Angela Merkel auf dem CDU-Parteitag:
«Unser Land leidet nicht an einem Zuviel an Islam, sondern an einem Zuwenig an Christentum!»
Ich sympathisiere mit dem Versuch der Entdramatisierung („nicht zuviel Islam“). Aber die Sache behagt mir dennoch nicht. Erstens weil es durchaus Leute gibt, die an einem „Zuviel“ Islam – oder an einem falsch verstanden Islam oder wie auch immer man das fassen will, leiden. Religionen sind nicht harmlos, sie sind kein bequemes, sicheres „Wertepolster“, das einfach nicht dick genug sein kann.
Religionen sind gefährlich, und sie müssen sozial, kulturell und politisch eingehegt werden, damit sie „gut“ sein können. Jahrhunderte haben wir gebraucht, um einen modus vivendi als Christen miteinander zu finden. Der Islam hat heute weltweit die größten Probleme unter allen Religionen mit der politischen Einhegung, und auch hierzulande sind wir von einer guten Lösung noch weit entfernt. (Immerhin arbeiten wir dran.)
Für das Christentum gilt weiß Gott das Gleiche, wie ein flüchtiger Blick in die deutsche Geschichte zeigt. Keineswegs ist „mehr davon“ besser – auch nicht unbedingt für Christen. Was heißt denn überhaupt „zuwenig“ Christentum? Zuwenig Einfluss auf die Politik? Zuwenig Zurschaustellung im Alltag? Oder zuwenig Innerlichkeit?
Die evangelische Kirche, der auch Frau Merkel angehört, hat sich das schöne Motto „Kirche der Freiheit“ gegeben. Kirche der Freiheit bedeutet auch, mit unseligen politischen Instrumentalisierungen aufzuhören: Glauben ist kein Werte-Rohstoff für die Politik, den man sich nach Belieben verfügbar machen darf. (Kritisieren wir das nicht am Islamismus?)
Es ist nicht gut, das Verhältnis der Religionen in einer nolens volens multireligiösen Gesellschaft in einem Verhältnis von zuviel-zuwenig zu denken. Weder geht es beim Verhältnis Christentum-Islam um ein Nullsummenspiel noch um eine Überbietungskonkurrenz.
Muß die Antwort auf „mehr Islam“ notwendigerweise „mehr Christentum“ sein? Oder umgekehrt: Ist mehr Islam die Antwort auf weniger Christentum, wie manche glauben? Das ist alles Quatsch. Solches Denken führt in die Sackgasse, oder im religiösen Vokabular gesprochen: in die Hölle künftiger Kulturkämpfe.