Bereits ein Jahr nach ihrer Einweihung, am 7. August 1974, wurden die New Yorker Twin Towers Ziel eines Anschlags, bei dem allerdings nur das Leben einer einzigen Person in Gefahr war. Menschen mit Höhenangst sollten an der Kinokasse noch einmal in sich gehen: Bin ich bereit, über ein zwischen Nord- und Südturm gespanntes Drahtseil zu spazieren, in Höhe von 110 Stockwerken? In der Pressevorführung wanden sich hartgesottene Journalisten 3D-bebrillt in ihren Sitzen. Sie konnten weder hin- noch wegsehen. Der Wahnsinnige, der diesen Balanceakt einst wirklich wagte, heißt Philippe Petit. Beim Anblick eines Zeitungsbilds der im Bau befindlichen Zwillingstürme packt ihn seine abstruse Idee. Er überzeugt erste Mitstreiter, ihm bei der Planung dieses eigentlich unmöglichen, zudem höchst illegalen Coups zu helfen. Petit passiert den amerikanischen Zoll mit Drahtseil, Winde, Pfeil und Bogen (um das Seil von einem Dach zum anderen zu schießen). Getarnt als Bauarbeiter, verschafft sich seine Bande Zutritt zu den Dächern beider Gebäude, und der luftige Showdown kann beginnen. Natürlich kann man das World Trade Center nicht auf die Leinwand bringen, ohne die Ereignisse von 9/11 zumindest anzureißen. Das tut Regisseur Robert Zemeckis in der letzten Einstellung eindringlich, aber angenehm frei von Pathos.
TEXT: Calle Claus