„Wann die Winde heimwärts wehn“: Nele Gülck lässt in der Galerie Genscher vergessenes Gepäck die Geschichte ihrer früheren Besitzer erzählen.
Seemanns Braut ist die See. Und wer ihr treu bleibt, den weht das Geschick schnell wieder fort – es kommt vor, dass er gar nicht zurückkehrt. Das Depot der Seemannsmission in Hamburg ist voll mit Taschen, Koffern und Kisten, die eingelagert, aber nie abgeholt worden. Alles, was man über ihre Besitzer weiß, ist das, was sie zurückgelassen haben. Ein vergilbtes Foto, ein Pullover, eine Postkarte aus Kiribati. Nele Gülck hat diese herrenlosen Habseligkeiten fotografisch festgehalten, bevor sie versteigert wurden. Was auf den ersten Blick wie eine kühle Dokumentation aussieht, entpuppt sich schnell als sorgfältige Inszenierung. Herausgelöst aus jedem Kontext, sachlich eingerahmt von weißem Raum, beginnen die Objekte plötzlich zu sprechen. Sie erzählen Schnipsel von Geschichten, Streiflichter über die Vergangenheit ihrer Besitzer, kleine, zusammenhanglose Episoden, die dazu verleiten, die blinden Stellen dieser unbekannten Leben mit der eigenen Fantasie aufzufüllen.
Zur Vernissage in der Galerie Genscher gibt’s auch was für die Ohren: The Hairy Cowboy vom Soundsystem Sutsche bringt zwar nicht das Meer zum Rauschen, aber das Vinyl zum Knistern.
Text: Nik Antoniadis