser oder Kindergärten 30 Prozent ihrer Waren von Kleinbauern beziehen müssen. Für Univerde ist das ein Segen, weil sie anderenfalls wohl kaum den Zuschlag dafür bekommen hätten.

Ob sie keine Angst haben, dass ihre mühsam gezogenen Bio-Salt- oder ihre Kohlköpfe womöglich im Öl versinken könnten? Nein, sagt Alzeni da Silva Fausto, in den Pipelines gebe es eine automatische Überwachung. Und in den genau sieben Jahren, in denen das Pilotprojekt nun existiert, hat es offenbar noch nie Probleme mit den Pipelines gegeben. Seit sie ihr Land bearbeitet, fühlt sich nicht nur Alzeni da Silva viel gesünder. Eine ihrer Mitstreiterinnen berichtet von Depressionen, die sich durch die Arbeit, die Vermarktung des Gemüses und das daraus gewonnene Selbstbewusstsein stark gebessert haben. Doch dass das harte Arbeit ist, daran lässt die Chefin der Kooperative auch keinen Zweifel. Sie arbeite sieben Tage die Woche auf ihrer Parzelle: „Die Landwirtschaft gibt keine Pause.“

Am anderen Ende der Stadt wird derweil auf der Vorkonferenz des dritten Weltgipfels Rio + 20 über das Konzept einer umweltverträglichen Wirtschaftsweise (Green Economy) verhandelt. Was das sein könnte, zeigen die Bio-Bäuerinnen von Univerde und ausgerechnet der staatliche Ölkonzern Petrobras mit ihrer bemerkenswerten Kooperation. Alle mal hersehen!

Warnschild

 

Die Solarbürste

Ridha Azaiz ist seit mehr als zehn Jahren im Geschäft. Nur mit seinem Studium ist er noch nicht fertig. Der Maschinenbaustudent kommt aus Stuttgart und hat schon als Schüler eine Geschäftsidee gehabt. Denn Fotovoltaikanlagen, die staubig und schmutzig sind, oder die vom Saharawind mit Sand bedeckt werden, haben nur noch eine geringe Energieausbeute. Ridha Azaiz hat deshalb einen Reinigungsroboter entwickelt. Genau genommen sind es zwei: Einer reinigt Solarpanele auf Flachdächern und einer reinigt solche mit einem Neigungswinkel bis zu 45 Grad. „Solarbrush“ heißt sein Produkt und seine  Firma. Doch bevor Azaiz richtig loslegen kann, muss er erst noch sein Studium beenden.

Dass es nach dem Studium richtig losgeht, könnte auch mit einer fast zufälligen Begegnung zu tun haben, die Ridha Azaiz in der vergangenen Woche im Garten des Bundespräsidenten hatte. Bei der „Woche der Umwelt“ im Garten von Schloss Bellevue hatte der frühere Umweltminister und spätere Chef des Umweltprogramms der Vereinten Nationen, Klaus Töpfer, zwischen zwei Podiumsdiskussion ein bisschen Zeit – und stolperte über Ridha Azaiz. Der junge Mann mit tunesischem Vater und deutscher Mutter nutzte die Gelegenheit zum gemeinsamen Foto.  Und Klaus Töpfer, der als Berater für das Desertec-Projekt arbeitet, nahm sich seine Visitenkarte mit. Denn „wer in der Wüste Solaranlagen bauen will, muss wissen, wie er sie vom Sand befreit“, meinte er.

