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„Dheepan“

 

Der tamilische Flüchtling Dheepan wird von einer wiederkehrenden Vision geplagt: Ein gesprenkeltes Monstrum, größer als sein Blickfeld, starrt ihn aus pechschwarzen Augen an. Trost, Vorwurf, nahendes Unheil? All das schwingt in diesem Blick mit. Vieles im neuen Film von Jacques Audiard ist doppeldeutig, beginnend mit dem unter abenteuerlichsten Umständen „geliehenen“ Namen des Protagonisten. Denn: Als Separatisten-Kämpfer verlor Dheepan Frau und Kinder. Um an die Pässe einer im Krieg ermordeten dreiköpfigen Familie zu gelangen, tut er sich mit zwei Schicksalsgenossinnen zusammen: Kalini, noch ein halber Teenie, gibt sich fortan als seine Gattin aus, und die neunjährige Kriegswaise Illayaal spielt die Rolle der gemeinsamen Tochter. Die Flucht gelingt, mit den falschen Pässen bekommt die Schein-Kleinfamile Asyl in Frankreich und zieht in die Pariser Banlieue, wo gewaltbereite Gangs und Drogenhandel das Straßenbild dominieren. Doch ihr gemeinsam gehütetes Geheimnis schweißt sie zusammen, und langsam entwickeln sich engere Bande. Das Spiel der drei famosen, bis dato völlig unbekannten Hauptdarsteller ist so einnehmend, dass man als Zuschauer völlig im Film verschwindet. Selten wurde das Schicksal entwurzelter Flüchtlinge eindringlicher auf die Leinwand gebracht, zu sehen im Studio Kino.

Text: Calle Claus