Das Album Trouble Will Find Me der New Yorker Rockband zeigte The National im vergangenen Jahr in gewohnt tadelloser Form: melancholisch, wortgewandt, sorgfältig produziert. Es ist der Sound einer Band, die alles richtig macht, und das weiß – da wird nicht mehr groß experimentiert. Umso schöner, dass das Quintett live einen gemäßigten Kontrollverlust zulässt. Oder sagen wir, Frontmann Matt Berninger lässt ihn zu: Der trinkt sich die Bühnenangst mit Rotwein weg, schreit sich bei älteren Songs wie Abel die Seele aus dem Leib und wandert bei der Zugabe von Mr. November mit extralangem Mikrofonkabel singend durchs Publikum. Seit dem Ende der neunziger Jahre haben The National in über sechs Alben ihren Sound geschärft und verbessert, von etwas unschlüssigem Alternative-Country zum ausdifferenzierten Leise-Rock der jüngeren Jahre. Rhythmussektion und Gitarren werden jeweils von Brüderpaaren übernommen, so intuitiv und wasserdicht klingen auch die Kompositionen. Berningers Bruder Tom ist nicht Teil der Band, war aber auf der vergangenen Tour als Roadie und Dokumentarist dabei – mehr als Beschäftigungstherapie denn aus künstlerischen Gründen. Der daraus entstandene Film Mistaken For Strangers kommt nächsten Monat in die Kinos: Ein tragikomischer, untypischer Musikfilm, in dem es nicht um Musik geht. Und ein geglücktes Experiment.
Text: Michael Weiland