Genau dafür, findet Ridha Azaiz, hat er die beste Lösung gefunden. Im Vergleich mit einer mechanischen Reinigung („Arbeitskosten“, argumentiert der Erfinder) oder einer Sprinkleranlage (teurer als seine Solarbürste) schneidet seine robotergesteuerte Bürste besser ab, findet er. Klaus Töpfer war von dem jungen Mann angetan. „Die Energiewende setzt Kreativität frei“, meinte er. Azaiz wiederum wird Töpfer nach seinen Prüfungen zweifellos daran erinnern, was er dem Wüstenstromprojekt Desertec zu bieten hat. In Kairo hat er sein System schon ausprobiert. Was noch fehlt, ist eine Produktion im großen Stil. Und die wird bestimmt auch nicht mehr lange dauern. Den deutschen Nachhaltigkeitsrat hat Ridha Azaiz schon überzeugt. Er zeichnete „Solarbrush“ im vergangenen Juni als Projekt der „Werkstatt N“ aus, was so viel heißen soll wie Werkstatt Nachhaltigkeit. Auch die Jury von „Deutschland, Land der Ideen“ hat den Maschinenbaustudenten bereits ausgezeichnet. Und auch einen Clean-Tech-Award kann Azaiz bereits vorweisen. Einer großen Karriere als Erfinder und Geschäftsmann sollte nichts im Wege stehen.

 

 

Gärtnern in der Stadt: unten Fisch, oben Gemüse

Seitdem ich vor Kurzem über die Pläne einer schwedischen Kleinstadt geschrieben habe, groß ins Geschäft mit Agrar-Hochhäusern einzusteigen (jahaaa, ich weiß, es sind nur Pläne), kommen mir immer öfter städtische Garten- und Landwirtschaftsprojekte unter.

Dazu gehörte jüngst das Start-up „Efficient City Farming“. Die Berliner kombinieren dabei eine Fischfarm mit einem Gewächshaus, alles in einem ausrangierten Schiffscontainer. Dahinter steckt eine patentierte Technologie des Leibniz-Instituts für Gewässerökologie und Binnenfischerei: Die Nährstoffe und die Fischrückstände werden recycelt und können anschließend als Dünger direkt in dem Gewächshaus verwendet werden. Unten Fischtank, oben Gewächshaus, das ist die Idee. Die Berliner Malzfabrik hat sich nun das erste Pilot-Fisch-Gewächshaus hingestellt und sucht übrigens für 200 Barsche noch Paten. Im Gewächshaus wachsen bereits Tomaten, Melonen und Basilikum, es funktioniert also tatsächlich.

Diese City Farming-Projekte finde ich ja durchaus spannend. Als ich mit Christian Echternacht, einem der Gründer von ECF kürzlich telefonierte, erzählte er mir, dass das Interesse von großen deutschen Einkaufsketten enorm sei. ECF sei bereits mit drei Ketten im Gespräch (jahaa, bislang hat ECF noch keines dieser Projekte verkauft). Für verschiedene andere Interessenten erstelle man zurzeit Machbarkeitsstudien. Denn natürlich muss es nicht immer nur ein einziger klassischer 20-TEU-Container sein, das geht auch in einer anderen Liga. In Hamburg plant ein Investor mit einer Fläche von 1.000 Quadratmetern.

Was es allerdings nicht werden darf: ein grünes Feigenblatt für den Handel. Ja, es ist ein nettes i-Tüpfelchen, wenn der Supermarkt ums Eck vielleicht noch Gemüse aus den Containern anbietet. Oder dass ich den Fisch vor Ort aussuchen und vielleicht noch selbst angeln kann.

Aber zugleich ist es auch wichtig, die Anbauflächen und das Massengeschäft für Obst und Gemüse auf eine nachhaltige Wirtschaft umzustellen. In Deutschland wurden nach Angaben des Bunds Ökologische Lebensmittelwirtschaft 2009 knapp zehn Prozent des Gemüses (inklusive Erdbeeren) nach Bio-Kriterien angebaut, bei Obst sind es sogar noch weniger. Da gibt es also noch Luft nach oben.

Ergänzung 13:14 Uhr: In Deutschland machten übrigens Bio-Anbauflächen an der gesamten Landwirtschaftsfläche 6,1 Prozent aus. In Spanien, einem der wichtigsten Gemüse- und Anbauländer Europas, waren es 2010 nach Angaben des Schweizer Forschungsinstitus für biologischen Landbau 5,9 Prozent.

