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„KarlMaySelf“

 

Die Tragikomödie des Regisseurs Johannes Ender ist ein modernes Spiel mit Identitäten und kommt zu dem Schluss: Karl May ist ein bisschen wie Lady Gaga.

Die Authentizität seiner Winnetou-Romane machte ihn weltberühmt. Auch andere Schriftsteller wie Jules Verne vermischten in ihrer Literatur Fantastereien mit Journalismus- und Wissenschaftsjargon. Doch Karl May ging einen Schritt weiter. So behauptete er öffentlich, die Helden seiner Erzählungen, Old Shatterhand und Kara Ben Nemsi, würden ihn selbst verkörpern. Seine vielen Pseudonyme mögen noch als Belege seiner Geschäftstüchtigkeit durchgehen, doch seine Alter Egos hatten etwas Pathologisches, erinnern an Manipulation, an Freiheitsdrang und Selbstbetrug.

In Anlehnung an Mays Autobiografie betrachtet der Hamburger Regisseur Johannes Ender mit KarlMaySelf das „ständige Herstellen von Selbstbildern. Wir folgen Karl May und finden einen Mann, der sich in seinen Bildern verstrickt.“ In dem Siegerprojekt des 7. Start-off-Wettbewerbs, einer Initiative zur Förderung von Nachwuchskünstlern, bindet er die tragikomische Kunstfigur Karl May in unterhaltsamer Wildwest-Manier an die Moderne – mithilfe des Klang- und Performancekünstlers Daniel Dominguez Teruel. Mitstreiter und Kabarettist Jasper Diedrichsen ergänzt: „Er ist von allem etwas, ein Popstar seiner Zeit. Er inszenierte sich und verschmolz mit seinen Ideen. Ein bisschen wie Lady Gaga.“ Freilich wäre der ernsthafte Versuch einer Trennung von Fakt und Fiktion so zwecklos wie die Frage, ob Mays Sahara in Durch die Wüste aus Quarzsand oder zerriebenen Muscheln besteht. Oder ob sich Winnetous Heimat in Oberlößnitz oder Amerika befindet.

Text: Reimar Biedermann