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„Maria Magdalena“

 

Zum Teufel mit der bürgerlichen Moral! Das Stück im Jungen Schauspielhaus zeigt eine Alternative zum kranken Ehr-Modell.

„Ehre“ gehört zu jenen Worten, die mit neuem Gehalt gefüllt werden müssen. Denn kein Mensch sollte aus Gründen des sogenannten Ehrverlusts sein Leben verlieren. Das dachte sich schon Friedrich Hebbel im 19. Jahrhundert und prangerte in seinem Drama Maria Magdalena die Falschheit bürgerlicher Moral an: Aus Angst vor dem Urteil anderer behandelt ein Vater seine beiden Kinder unmenschlich – der gute Ruf der Familie ist wichtiger als das Wohl seiner Mitglieder. Und weil das heute immer noch einige Rückständige so sehen, wird das Junge Schauspielhaus nicht müde, von solchen Schicksalen zu erzählen – selbst wenn sie 170 Jahre alt sind: Ein Handwerksmeister verstößt seinen Sohn, der im (falschen) Verdacht steht, ein Dieb zu sein; und seiner Tochter droht er mit Selbstmord, falls auch sie ihm noch Schande machen sollte – tatsächlich ist sie ohne potenziellen Ehemann schwanger … Regisseur Alexander Riemenschneider stellt für Zuschauer ab 14 Jahren eine Alternative zum kranken Ehr-Modell vor: die Freiheit, selbst zu entscheiden, wie man leben will.

Text: Dagmar Ellen Fischer