 

Die FDP als Bremser der Energiewende

Dass die FDP die Energiewende nicht will, ist keine Neuigkeit. Seit dem Wochenende bemühen sich Wirtschaftsminister Philipp Rösler, der zudem FDP-Parteichef ist, und der FDP-Fraktionsvorsitzende Rainer Brüderle auch aktiv um eine Abschaffung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes.

Die beiden Politiker wollen Ökostrom nicht mehr dadurch fördern, dass Wind- oder Sonnenstrom vorrangig ins Stromnetz eingespeist und die Vergütung dafür, nach Technologien gestaffelt, über 20 Jahre hinweg garantiert werden. Stattdessen schlagen sie eine Quotenregelung vor. Durch sie würden Energiekonzerne verpflichtet, einen bestimmten Anteil erneuerbar erzeugten Stroms aufzukaufen.

Das ist nichts anderes als eine Entschleunigung der Energiewende. Denn zum einen haben Quotenmodelle in der Praxis bisher nicht funktioniert. Es hat ja einen Grund, warum Großbritannien und Italien sie abgeschafft und einen Einspeisetarif nach deutschem Vorbild eingeführt haben. Zum anderen hat sich dort auch gezeigt, dass die Kosten höher waren als die des EEG.

Rösler und Brüderle finden die Quotenregelung trotzdem attraktiv. Denn damit lässt sich der Ausbau der erneuerbaren Energien, die zu einem echten Konkurrenten für die etablierten Konzerne geworden sind, wirksam ausbremsen. Ist die Quote erreicht, ist der Sack zu. Und einen Einspeisevorrang gibt es dann auch nicht mehr. Dann lohnen sich auch Kohlekraftwerke wieder. Und das ist Philipp Rösler ja ein besonderes Anliegen („Kraftwerke, ja bitte!“).

Wenn über die hohen Kosten für das EEG gejammert wird, sollte man sich dabei immer vor Augen führen, dass eine vierköpfige Familie derzeit im Monat nicht einmal den Gegenwert einer Packung Zigaretten für den Ausbau erneuerbarer Energien aufbringen muss. Billiger wäre der Strom auch dann nicht, wenn stattdessen neue Kohlekraftwerke gebaut würden. Denn auch diese Investitionen werden letztlich von den Stromkunden bezahlt. Und der deutsche Kraftwerkspark ist alt und hat eine Überholung ohnehin nötig. Dazu kommt, dass die EEG-Umlage höher ist, als nötig, weil die Industrie großzügig von der Umlage befreit worden ist. Am Wochenende hat Rösler sogar vorgeschlagen, auch den Mittelstand noch von den Kosten zu entlasten. Übrigens zahlt die Industrie auch keinen Cent für den Netzausbau, aber das nur nebenbei.

Zudem hat die schwarz-gelbe Koalition eine Marktprämie eingeführt, die angeblich die erneuerbaren Energien näher an den Markt heranführen soll, bisher aber vor allem höhere Kosten produziert und zwar rund eine Million Euro am Tag. Und zuletzt schadet es den erneuerbaren Energien sogar, dass ihre massenhafte Einspeisung bei Sonnenschein oder gutem Wind den Börsenpreis für die Industriekunden drückt. Denn dann wird der Abstand zur Einspeisevergütung wieder größer und die Umlage steigt. Die Entlastung der Industrie durch günstige Strompreise wird so den erneuerbaren Energien angelastet und von den Haushaltskunden bezahlt. Ein Konstruktionsfehler!

Dabei hat Rösler in einem Punkt sogar Recht. Der Ökostromanteil liegt inzwischen bei mehr als 20 Prozent. Das EEG hat keine allzu lange Zukunft mehr, weil es ja darum geht, dass die erneuerbaren Energien 80 bis 100 Prozent des Stroms liefern. Um das zu erreichen, braucht es ein neues Strommarktdesign. Und Wahlkampf hin oder Wahlkampf her, es ist Zeit darüber zu reden, wie ein Strommarkt aussehen kann, auf dem Wind- und Solarstrom den größten Anteil am Geschäft haben. Die reine Umwälzung, also der Verkauf des erneuerbar erzeugten Stroms an die Übertragungsnetzbetreiber, die den Strom dann an der Börse vermarkten, ist dafür kein geeignetes Mittel.

