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Die Schutzbefohlenen

 

Ein Spiel mit den Grenzen: Nicolas Stemanns Stück nach einem Text von Elfriede Jelinek läuft im Thalia Theater.

Unentwegt stößt man an Grenzen als Besucher von Die Schutzbefohlenen im Thalia Theater. An seine eigenen, an die der anderen, auf der Bühne, im Zuschauerraum. Nicolas Stemann inszeniert einen Text Elfriede Jelineks. Die österreichische Schriftstellerin lässt darin eine Gruppe Flüchtlinge sprechen. Sie erzählen von Gräueltaten aus ihrer Heimat und davon, dass sie keine Sprache finden in einer fremden Welt. Jelinek gibt den Flüchtlingen diese Sprache und doch ist sie es selbst, die spricht. Als Europäerin, als Frau der machtvollen Worte. Kann sie in ihrem Text tatsächlich die Perspektive von Menschen einnehmen, deren Schicksal sie nicht teilt? Diese Ambivalenz wird in Nicolas Stemanns Inszenierung aufgegriffen. „Echte“ Flüchtlinge stehen auf der Bühne, zum Großteil wird der Text aber von Schauspielern gelesen. Das ist irritierend, weil es einen mit Barrieren im eigenen Kopf konfrontiert. „Bitte hört uns an!“ Dieses dringliche Flehen, das mehr eine Aufforderung ist, steht hinter jedem ausgesprochenen Wort. Wieso kommt es auf so unterschiedliche Weise bei einem an? Wieso glaubt man es dem einen und dem anderen nicht? Und was sagt es über uns selbst aus, dass wir Geld dafür bezahlen, um dem Flehen zwei Stunden lang zuzuhören? Was ist, wenn das Stück vorbei ist? „We are here to stay!“ rufen die Männer auf der Bühne. Es ist offensichtlich, dass das in diesem Moment nicht gespielt ist.

Text: Katharina Manzke