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Das Kopftuchverbot in NRW – eine politische Dummheit

 

Als ehemaliger Schüler der Bischöflichen Liebfrauenschule Eschweiler, der bei Schwester Gisela – mit ihrem Nonnenhabit ein menschlicher Pinguin im Giordanoschen Sinne – einen exzellenten Philosophie-Unterricht geniessen durfte, halte ich die Düsseldorfer Entscheidung von gestern für einen schweren Fehler, für eine politische Dummheit, für einen weiteren Sargnagel des liberalen Staatsverständnisses.

Mit dem Kopftuchverbot an den Schulen in NRW wird übrigens auch das Tragen des Nonnenhabits ausserhalb des Religionsunterrichts verboten. Lächerlich.

Wie viele Nonnen gibt es denn noch im Schulunterricht? Man sollte froh sein über die restlichen Nonnen, die noch unterrichten. Bei uns gab es damals sogar hervorragenden Bio-Unterricht im Habit (ja, inkl. Evolution und Sexualkunde!).

Wir brauchen kein Kopftuchverbot für die wenigen Fälle, die überhaupt anliegen. Lehrerinnen sind daraufhin zu prüfen, ob sie mit der Verfassung und ihren Grundwerten übereinstimmen.

Ihr religiöses Bekenntnis ist ihre eigene Sache, selbstverständlich auch in der Kleidung. Sollten sie Schülerinnen unter Druck setzen, es ihnen nachzutun, greift das Disziplinarrecht.

Man kann Burka und Nikab (Vollschleier) aus praktischen Gründen verbieten (kein Augenkontakt), aber der Staat sollte sich nicht daran machen, gute und schlechte religiöse Symbole zu definieren. Er hat die Verfassung zu wahren und zu schützen, nicht über korrekte religiöse Praktiken zu richten.
Übrigens: Wenn es Nonnen weiterhin erlaubt wird, im Religionsunterricht Habit zu tragen, heisst dies dann im Analogieschluss, im islamischen Religionsunterricht wird dereinst das Kopftuch auch erlaubt sein?

Oder wird, wenn es einst einen Islamunterricht gibt, das Gesetz schnell noch einmal verändert? Abenteuerlich, das alles.
Das Kopftuch ist allerdings ein legitimer Gegenstand der Debatte – und ja: Es ist ein Symbol der Islamisten. (Aber nicht jedes Kopftuch hat diese Bedeutung.)

Die Debatte innerhalbe der islamischen Community darüber muss beginnen (und sie hat begonnen, siehe Ekin Deligöz), ob das Kopftuch obligatorisch ist. Eine solche Debatte kann aber nur sinnvoll dann stattfinden, wenn der Staat das Tuch nicht durch Verbote zum politischen Symbol macht, und damit letztlich den Islamisten die Hände reicht, die es ja genau so haben wollen.

Das Kopftuch ist kein Gegenstand für Gesetzgebung, ebensowenig wie der Nonnenhabit. Wir müssen uns den Zugriff des Staates auf diese Sphäre verbitten.
Ein Verbot religiöser Symbole passt auch nicht in unsere deutsche Leitkultur, in der es keinen strikten Säkularismus gibt, sondern eine wohlwollende Kooperation des Staates mit den Religionsgemeinschaften.

Dass ein Kopftuchverbot hilft, den Kampf gegen den religösen Extremismus und gar den islamistischen Terrorismus zu führen, halte ich für absoluten Quatsch.

Diejenigen, mit denen wir es dabei zu tun haben, sind ausserordentlich pragmatisch, wenn es um die religiösen Pflichten geht (siehe Jussuf Al-Karadawi).