Die erneuerbaren Energien sind kein Minderheitenprodukt mehr. Sie sollten ihre Wettbewerbsvorteile auch ausspielen können. Doch dazu braucht es ein neues Marktmodell. Die Diskussion darüber hat gerade erst begonnen.

 

Nicht schlecht: Altmaiers Start als Umweltminister

So, heute Morgen lehne ich mich mal weit aus dem Fenster. Ich finde, der neue Bundesumweltminister Peter Altmaier (CDU) legt einen wirklich ganz passablen Start im Amt des Bundesumweltministers hin. Selten war so viel Engagement in der Chefetage, allein kommende Woche nimmt er an sieben Terminen teil (unter anderem wagt er sich gleich ins Bundeswirtschaftsministerium, Feindesterrain sozusagen).

Diese Woche fährt er am Freitag in die Asse ein – und das nach gerade einmal zwei Wochen im Amt. Sein Amtsvorgänger Norbert Röttgen brauchte dafür zwei Jahre. Heute kündigte er zudem einen zehn-Punkte-Plan bis zur Sommerpause an, was er alles bis zur Bundestagswahl 2013 erledigen will. Neben der Energiewende will er sich vor allem auf das Thema „Klimaschutz“ konzentrieren.

Entscheidend wird natürlich jetzt sein, was Altmaier nach den Sommerferien alles anpacken und vor allem umsetzen wird. Wird da mehr kommen, als ein „Der Abschied von der Kernenergie ist definitiv und endgültig„, wie er heute sagte? Jetzt geht es nicht mehr nur darum, Bekanntes zu bekräftigen und mit allen Akteuren und Widersachern zu sprechen, sondern vor allem darum, Entscheidungen zu treffen. Bekommt er etwa jetzt schnell die Einigung mit den Bundesländern hin, ein Endlagersuchgesetz zu verabschieden? Röttgen hatte ja zuletzt immer betont, dass man kurz vor einer Einigung stehe.

Übrigens, selten war ein Minister wohl so Twitter-engagiert. Mehr hier: @peteraltmaier. Und selbst das Bundesumweltministerium twittert inzwischen unter @bmu_de (allerdings auch oft Retweets vom Chef und schnöde Terminhinweise).

 

Wenn erneuerbare Energien stören

Hochspannungsleitungen stehen im Mittelpunkt der Debatte über den Netzausbau. Foto: dpa

Am Mittwoch wollen die vier Stromnetzbetreiber in Deutschland ihren Ausbauplan vorlegen. Erste Details sind schon bekannt. Demnach müssen in Deutschland neue Leitungen mit einer Länge von rund 3.800 Kilometern gebaut werden. Wirklich neu ist diese Zahl nicht, die Dena-Netzstudie II kam bereits zu einem ähnlichen Ergebnis.

Der Plan der Netzbetreiber soll die Basis für einen bundesweiten Stromnetzentwicklungsplan bilden. Doch nun will der Chef der Deutschen Energieagentur (Dena), Stephan Kohler, den Ausbau der erneuerbaren Energien an den Ausbaufortschritt beim Stromnetz koppeln. Der Nachrichtenagentur dapd sagte er: „Wir raten dazu, den Ausbau von Windkraft- und Solaranlagen in Nord- und Ostdeutschland so zu steuern, dass er synchron verläuft mit dem Ausbau der Trassen.“

Und Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP), der schon im vergangenen Jahr mit der Plakatkampagne „Kraftwerke – ja bitte!“ aufgefallen ist, wird von der Nachrichtenagentur dpa so zitiert: „Unbedingte Voraussetzung für das Gelingen der Energiewende sind zusätzliche fossile Kraftwerke, der Bau neuer Stromleitungen und die Bezahlbarkeit von Energie. Nur wenn Strom für Verbraucher und Unternehmen bezahlbar bleibt, wird der Umbau der Energieversorgung akzeptiert.“ Und dann gibt es auch noch den neuen Bundesumweltminister Peter Altmaier (CDU), der den Ausbau der Solaranlagen mit dem Netzausbau in Einklang bringen will, weil sonst bei zu viel Sonne die Abschaltung von Solarparks drohe.

