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Die starke Gertrud

 

Emanzipation statt Selbstzerstörung: Das Stück um Aufbruch und Neuanfang im Leben einer ehemaligen Opernsängerin läuft zum letzten Mal im Thalia in der Gaußstraße.

Als Hjalmar Söderberg 1906 Gertrud schrieb, schuf der bekannteste schwedische Autor der Jahrhundertwende eine Figur, die ihrer Zeit weit voraus war. Der Schreibantrieb kam von einem selbst erlebten Liebesfiasko: Kurz vorher hatte Söderberg von dem Verhältnis seiner Geliebten zu einem viel jüngeren Mann erfahren. Dieser Betrug beschäftigte ihn noch Jahre später und lag auch seinem Roman Ein ernstes Spiel zugrunde. Das Schauspiel Gertrud entstand innerhalb weniger Wochen. Die ehemalige Opernsängerin langweilt sich in ihrer Ehe, in der sie sich unverstanden fühlt, und beginnt ein Liebesverhältnis mit einem deutlich jüngeren Mann. Doch auch von diesem fühlt sie sich verraten und entscheidet sich schließlich gegen alle Männer, die ihr Leben bestimmen. Gertrud wird oft in einem Zug mit Strindbergs Fräulein Julie und Ibsens Hedda Gabler genannt, doch Söderbergs Protagonistin geht einen großen Schritt weiter, statt Selbstzerstörung bricht sie aus der von Männern dominierten Gesellschaft aus, um ein eigenständiges Leben zu führen. Der norwegische Regisseur Eirik Stubø inszeniert den nach wie vor aktuellen Stoff als eine Geschichte von Aufbruch und Neuanfang.

Text: Natalia Sadovnik