Obamas Iftar-Rede finde ich wieder einmal bemerkenswert. Ich bewundere diesen Mann für seine Fähigkeit to cut through the bullshit, wie es so schön heißt. Klasse Mann, ein Präsident für Erwachsene.
Ist er unterdessen zurückgerudert, weil er ja später nachgeschoben hat, seine Bemerkungen haben nicht der Frage gegolten, ob es „weise“ sei, eine Moschee am Ground Zero zu errichten (nur ob es legitim sei)? Sehe ich nicht so. Er nimmt ja die Frage der Gefühle der New Yorker schon auf, wenn er von „heiligen Boden“ spricht, wo einmal die Türme waren.
Und dann gegen Ende seine Erinnerung daran, gegen wen „wir kämpfen“ (Muslime einbegriffen) – gegen die vor allem Muslime mordende Al-Kaida.
D a s ist die moral clarity, von der sein Vorgänger und seine verrottete Partei immer nur reden.
(Unglücklich über Obamas Position ist auch der Religionskritiker Sam Harris, was allerdings nicht sehr überrascht. Aber in dessen Stück sind immerhin nicht nur fiese Unterstellungen drin.)
Hier der Text der Präsidentenrede:
„Hier im Weißen Haus ist die Einladung zum Fastenbrechen eine Tradition, die mehrere Jahre zurückreicht, ebenso wie unsere Feiern zu Weihnachten, zum Seder und zum Lichterfest. Mit diesen Veranstaltungen würdigen wir die Rolle, die der Glaube im Leben der Amerikaner spielt. Sie führen uns vor Augen, dass wir alle Kinder Gottes sind und dass unser Glaube uns Kraft und Sinnhaftigkeit gibt.
Diese Veranstaltungen sind auch eine Bestätigung dessen, wer wir Amerikaner sind. Unsere Gründerväter wussten, dass der Glaube am ehesten dann seinen Platz im Leben unserer Bürger haben würde, wenn die Freiheit der Religionsausübung geschützt wird. Im Gesetz von Virginia zur Religionsfreiheit (Virginia Act of Establishing Religious Freedom), schrieb Thomas Jefferson, dass „alle Menschen ihre religiösen Meinungen frei bekunden und durch Argumente behaupten sollen können“. Mit dem ersten Verfassungszusatz wurde Religionsfreiheit als Gesetz im ganzen Land verankert. Dieses Recht wurde seitdem gewahrt.
Innerhalb unserer Grenzen konnte Religion sich im Verlauf unserer Geschichte genau deshalb entfalten, weil die Amerikaner das Recht hatten, ihren Glauben so zu praktizieren, wie sie es wollten – und dazu zählt auch die Möglichkeit, keinem Glauben anzugehören. Es ist ein Zeugnis der Weisheit unserer Gründerväter, dass Amerika zutiefst religiös ist – eine Nation, in der Menschen unterschiedlichen Glaubens friedlich und in gegenseitigem Respekt miteinander leben ist ein scharfer Kontrast zu den religiösen Konflikten, die andernorts auf der Welt andauern.
Das heißt nicht, dass Religion frei von Kontroversen ist. Seit einiger Zeit erhält der Bau von Moscheen in einigen Gemeinden – insbesondere in New York – verstärkte Aufmerksamkeit. Wir müssen alle die Befindlichkeiten erkennen und respektieren, die mit der Entwicklung von Lower Manhattan einhergehen. Die Anschläge vom 11. September waren für unser Land zutiefst traumatisch. Der Schmerz und das Leid, das jene erfahren mussten, die Angehörige verloren haben, sind unvorstellbar. Ich bin mir also der Emotionen, die dieses Thema hervorruft, bewusst. Ground Zero ist zweifellos heiliger Boden.
Ich möchte allerdings deutlich sagen: Als Bürger und als Präsident glaube ich, dass Muslime das gleiche Recht haben, ihre Religion auszuüben, wie jeder andere im Land auch. Dazu gehört das Recht, auf einem privaten Grundstück in Lower Manhattan im Einklang mit den dortigen Gesetzen und Verordnungen einen Andachtsort und ein Gemeindezentrum zu errichten. Wir sind in Amerika. Unser Bekenntnis zur Religionsfreiheit muss unerschütterlich sein. Der Grundsatz, dass in diesem Land jeder Glaube willkommen ist und alle von der Regierung gleich behandelt werden, ist ein wesentlicher Bestandteil dessen, was uns ausmacht. Das Gesetz unserer Gründerväter muss Bestand haben.
Wir dürfen diejenigen, die am 11. September so tragisch ums Leben kamen, nie vergessen, und wir müssen diejenigen, die nach den Anschlägen in Aktion traten – von den Feuerwehrleuten, die die rauchgeschwängerten Treppenhäuser hinaufstürmten, bis zu unseren Soldaten, die heute in Afghanistan dienen – immer in Ehren halten. Wir müssen uns auch immer wieder daran erinnern, gegen wen und wofür wir kämpfen. Unsere Feinde kennen keinen Respekt vor Religionsfreiheit. Die Al Kaida kämpft nicht für den Islam – sondern für eine grobe Verzerrung des Islam. Sie sind keine Religionsführer – sie sind Terroristen, die unschuldige Männer, Frauen und Kinder töten. Tatsächlich hat die Al Kaida mehr Muslime getötet als Menschen jeder anderen Religion – und dazu zählen auch die unschuldigen Muslime, die am 11. September starben.