Da beginnt man sich doch zu fragen, ob die Energiewende bei diesen drei Herren wirklich in guten Händen ist. Wer, wie Stephan Kohler, den Ausbau erneuerbarer Energien an den Netzausbau koppeln will, will sie vor allem ausbremsen. Die Regierung hat beschlossen, die Stromversorgung bis 2050 mit mindestens 80 Prozent aus erneuerbaren Energien decken zu wollen. Das geht nach Kohlers Lesart aber nur, wenn nicht mehr so viele Erneuerbare-Energie-Anlagen gebaut werden. Aha. Der übermäßige Ausbau, wenn man ihn so sehen will, von Solaranlagen im Osten, dürften sich mit den jüngsten Solarstrom-Kürzungen für große Freiflächenanlagen ohnehin erledigt haben. Warum also warnt Köhler noch mal davor?

Mit den Windstromausbauplänen in den Ländern hat er zwar Recht. Aber geht der Netzausbau wirklich schneller, wenn erst das Netz und dann die Windräder gebaut werden? Im Süden wiederum, wo die meisten Solaranlagen gebaut werden, ist Altmaiers Forderung, ihren Ausbau an den Ausbau des Stromnetzes zu koppeln auch wenig zielführend. Denn der Solarstrom spielt in den großen Verteilnetzen kaum eine Rolle. Er bringt allerdings die lokalen und regionalen Stromnetze an ihre Grenzen. Dafür gibt es aber weder einen Netzentwicklungsplan noch überhaupt einen Plan. Die meisten lokalen und regionalen Netzbetreiber wissen nicht einmal, was in ihren Netzen los ist, seit diese keine reinen Verteilnetze mehr sind, sondern immer mehr Fotovoltaikanlagenbetreiber ihren Solarstrom einspeisen. Und das wirft Fragen auf für den Netzentwicklungsplan. Denn was ist von einem Höchstspannungsnetz zu halten, das unabhängig von den darunter liegenden Spannungsebenen gebaut wird? Da besteht zumindest das Risiko, sich eine Infrastruktur ans Bein zu binden, die schon in zwanzig Jahren niemand mehr braucht.

Besonders abwegig aber hat sich mal wieder der Bundeswirtschaftsminister geäußert. Es stimmt schon, es braucht Stromleitungen, aber keineswegs nur Hochspannungsleitungen, und womöglich auch gar nicht so viele, wie die Netzbetreiber sich das vorstellen können. Aber Rösler will fossile Kraftwerke. Er will sie vielleicht auch als Backup für Wind- und Solarstrom, die nicht immer in gleicher Menge verfügbar sind. Aber vor allem will Rösler sie als Ersatz für die Atomenergie, weil für ihn die Vokabel Energiewende offenbar nur bedeutet, dass die Kernkraftwerke bis 2022 stillgelegt werden. Warum neue fossile Kraftwerke, die nur noch stundenweise laufen, den Strompreis für die privaten und industriellen Verbraucher stabilisieren sollen, dafür hat er keine Antwort. Denn die müsste auch lauten: Das macht den Strom eher noch teurer. Die alternde Flotte deutscher Kohlekraftwerke müsste in den kommenden zehn Jahren ohnehin ersetzt werden. Auch das würde den Strompreis nach oben treiben. Der Ausbau erneuerbarer Energien ist für diese Kostensteigerungen nicht allein verantwortlich, und wüsste der Wirtschaftsminister, wovon er redet, dann wüsste er das auch.

