Der ägyptische Grossmufti Ali Gomaa hat in der letzten Woche eine Fatwa zu einer in islamischen Ländern weit verbreiteten Praxis veröffentlicht: Der kosmetisch-chirurgischen Rekonstruktion des Hymens, mit der junge Frauen Jungfräulichkeit simulieren, wenn sie eine Ehe eingehen.
Scheich Ali Gomaa, Grossmufti von Ägypten
Der Mufti ist die höchste islamische Autorität in Ägypten.
Gemäß dem Mufti sind diese Operationen halal, also religiös erlaubt. Das klingt auf den ersten Blick frauenfeindlich – denn die chirurgische Industrie verdient schließlich an dem verlogenen patriarchalischen Jungfrauenkult.
Das Gutachten des Muftis hat aber auch eine andere Pointe: Er erklärt damit die Jungfräulichkeit der Frauen für ihre Privatsache und gibt ihnen die Erlaubnis, Männern, die unbedingt einen Beweis haben wollen, etwas vorzumachen. Er spricht umgekehrt den Männern eigentlich das Recht ab, von ihren Bräuten in dieser Frage Aufrichtigkeit zu verlangen.
Er gibt den Frauen das Recht, sich mit allen Mitteln gegen die patriarchalischen Zumutungen der ägyptischen Gesellschaft zu schützen. Der Mufti findet Unterstützung bei dem Al-Azhar-Scheich Khaled El-Gindy: Jeder Mann, der sich um die Jungfräulichkeit seiner Frau Sorgen mache, solle erst einmal selbst einen Beweis für seine eigene Reinheit bringen.
Gomaa geht sogar so weit zu sagen, eine verheiratete Frau, die ihren Mann betrogen habe, müsse diesem nicht die Wahrheit sagen. Im religiösen Sinn sei es ausreichend, dass sie ihr Verhalten bereue und Gott um Verzeihung bitte. Sie muss das Recht haben, durch das Verschweigen eines Fremdgehens ihr Leben und ihr Heim zu schützen.
„Ehrenmorde“ sind im ländlichen Ägypten keine Seltenheit – bei Ehebruch, aber auch bei Verlust der Jungfräulichkeit.
Die Fatwa hat in Ägypten eine kontroverse Debatte ausgelöst. Ali Gomaa hat sich kürzlich bereits in Fragen der Genitalbeschneidung sehr fortschrittlich geäußert.
Allerdings muss man den Begriff des Fortschritts hier doch sehr relativieren: Denn am Ende wird hier nicht die aufrichtige Liebe zwischen Gleichberechtigten vertreten, sondern die Doppelmoral sanktioniert – nur diesmal ein wenig mehr zum Nutzen der Frauen. Man ahnt, welches Unglück sich mit solchen Arrangements für beide Geschlechter verbindet.