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Unbefleckte Heirat – für 2900 $

 

Ein halbrunder Schnitt, zehn Stiche, 2900 $ – und die Jungfräulichkeit ist wieder da.

Die New York Times berichtet über eine Prozedur zur Hymen-Rekonstruktion, die muslimischen Frauen die Möglichkeit gibt, die Erwartungen ihrer an eine „unversehrte, unbefleckte“ Hochzeit zu erfüllen.

Ein Gynäkologe in Paris bietet diesen Dienst an, der vor allem von jungen Frauen nordafrikanischer Herkunft genutzt wird.

Hymen-Rekonstruktion ist kein ausschließlich muslimischer Trend. In Nordamerika wird die Dienstleistung auch von südamerikanisch-stämmigen Frauen und von konservativen Christen evangelikaler Prägung in Anspruch genommen. In Europa jedoch betrifft das Thema nahezu aussschließlich Musliminnen.

In Frankreich gab es kürzlich eine große Aufregung um den Fall eines Mannes, der eine Annulierung der Ehe ersuchte, nachdem seine Frau sich in der Hochzeitsnacht als nicht mehr jungfräulich entpuppte. Ein französisches Gericht hat die Annullierung (die beide Ehegatten freiwillig anstrebten) vollzogen, die Begründung lautete, dass es sich bei der nicht vorhandenen Jungfräulichkeit um eine Vertragsverletzung handele. Die „Lüge über ihre Unschuld“ war in den Augen der Richter Grund genug für eine Auflösung der Ehe – die Lüge der Frau, wohlgemekrt, manifest geworden in der Tasache nicht vorhandener Jungfräulichkeit. (Worin hätte die Lüge des Mannes manifest werden können?) Die Tatsache, dass Vorhandensein/Nichtvorhandensein eines Hymens in Frankreich überhaupt gerichtsrelevant sein konnte, führte zu einem Aufschrei in der Öffentlichkeit. Man sah darin einen erschreckenden Rückschritt nach Jahrzehnten der Emanzipation: Der weibliche Körper war durch dieses Urteil abermals zur Verfügungsmasse des Mannes und der Familie geworden – ein krasser Verstoß gegen den Grundsatz der sexuellen Selbstbestimmung.

Ich hatte bereits im letzten Jahr auf die Fatwa des ägyptischen Großmuftis hingewiesen, der die Rekonstruktion des Hymens für erlaubt erklärt hatte. Damals war ich noch der Meinung, man könne dies auch als einen Fortschritt lesen (weil Ali Gomaa damit den Frauen auch eine Möglichkeit gibt, sich vor der patriarchalen Doppelmoral zu schützen). Heute sehe ich es anders. Hier breitet sich mit modernen chirurgischen Mitteln ein System der Verlogenheit auf Kosten der Frauen aus. Das ist einfach nur abstoßend.

Im übrigen ist dieses Praxis nicht bloss für Frauen demütigend. Was für ein Höhlenmenschen-Männerbild wird denn hier zementiert?

Und das wirft die Frage auf: Wo sind die islamischen Männer, die gegen diesen demütigenden Schwachsinn rebellieren? Wo sind die Männer, die sich ein Männerbild verbitten, das in dieser Praxis impliziert ist: ehrpusselig, engherzig, prüde?

Na ja, einer geht voran: Hier der Kommentar von Ali Eteraz:

„I have thought this for a while now but this is as good a time to say this as any: I was wrong to look at Mufti Gomaa’s hymen-reconstruction permission as a good thing. It’s not a good thing. It simply reinforces and advances religious hypocrisy. If a sister is no longer a virgin, she shouldn’t be allowed to simply buy her way out of it; nor should she be able to deceive her prospective spouse; nor should her prospective spouse care about her less if she isn’t a virgin. I ignored the ethical and classist problems. Not only that, but the fact that women continue to get virginity certificates and hymen reconstruction simply perpetuates the basic patriarchy underlying this entire issue. If men will not marry women because they are not virgins, it is the men who will lose out on some very amazing women.“