 

Schokolade und Kinderarbeit

Ja, ich gestehe: Auch ich kann Schokolade nicht widerstehen, Favoriten sind sämliche Kombinationen mit Espressosplittern. Als ich allerdings die aktuelle Studie des Südwind-Instituts zur Wertschöpfungskette Schokolade durchgelesen habe, wurde mir doch ein bisschen anders. Detailliert hat die NGO einmal die Lieferantenkette im weltweiten Kakaohandel analysiert und aufgeschrieben, wer eigentlich die wichtigsten Player sind und wer wo profitiert. Es ist ein kleiner Krimi.

Mehr als 5,5 Millionen Kakaobauern leben weltweit zurzeit vom Anbau der Kakaopflanzen. Das größte Problem ist die Armut, denn die Erlöse aus dem Verkauf reichen in der Regel kaum aus, die Familien dauerhaft zu ernähren. Ein ausführliches Kapitel widmet der Bericht daher dem Thema Kinderarbeit.

Südwind zitiert eine Studie aus dem Jahr 2009, nach der allein in der Elfenbeinküste mehr als 260.000 Kinder in der Kakaobranche arbeiten – und zwar unter Umständen, die internationalen Konventionen gegen Kinderarbeit widersprechen. Südwind schreibt:

„Immer wieder gibt es Berichte, dass aus den Nachbarländern Mali und Burkina Faso Kinder an Kakaobauern in der Elfenbeinküste verkauft werden. Genaue Zahlen liegen nicht vor, doch vermutlich arbeiten viele Tausend Kinder unter sklavenähnlichen Bedingungen auf den Kakaoplantagen.“

Südwind zieht aus der Studie die Forderung nach höheren Preisen für die Kakaobauern. Weil der Kostenanteil des Kakaos an der Schokolade so gering ist, seien höhere Preise für die Kakaobauern leicht umzusetzen und würden kaum Preissteigerungen für die Kunden (also für mich) nach sich ziehen:

„Die Analyse belegt, dass eine Verbesserung der Situation in den Kakaogebieten nur zu sehr geringen Preiserhöhungen in der Produktionskette führen würde. Eine durchschnittliche Tafel Vollmilchschokolade enthält lediglich Kakao im Wert von rund sechs Cent, und bei den derzeitigen Zertifizierungsansätzen liegt der Aufpreis für Schokolade aus nachhaltiger Produktion derzeit bei rund einem Cent pro Tafel.“

Nun könnte man sagen: Ja, wie schön, ist aber alles weit weg. Doch es gibt dazu ganz aktuelle Entwicklungen in Deutschland. Mitte Juni wird sich in Deutschland das Forum nachhaltiger Kakao gründen, mit dem Ziel, den Anteil nachhaltig produzierten Kakaos in Schokolade zu steigern. Selbst Unternehmen wie Rewe, Mars und der Bundesverband der Süßwarenindustrie sowie die zuständigen Fachministerien machen mit.

Es könnte der erste Schritt zu fair gehandelter Schokolade für die Masse sein.

 

Studie: Ärmere Menschen glauben eher an „Grüne Geschäfte“

Das Geschäft von Edelman dreht sich eigentlich um Werbespots, Firmenauftritte und schicke Hochglanzfotos. Seit fünf Jahren gibt die amerikanische Kommunikationsagentur aber auch den Good Purpose-Report heraus, der analysiert, welche Rolle das soziale Engagement von Firmen für Kunden spielt.

Interessant ist das Ergebnis in diesem Jahr: Für Menschen in wirtschaftlich schnell wachsenden Staaten wie China, Indien und Brasilien spielt das soziale und ökologische Firmenengagement eine weitaus größere Rolle bei Kaufentscheidungen als für Amerikaner oder Europäer, also Menschen aus Industrienationen. Während nur etwa ein Drittel der Befragten aus den Industrienationen auf solche Themen achten, sind es in den Schwellenländern mehr als doppelt so viele. Dort engagieren sich die Menschen laut Studie auch stärker in lokalen Vereinen und spenden mehr Geld.

