Während des Wirtschaftswunders wollte man nach vorne schauen, nicht zurück: Das Metropolis greift ein filmisch lange unberührtes Thema auf.
Anfang 1959 schickte der Journalist Thomas Gnielka dem hessischen Generalstaatsanwalt sieben Briefe mit brisanten Unterlagen. Es handelte sich um Listen von Hinrichtungen in Auschwitz, unterzeichnet vom Lagerkommandanten Höß. Ihren Weg zu Gnielka hatten sie über einen Überlebenden gefunden, der sie im SS-Gericht von Breslau vor den Flammen gerettet hatte. Damit nahm eines der spektakulärsten Gerichtsverfahren der Nachkriegsgeschichte seinen Lauf, der Frankfurter Auschwitz-Prozess. Basierend auf diesen Ereignissen, erzählt der Film Im Labyrinth des Schweigens die Geschichte des Verfahrens als historischen Kriminalfall, geleitet von dem fiktiven Staatsanwalt Radmann, der zunächst aus persönlichem Ehrgeiz und dann aus echter rechtsstaatlicher Überzeugung den Kampf gegen das Vergessen aufnimmt. Ein zäher Kampf, wie sich bald zeigt, denn die Deutschen sind in dieser Zeit des Wiederaufbaus und des Wirtschaftswunders nicht gewillt, auf die hässliche Vergangenheit zurückzublicken. Das wirklich Spannende an dem Film, den das Metropolis jetzt zeigt, ist aber weniger die beharrliche Aufarbeitung des Falles durch den Staatsanwalt, sondern die Erinnerung daran, dass es eine Zeit gab, in der Auschwitz und der Holocaust keinen Platz im historischen Selbstverständnis der Deutschen hatten. Eine Zeit, in der die zahlreichen kleinen und großen Täter vollkommen unbehelligt mitten in Deutschland lebten und arbeiteten, als sei nichts geschehen – und das noch zwanzig Jahre nach dem Krieg.
Text: Nik Antoniadis