Gegen sie also kämpfen wir. Und wir werden nicht nur gewinnen, weil wir die stärkeren Waffen haben, sondern vor allem, weil wir die stärkeren Werte haben. Die Demokratie, die wir hochhalten. Die Freiheiten, die wir schätzen. Die Gesetze, die wir unabhängig von Abstammung, Religion, Vermögen oder Status anwenden. Unsere Fähigkeit, uns denjenigen gegenüber, die anders sind als wir, nicht nur tolerant, sondern respektvoll zu verhalten. Diese Lebensweise, diese uramerikanische Überzeugung, steht in krassem Gegensatz zu dem Nihilismus derer, die uns an diesem Septembermorgen angriffen und auch heute noch Pläne gegen uns schmieden.
In meiner Amtsantrittsrede sagte ich, dass unser Erbe, das sich aus einer Vielzahl verschiedener Elemente zusammensetzt, keine Schwäche, sondern eine Stärke ist. Wir sind eine Nation, die sich aus Christen und Muslimen, Juden und Hindus – und nichtgläubigen Menschen – zusammensetzt. Wir sind von allen Sprachen und allen Kulturen aus allen Winkeln dieser Erde geprägt. Diese Vielfalt kann schwierige Debatten mit sich bringen. Das ist nicht nur in unserer Zeit so. Auch in der Vergangenheit gab es Kontroversen um den Bau von Synagogen oder katholischen Kirchen. Aber immer wieder haben die Amerikaner gezeigt, dass sie diese Probleme bewältigen, ihren Werten treu bleiben und gestärkt aus der Situation hervorgehen können. So muss und wird es auch heute sein.
Heute Abend werden wir daran erinnert, dass der Ramadan einen Glauben zelebriert, der für seine große Vielfalt bekannt ist. Der Ramadan ist eine Erinnerung daran, dass der Islam immer ein Teil der Vereinigten Staaten war. Der erste muslimische Botschafter in den Vereinigten Staaten, der aus Tunesien kam, wurde von Präsident Jefferson empfangen, der seinen Gast im Ramadan zu einem Essen nach Sonnenuntergang lud und damit vor mehr als 200 Jahren das erste Iftar-Essen im Weißen Haus veranstaltete.
Wie so viele andere Einwanderer kamen auch Generationen von Muslimen hierher, um ihre Zukunft zu gestalten. Sie wurden Landwirte und Kaufleute, arbeiten in Betrieben und Fabriken. Sie halfen, Eisenbahnschienen zu verlegen. Sie halfen, Amerika aufzubauen. In den Neunzigerjahren des 19. Jahrhunderts gründeten sie das erste islamische Zentrum in New York. Sie bauten in North Dakota die erste Mosche der Vereinigten Staaten. Die vielleicht älteste noch bestehende Moschee in den Vereinigten Staaten, die heute noch genutzt wird, befindet sich in Cedar Rapids (Iowa).
Heute wird unsere Nation durch Millionen Muslime gestärkt. Sie zeichnen sich in allen Bereichen der Gesellschaft aus. Muslimisch-amerikanische Gemeinden – einschließlich Moscheen in allen 50 Staaten – dienen auch ihren Nachbarn. Muslimische Amerikaner schützen unsere Städte als Polizisten und Feuerwehrleute und als Einsatzkräfte nach Krisen. Muslimisch-amerikanische Kleriker haben sich gegen Terror und Extremismus ausgesprochen, indem sie die Lehre des Islam bekräftigen, Menschenleben zu retten und nicht auszulöschen. Außerdem dienen muslimische Amerikaner auch mit Ehren in unserem Militär. Beim Iftar-Essen nächste Woche im Pentagon wird dreier Soldaten gedacht, die im Irak ihr Leben ließen und nun neben anderen Helden auf dem Nationalfriedhof Arlington beerdigt sind.
Diese muslimischen Amerikaner starben für die Sicherheit, auf die wir uns verlassen, und die Freiheiten, die wir wertschätzen. Sie sind Teil einer ununterbrochenen Linie von Amerikanern, die sich bis zur Gründung unseres Landes zurückführen lässt. Amerikaner aller Glaubensrichtungen, die dienten und Opfer brachten, um das Versprechen Amerikas an neue Generationen weiterzugeben und dafür zu sorgen, dass das, was an Amerika außergewöhnlich ist, geschützt wird – unser Engagement dafür, unseren grundsätzlichen Werten treu zu bleiben und unsere Fähigkeit, unsere Union langsam aber sicher zu perfektionieren.
Letztendlich bleiben wir „eine Nation, unter Gott, unteilbar“. Wir können „Freiheit und Gerechtigkeit für alle“ nur erreichen, wenn wir nach der einen Regel leben, die jeder Religion zugrunde liegt, auch dem Islam – dass wir unseren Nächsten so behandeln, wie wir selbst behandelt werden wollen.
Vielen Dank, dass Sie alle gekommen sind. Ich wünsche Ihnen einen gesegneten Ramadan. Und nun lassen Sie uns essen.“