Global Deck: 2012 Edelman goodpurpose Study

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Warum ist das so? Das US-Magazin Good befragte die Studiemacher. Die fünf Hypothesen sind wirklich interessant. Unter anderem hänge demnach die Wertschätzung grüner Themen  auch mit der demografischen Zusammensetzung einer Gesellschaft zusammen. Ältere Menschen würden Investitionen in Bildung, Umweltschutz und andere Güter, die sich vielleicht erst langfristig rechnen, weniger wertschätzen (gewagte These, würde ich mal sagen, oder?).

Zudem mache der wirtschaftliche Abschwung in den Industrienationen die Menschen egoistischer, so die Studienmacherin Carol Cone, die Good zitiert:

„The two numbers that were down were volunteering and donating, and we absolutely correlate them to the recession,“ Cone says. “People are still concerned, rightly so, about either getting a job or staying in a job, they just have less time and they have less money to give.” While the United States remains one of the wealthiest economies in the world, compared to pre-recession life or the current growth rates in the emerging market economies, some American consumers feel like their opportunities are diminishing more than they are expanding.

Ganz interessant ist übrigens auch der Blick nach Deutschland, den ein extra Artikel behandelt. Danach engagieren sich immer mehr Deutsche in ihrer Freizeit für einen guten Zweck. Und sie erwarten das auch von Unternehmen. „Besserer Geschmack“ auf der Zahnpastatube reicht inzwischen nicht mehr aus als Werbung. Die Kunden würden immer stärker nachfragen, welchen sinnvollen Beitrag Unternehmen zur Gesellschaft leisten:

„When it comes to consumer expectations towards business, nearly nine out of ten Germans demand that corporations place at least equal weight on society´s interests as on business’ interests. But in contrast to that, only 15% of Germans believe that businesses are performing well in addressing societal issues. There is definitely a huge gap to close between consumer demands and companies` perceived performance.  Clearly, it is no longer sufficient for brands to just “wash well” or “taste better,” but brands today are facing the question: “What is my contribution to society?”“

 

 

Fracking – bislang ohne Umweltcheck

Mal flott ein Blick über den großen Teich: Vermont hat vergangene Woche als erster US-Bundesstaat ein Fracking-Verbot erlassen. Zu unklar seien die Risiken, ob Fracking (bei dem ein Chemikaliencocktail unter Tage gepresst wird, um Erdgas zu fördern) das Grundwasser verseuche, so Gouveneur Peter Shumlin. Gerade in den USA herrscht ja zurzeit ein wahrer Fracking-Boom und die Fördermengen haben die Erdgaspreise in den USA zurückgehen lassen.

Wie in den USA mehren sich allerdings auch in Deutschland die Kritiker, das zeigte auch der NRW-Wahlkampf. Das Thema Fracking wird auch diese Woche wieder aufkommen, wenn im Wirtschaftsausschuss eine Anhörung dazu läuft. Umstritten ist ja vor allem, dass Behörden sämtliche Genehmigungen noch nach dem Bundesberggesetz erlassen, das teilweise sogar noch aus der Kaiserzeit stammt. Konzerne wie RWE Dea oder ExxonMobil müssen danach erst eine Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) vorlegen, wenn sie mehr als 500.000 Kubikmeter Erdgas fördern werden – eine wohl vollkommen willkürliche Menge.

Die Opposition fordert, diese Grenze auf einen Kubikmeter zu senken – also eine UVP immer verbindlich zu machen. Mit schlechten Chancen, Union und FDP zeigen bislang kaum Interesse daran.

Es ist doch verrückt: Über Tage muss jeder Windmüller die verbindlichen Umweltchecks bei der Genehmigung eines neuen Windparks durchlaufen.

Unter Tage, wenn es um die Qualität des Grundwassers geht, scheint der Gesetzgeber das bislang nicht für nötig zu halten.

