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Noch einmal: Warum Islamische Theologie an deutschen Unis?

 

Der Betreiber von „Nics Bloghaus“ mischt sich nun vermittelnd in den Streit zwischen Mina Ahadi und mir über die Notwendigkeit islamisch-theologischer Forschung an deutschen Unis ein:

„Letztlich geht es doch darum, dass sich der Staat sehr wohl in die Belange und Lehren der Religionsgemeinschaft einmischen möchte (oder muss). Und es geht um die Frage, ob überhaupt noch irgendeine Religion in eine plurale und säkulare Gesellschaft passt. Diese Frage umgeht Jörg Lau beflissentlich. Aber damit ist er nicht allein.

Solange es gläubige Menschen gibt, muss ihnen das Recht auf Religionsausübung gewährt sein. Da wir in einer pluralen (in einer säkularen ganz sicher nicht) Gesellschaft leben, bedarf es Mittel und Methoden, die Religionsfreiheit sowohl als positive als auch als negative Freiheit aufrecht zu erhalten. Ob dazu unbedingt eine “wissenschaftliche” theologische Ausbildung an deutschen Universitäten zählt, mag dahingestellt sein. Meiner Meinung nach kann das unter dem Dach einer Universität passieren; aber finanziert werden sollte das zu 100% von den Glaubensgemeinschaften und nicht von den Steuerzahlern.“

Die Frage, ob „noch irgendeine Religion“ in eine säkulare Gesellschaft passt, finde ich verwegen. Die säkularste Gesellschaft im Westen –  die USA – ist  die religiöseste. Religion ist auch in der Moderne eine Tatsache des sozialen Lebens, sie geht auch nicht weg, sie verändert sich bloß (wird einerseits radikaler, fundamentalistischer, andererseits diffundiert sie zu reiner Ethik).

Religionsfreiheit ist die bürgerliche Urfreiheit, und zwar positive wie negative, auch das ist eine amerikanische Lektion. In Amerika wurde die Religion so freigesetzt zur Entfaltung, der Kampf für Religionsfreiheit war ein Kampf der Kirchen, in Europa war der Kampf um Religionsfreiheit einer gegen die Kirchen.

Dieser Kampf ist gewonnen. Zum Wohl der Kirchen und der Gesellschaft. Es gibt keine Einschränkung der negativen Religionsfreiheit in Deutschland. Auch als Muslim kann man hier unbehelligt Atheist sein oder Agnostiker, oder man kann konvertieren. In Deutschland war die Kooperation von Kirchen und Staat ein Mittel zur Zivilisierung der christlichen Religion – die das allerdings auch bitter nötig hatte (->Religionskriege). Es handelt sich um ein erfolgreiches Modell zur Einhegung der Religion. Erfolgreicher in meinen Augen als das amerikanische (schrecklich viel Einfluss von Kirchen, Sekten etc auf den politischen Prozess, home schooling, „Schöpfungslehre“) und das französische (dort beneidet man uns um unsere politischen Mittel, mit den Kirchen und Religionen Deals zu machen).

Die Privatisierung der islamischen Theologie, die Nic und Ahadi vorschlagen, halte ich nicht für wünschenswert. Die haben wir schon, sie bedeutet endlosen Einfluss für ausländische Mächte (Türkei -> Ditib, Saudis, Ghom, Al-Azhar etc.).

Und dabei habe ich noch gar nicht über den kulturprägenden Einfluss der deutschen Theologie auf die Wissenschaften und die Universitäten hierzulande gesprochen: der deutsche Idealismus und die Romantik als Projekte von protestantischen Theologen, Schleiermachers Aufklärung des Christentums, die Leben-Jesu-Forschung, die historisch-kritische Bibellketüre, ja der ganze Orientalismus als Nebenprojekt der protestantischen Universitätstheologie – all das spricht für das deutsche Modell einer akademischen Theologie. Warum nicht die Muslime darin aufnehmen?