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Neustart der Islamkonferenz – ohne Kritiker?

 

Wer hätte gedacht, dass die Einbürgerung des Islams zu einer Prestigesache für christdemokratische Innenminister werden würde. Aber so ist es: Thomas de Maiziere will die Deutsche Islamkonferenz, Lieblingsprojekt seines Vorgängers Schäuble, fortführen – allerdings weder mit den gleichen Schwerpunkten, noch mit den gleichen Beteiligten. Unter anderem sollen die Islamkritikerinnen Necla Kelek und Seyran Ates beim »Neustart« (de Maiziere) nicht mehr dabei sein.
Wird nun, nach drei Jahren knisternder Konflikte um Kopftücher, Moscheebauten und Schwimmunterricht, auf Weichwaschgang geschaltet? Knickt der Minister, fragt mancher, vor den konservativen bärtigen Herren von den Islamverbänden ein, die schon lange von den feministischen Quälgeistern erlöst werden wollen?
Dem widerspricht, dass de Maiziere auch den Vertreter des konservativsten Verbandes, Ali Kizilkaya vom »Islamrat«, nicht wieder einlädt. Und auch die eher taffen Sprüche des Ministers lassen keinen Kuschelkurs ahnen: Er würde radikale Imame rausschmeißen, hat er im Interview mit der ZEIT gedroht. Die Muslime selbst müssten die »Haupttrennlinie zwischen dem friedlichen Islam und dem gewalttätigen Islamismus ziehen«, forderte er.
Im übrigen: Kizilkaya hat alle wesentlichen Beschlüsse der Konferenz nicht mitgetragen. Und Necla Kelek hat die Islamkonferenz von der anderen Seite her für »gescheitert« erklärt. Sehr überrascht können beide nicht sein, dass die Karawane jetzt ohne sie weiterzieht. Die Konflikte zwischen Islamkritikern wie Kelek und Verbandsvertretern hatten zuletzt etwas Rituelles: »Eurer Islam ist nicht integrierbar!« stand gegen »Ihr seid gar keine Muslime!«
Es ist richtig, dass de Maizière diesen nicht sehr zielführenden Schlagabtausch nicht fortsetzt. Die Konferenz ist dennoch nicht gescheitert. Im Gegenteil: Sie war die mutigste Tat der Großen Koalition. Sie brachte einen Realitätsschock, an dem wir uns noch lange abarbeiten werden, wie unsere nicht enden wollenden Debatten zeigen.
Deutschland hat sich mit der Konferenz das Instrument einer lernenden Gesellschaft geschaffen: Die Mehrheit hat Bekanntschaft mit der Stimmenvielfalt des Islams gemacht – von säkular-feministisch bis neoorthodox bekopftucht. Nicht nur die Mehrheit übrigens: Auch die Muslime selber haben die Buntheit ihres Glaubens zur Kenntnis zu nehmen gelernt. Weder die frauenbewegten Kritkerinnen noch die säuerlichen älteren Herren können heute noch alleine beanspruchen, für »den Islam« zu sprechen. Sichtbar wurden außerdem: Kulturmuslime, die zwar nie in die Moschee gehen, aber wollen, dass ihre Kinder etwas über den Glauben der Väter lernen; deutsche Konvertiten, die oft viel konservativer sind als geborene Muslime; Aleviten, Ahmadis, Schiiten, und sogar muslimische Atheisten. Was will de Maiziere nun mit dem Instrument anfangen? Er sieht sich mehr als Zusammenhaltsminister denn als Sicherheitssheriff. Aber wie entsteht »Zusammenhalt«?
Nicht durch Sonntags- oder Freitagspredigten, das hat die Islamkonferenz gezeigt, sondern durch angst- und hassfrei durchstandene Konflikte. Konflikte sind nicht nur unvermeidlich in einer religiös bunteren Gesellschaft: Klug eingehegt und moderiert, können sie ein Medium der Integration sein.
Es ist gut, dass der neue Minister nun alles praktischer angehen will. Drei Felder interessieren ihn besonders: Religionsunterricht, Geschlechtergerechtigkeit und Islamismus. Er will mehr Praktiker auf dem Podium sehen als bisher ­ in Sachen Religionsunterricht, Imamausbildung, Koedukation, Förderung von Einwanderern im Staatsdienst. Recht so: Doch das Bild dürfen nicht mehr die türkisch dominierten Verbände bestimmen. Sonst entsteht der Eindruck, Deutschland verhandele mit der Türkei (oder deren Mittelsmännern) über die Integration der eigenen Bürger.
Die Konferenz braucht mehr unabhängige muslimische Intellektuelle mit theologischer Kompetenz. Dass Navid Kermani nicht mehr dabei sein soll, wie jetzt gestreut wird, wäre darum unverständlich. Unter den hiesigen Muslimen gibt es keinen zweiten freien Kopf wie den Deutsch-Iraner.
Konkretion ist gut. Aber es wäre falsch, den Debattenmotor Islamkonferenz stillzulegen, um bei der notwendigen Anpassung der deutschen Friedhofsordnung an islamische Begräbnissitten vorwärts zu kommen. Wir brauchen den Streit, eher noch mehr davon: Dass in Deutschland radikale Islamisten vom muslimischen Mainstream isoliert sind und wir (bisher), anders als unsere Nachbarn, keine erfolgreichen islamfeindlichen Rechtspopulisten haben, ist auch ein Verdienst der  Islamkonferenz.