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„Mutti“

 

Pathologie des Durchregierens: Das Theater Kontraste seziert hochamüsant ein ideologieskeptisches, emotional aufgeladenes System.

Vizekanzler Sigmar ist unzufrieden. Mit Angelas Pragmatismus, mit der Koalition und der leidenschaftslosen deutschen Politik überhaupt. Zudem ist Griechenland endgültig pleite, und das muss den Wählern auch bald verklickert werden. Knut Hellmann, Systemaufsteller von Beruf, soll die Koalition in dieser Krise befeuern und wieder zusammenbringen. Während also die deutsche Nationalmannschaft in Brasilien das Finale spielt, zwingt dieser die vier Politikvollblüter Angela, Horst, Sigmar und Ursula per Familienaufstellung in die Rollen von Mama, Papa, Ehemann und Schwester. Doch Angela bleibt abweisend. Sie hofft auf ihren Jogi. Titeltrunkene Deutsche haben noch jede Kröte geschluckt. Als dann die Mannschaft angeblich in Rückstand gerät und in Katar ein Arbeiteraufstand auf einer Hochtief-Baustelle blutig niedergeschlagen wird, läuft Knut Hellmann zu Höchstform auf. Aber Angela hat noch immer die Kontrolle behalten. Mutti, das seit Mai erfolgreich am Theater Kontraste läuft, besitzt zwar die etwas spröde Anmutung eines theatralen Versuchsaufbaus, ist aber eine raffinierte und hochamüsante Politsatire.

Text: Reimar Biedermann