 

Platz an der Sonne

Wenn Ana Mascarenhas nicht „so viel Lust, Euch zu kopieren“ gehabt hätte, würde die Solarenergie in Brasilien wohl noch lange kaum eine Rolle spielen. Aber vor drei Jahren war die Leiterin der Energieeffizienzabteilung des Energieversorgers Neoenergia, das in drei Bundesstaaten die Stromversorgung verantwortet, in Deutschland und der Schweiz und hat sich Soloarstadien angeschaut. Am Ende des Besuchs kündigte sie an: „Wir bauen das erste Solarstadion in Lateinamerika.“ Drei weitere Energiemanager nahmen die Herausforderung an, und auch sie werden Solarstadien bauen. „Aber wir haben gewonnen“, sagt Ana Mascarenhas und grinst. Sie sitzt im Stadion der Erstligamannschaft Bahia in Salvador.D ie 400-Kilowatt-Solaranlage des Pitacu-Stadions ist vor einem knappen Monat eingeweiht worden – und hat in Brasilien riesiges Interesse ausgelöst.

In Brasilien gibt es keine Einspeisevergütung für Solarstrom. Und lange fanden die Energieexperten auch, dass Solarenergie für Brasilien trotz der hohen Sonneneinstrahlung zu teuer sei. Doch Ana Mascarenhas hält so was nicht auf. Riardo da Silva David, Chef des deutsch-brasilianischen Joint Ventures Gehrlicher Ecoluz Solar, sagt: „Sie hat es immer sehr eilig.“ Und im übrigen „tanzen immer alle nach ihrer Pfeife“. Da grinst Ana Mascarenhas wieder und freut sich sichtlich. Sie hat sich für die Umsetzung von der Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) beraten lassen. Und das erste Solarstadion hat nun zweierlei bewirkt: Erstens hat die brasilianische Bundesnetzagentur Aneel

Das Solarstadion Pitacu in Salvador im Bundestaat Bahia.

die Regulierung verändert, um Solarstrom einen Einstieg in den Markt zu ermöglichen. Und zweitens hat Aneel 19 Solarprojekte mit einem Investitionsvolumen von 170 Millionen Euro aus der Energieeffizienzabgabe genehmigt, die alle Stromversorger in Brasilien in einer Höhe von 0,5 Prozent ihres Umsatzes aufbringen müssen. Ein weiteres halbes Prozent müssen sie in Energieforschung investieren.

Die neue Regulierung erlaubt eine Verrechnung der Stromerzeugung in Photovoltaikanlagen bis zu einer Leistung von einem Megawatt mit dem Stromverbrauch. Der Zähler läuft sozusagen rückwärts und gibt dem Solarstrom damit den Wert, den Haushaltskunden für ihren Strom bezahlen müssen. So erreicht Solarstrom gleich von Anfang an Netzparität. Im Falle des Stadions von Pitacu hätte das nicht funktioniert, weil dort gar nicht so viel Strom verbraucht wird, wie erzeugt wird. Doch Aneel hatte verlangt, dass bei einer Finanzierung aus den Effizienzmitteln auch der Bundesstaat Bahia ein Drittel der Investitionskosten tragen müsse. Um diese Investition zurückzuzahlen, wird der Stromverbrauch der umliegenden öffentlichen Gebäude wie das Stadion selbst mit der Stadionproduktion verrechnet. Auf diese Weise erhält der Bundesstaat Bahia innerhalb von zwölf Jahren seinen Investitionsanteil in Form von Strom zurück.

Klaus Gehrlicher, der mit Ricardo da Silva David gemeinsam eine neue Solarfirma zur Umsetzung von Photovoltaikanlagen gegründet hat, sieht im brasilianischen Markt ein großes Potenzial. Auch wenn es einstweilen noch Hürden gäbe, die den Solarstrom teurer machten als nötig. Beispielsweise hohe Importzölle auf Anlagenkomponenten einschließlich der Module und, sobald öffentliches Geld fließt, auch die Regel, dass ein Mindestanteil des Produkts in Brasilien erzeugt worden sein muss. Gehrlicher hofft, dass in Zukunft auch die Planungsleistungen und Wartungsleistungen, die vor Ort erbracht werden, als brasilianische Leistung gelten. Dann sieht er in Brasilien auch in Sachen Solarstrom ein „Land der Zukunft“.